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BND-Urteil: Geheimhaltung überwiegt nicht pauschal Pressefreiheit

Erstellt am 21.November 2019, 17:00 Uhr | Kategorie: News

Entgegen der Meinung des BND geht die Geheimhaltung nicht pauschal über Pressefreiheit. Ein Journalist klagte gegen exklusive Hintergrundgespräche.

BND-Zentrale in
Berlin
Auch der BND hat der Presse gegenüber eine Auskunftspflicht. Quelle: S. J. Müller

Ob die Pressefreiheit der Geheimhaltung untergeordnet ist, entscheidet nicht der Bundesnachrichtendienst (BND), sondern im Einzelfall die deutsche Judikative – das stellte nun das Bundesverwaltungsgericht in einem Urteil klar. Ein Redakteur des Tagesspiegel hatte geklagt, weil der BND Hintergrundgespräche mit ausgewählten Journalisten führte und sowohl Themen als auch Teilnehmer vor der Öffentlichkeit geheim hielt.

Handverlesener Kreis von Journalisten

Bereits am 18. September hatte das Gericht sein Urteil verkündet, die 26 Seiten lange Begründung kam aber erst jetzt. Bislang lud der BND mehrmals im Jahr eine ausgewählte Gruppe von Journalisten ein, um sie in sogenannten Hintergrundgesprächen über bestimmte außenpolitische Themen des Nachrichtendienstes aufzuklären. Während eines Treffens ging es beispielsweise um den Militärputsch in der Türkei. Zugang hatten etwa 30 Journalisten, die eine persönliche Einladung bekamen.

Nach einem Vortrag stellte sich der Präsident des Nachrichtendienstes Bruno Kahl (CDU) meist den Fragen der Journalisten. Die Gespräche liefen stets “unter drei” ab – im Journalistenjargon heißt das, dass Informationen oder Zitate nicht direkt veröffentlicht werden dürfen. Sie dienen den Journalisten nur als Hintergrundwissen. Das Problem: Selbst auf Nachfrage teilte der BND anderen Journalisten nicht mit, wer zu den Treffen kam und worüber gesprochen wurde.

Auskunftsrecht ist Individualrecht

Der Redakteur Jost Müller-Neuhof des Berliner Tagesspiegel hielt dies für Unrecht und war der Meinung, dass die Öffentlichkeit ein Recht darauf habe zu erfahren, wie die Hintergrundgespräche ablaufen. Er klagte vor Gericht und bekam teilweise Recht: Gästelisten, Termine und Themenagenda muss der Nachrichtendienst seit dem Urteilsspruch veröffentlichen. Den Inhalt der Gespräche können die Teilnehmer weiterhin geheim halten.

So reicht es laut Urteil auch nicht mehr aus, wenn der BND eine Redaktion generell über die Gespräche informiert oder ein Redakteurs-Kollege Bescheid weiß. Die Behörde hatte die Auskunftsanfragen Müller-Neuhofs unter anderem mit der Begründung abgewiesen, dass andere Tagesspiegel-Redakteure zu den Gesprächen eingeladen waren und die Informationen ja schon in der Reaktion vorhanden seien. Die Richter stellten fest, dass nach Artikel 5, Absatz 1 des Grundgesetzes (Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung) jeder einzelne Journalist ein Recht darauf hat, Auskunft über die Hintergrundgespräche zu erhalten: “[…] bei dem Auskunftsanspruch der Presse handelt es sich um ein Individualrecht der einzelnen Presseangehörigen und nicht um ein Recht zur gesamten Hand der Mitglieder einer Redaktion.”

Keine Sonderrechte für Geheimdienst

Der Nachrichtendienst versuchte innerhalb des Verfahrens darzustellen, dass nur er selbst bei Auskunftsanfragen beurteilen kann, ob eventuell die Geheimhaltung der Pressefreiheit überwiegt und der BND sich Anfragen verweigern kann. Als Vergleich zogen die BND-Anwälte die Bundesregierung heran: Wenn diese beispielsweise der Meinung ist, dass bestimmte Auskünfte schädlich für die Außenpolitik sind, können diese auch verweigert werden. Die Justiz schreitet in solchen Fällen nicht ein. Der BND wünscht sich einen ähnlichen Umgang.

Dieser Ansicht erteilten die Richter eine klare Absage und hielten in der Begründung fest: “Es gibt keine Bereichsausnahme von dem Auskunftsanspruch zu Gunsten des Bundesnachrichtendienstes.” Ein Beurteilungsspielraum in Bezug auf die Sicherheitsrelevanz von begehrten Auskünften stehe der Behörde nicht zu.

Nur das “öffentliche Interesse an der Funktionsfähigkeit des Bundesnachrichtendienstes” würde in bestimmten Fällen den Auskunftsanspruch überwiegen. Ob ein solcher Fall vorliegt, habe aber nicht die Behörde zu entscheiden, sondern ein Gericht. Die Auskunftspflicht endet laut Gericht erst dort, wo die Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten gefährdet ist, die Arbeitsweise und Methodik des BND bedroht werden oder Mitarbeiter und Quellen enttarnt werden könnten.

Seitdem keine Gespräche mehr

Dass Behörden wie der BND prinzipiell solche Hintergrundgespräche im “kleinen Kreis” organisieren dürfen, bestätigt das Gericht. Doch dürfen diese nicht beabsichtigen, die Medien zu steuern. Die Auswahl der Journalisten muss dem “allgemeinen Gleichheitssatz” genügen. Dennoch fanden seit dem Urteil im September keine Treffen solcher Art mehr statt. Die Behörde wolle erst prüfen, ob und wie Gespräche solcher Art weitergeführt werden.

Anderen Behörden und Ministerien, die ebenfalls vertrauliche Gespräche mit ausgesuchten Medienvertretern führten, reagierten ähnlich: Linke-Abgeordneter André Hahn befragte den Staatssekretär im Kanzleramt, Johannes Geismann, (CDU) nach den Gesprächen. Dieser sagte, es gebe einen “Prüfprozess”. Das SPD-geführte Bundesjustizministerium will seine Hintergrundgespräche prinzipiell weiter führen. In einer früheren Stellungnahme teilte das Ministerium mit, dass es weiterhin beabsichtigt, “Journalisten im Rahmen von Hintergrundgesprächen Informationen zukommen zu lassen und andere Journalisten von diesem Informationsfluss ausschließen.” Seit der Urteilsverkündung fanden noch keine weiteren Hintergrundgespräche beim BND statt. (hcz)