Kommentar und Glosse zur Vorratsdatenspeicherung
Erstellt am 16.Oktober 2015, 11:30 Uhr | Kategorie: Blog
Liebe Kundinnen und Kunden, liebe Interessierte,
Heute ist kein guter Tag für unsere Demokratie: Denn der Bundestag hat die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung (VDS) beschlossen. Uns bleibt hierzu nicht mehr viel zu sagen.
Wir hatten bereits im Sommer, in unserem Transparenzbericht 2014, einen mit großer Sorgfalt recherchierten Schwerpunkt zum Thema veröffentlicht. In diesem hatten wir dargelegt, warum die Vorratsdatenspeicherung schon alleine aufgrund der chaotischen Zustände in der Praxis auf keinen Fall wieder eingeführt werden darf.
Mit großen Anstrengungen haben wir in den vergangenen Monaten versucht, darauf aufmerksam zu machen, dass in der Praxis der Auskunftsverfahren massive Sicherheitsprobleme und Kontrolldefizite bestehen. Und wir haben darauf hingewiesen, dass Richter in der Praxis offenbar allen Anträgen auf Überwachung zustimmen. Wir haben die Datenschutzbeauftragten und das BSI informiert. Wir haben den Rechtsausschuss des Bundestages und die zuständigen Minister angeschrieben. Und wir haben persönliche Gespräche mit Politikern geführt. Doch unser Eindruck war: Sachargumente zählen nicht mehr, wenn etwas politisch gewollt ist.
Deshalb haben wir uns dazu entschlossen, heute auch einmal ausnahmsweise die „Sachebene“ zu verlassen – und unseren Koch Achim an dieser Stelle zu Wort kommen zu lassen. Achim hat eine Vorliebe für Satire und hat gestern eine Glosse zum Thema für uns verfasst, um uns vorab schon ein wenig aufzuheitern. Deshalb hier nun für alle, die heute auch etwas zum Schmunzeln brauchen: Achims satirische Menükarte zur Vorratsdatenspeicherung.
Viele Grüße
Ihr Posteo-Team
PS: Für alle, die sich Sorgen um die Privatsphäre Ihrer Posteo-E-Mails machen: Das Gesetz nimmt E-Mailanbieter (wie Posteo) von der Regelung aus. Bei Posteo werden deshalb auch weiterhin keine Daten auf Vorrat gespeichert. Wir sehen uns dennoch als Betroffene der Gesetzeseinführung an, da wir von einem weiteren Anstieg rechtswidriger Ersuchen an uns ausgehen.
Achims satirische Menükarte:
Bundesgasthof
“zum Gläsernen Bürger”
Durch unsere akribische und völlig übertriebene Vorratszutatenspeicherung gehört
“solange der Vorrat reicht” endlich der Vergangenheit an.
Unser Lokal empfängt Sie in demokratiefeindlichem Ambiente bei schummrigem Zwielicht.
Die Gasträume sind in einem angenehm kalten Grau gehalten, mit gelegentlichen Brauntönen.
Unser Tagesverfassungs-Gericht
Da haben wir den
Bundes-Datensalat aus unserem Geheimarchiv,
mit reingelegten Wanzen,
mariniert mit digital naiven Olivenöl
Zwischengang
Schaumgeschlagenes, selbst eingebrocktes Süppchen aus
einer Essenz von Inkompetenz und altbewährter Ignoranz
Hauptgerichte
Hausüberwachter Burger, flankiert von humorlosen Bundeskartoffeln
mit einer penetranten Behördensenfsauce
Dazu servieren wir hartgesottenen Spitzelkohl umhüllt mit einem Mantel aus Schweigen
Alternativ ein
Wendehalsfilet “a la Heiko” aus dem eigenen Sud, nichtssagend abgeschmeckt
mit langsam gemahlenen Pfeffer aus der Justizmühle
Dazu reichen wir Überwachungsbandnudeln
Dessert
Halbeingefrorenes Bankkonto an Zermürbeteiggebäck und Verfassungsbruchstückchen von dunkelster Schokoladensorte
Substanzloser roter Wackelpudding garniert mit einer heiklen Auswahl
an persönlichen Daten
Unsägliches Ende
Argumentativer Käse vom Brett vorm Kopf
Geräucherte Salami vom trojanischen Pferd
Getränkeempfehlung
Wählen Sie aus unserer reichhaltigen Auswahl an kaltgestellten verdächtigen Getränken
Wein
1954er Chatêau Migraîne de Maizière
Weingut Maaßen
Ein Spitzelwein!
Jedoch bitter im Abgang, verströmt zudem ein Bukett von Landesverrat
Für eventuelle Druckfehler gilt der Richtervorbehalt!