Bundesregierung weitet Massenüberwachung aus
Das Kabinett hat an diesem Mittwoch neue Befugnisse für die Geheimdienste zur Überwachung von Kommunikation über WhatsApp und andere verschlüsselte Messenger-Dienste beschlossen. Wie im Gesetzentwurf festgehalten, sollen alle 19 Geheimdienste künftig nicht nur laufende Gespräche via Messenger belauschen dürfen, sondern auch per Messenger versendete Botschaften mitlesen können. Die Bundesregierung hatte mehr als eineinhalb Jahre über die im Koalitionsvertrag vorgesehene Novelle des Verfassungsschutzgesetzes gestritten.
Voraussetzung für die sogenannte Quellen-TKÜ ist in jedem Fall eine entsprechende Anordnung. Um die Kontrolle solcher Maßnahmen zu verbessern, wird die Zahl der Mitglieder der G10-Kommission des Bundestages erhöht. Das war der SPD wichtig. Die Kommission ist für die Genehmigung der Maßnahmen zuständig. Außerdem soll ihr ein technischer Berater an die Seite gestellt werden.
Der Gesetzesentwurf aus dem Bundesinnenministerium sieht außerdem einen erweiterten Austausch von Informationen zwischen dem MAD und den Verfassungsschutzbehörden vor. Auch werden die Hürden für die Beobachtung von Einzelpersonen durch den Verfassungsschutz gesenkt. Damit zieht die Bundesregierung Konsequenzen aus den rechtsextrem motivierten Terroranschlägen in Halle und Hanau. Beide Anschläge waren von Tätern verübt worden, die nach bisherigen Erkenntnissen keiner Gruppierung angehörten.
“Ausverkauf der Bürgerrechte”
Die Union hatte lange auf die Regelung gedrungen. “Es ist gut und wichtig, dass die Anpassung des Verfassungsschutzgesetzes nun endlich auf den Weg gegeben wird”, sagte ihr innenpolitischer Fraktionssprecher Mathias Middelberg (CDU).
Die FDP kritisierte das Vorhaben. “Dass nun auch die Nachrichtendienste den Staatstrojaner einsetzen dürfen sollen, gleicht einem Ausverkauf der Bürgerrechte. Es überrascht sehr, dass Bundesjustizministerin [Christine] Lambrecht (SPD) als Verfassungsministerin diesen Schritt hin zum gläsernen Bürger als Ideal konservativer Sicherheitspolitik mitgeht”, sagte der FDP-Vizefraktionschef Stephan Thomae der dpa. “Die Überwachung verschlüsselter Kommunikation, also die Quellen-TKÜ, ist der kleine Bruder der Online-Durchsuchung und stellt ebenso einen massiven Grundrechtseingriff dar.” Beide hätten bei den verdeckt und im Gefahrenvorfeld agierenden Nachrichtendiensten “nichts verloren”.
Aus der Opposition kam vor allem Kritik am geplanten Zugang der Geheimdienste zu verschlüsselten Chats. “Nach all den jüngsten Niederlagen vor höchsten Gerichten dokumentiert die Große Koalition damit ihre bürgerrechtsfeindliche Haltung und ihre absolute Lernunfähigkeit”, sagte Konstantin von Notz, Fraktions-Vize der Grünen.
Die erarbeitete Reform war in der Koalition sehr umstritten. Ein erster Entwurf war den anderen Ministerien bereits im März 2019 zur Stellungnahme übersandt worden. Damals sah er für die Geheimdienste auch noch die Erlaubnis für “Online-Durchsuchungen” vor. Darunter versteht man den verdeckten Zugriff auf Computer, Smartphones und andere IT-Geräte, deren Daten dann ausgelesen werden können. Dieser Passus wurde auf Druck der SPD gestrichen. (dpa / hcz)