Dieselfahrverbote: Berliner Polizei will automatische Kennzeichenerkennung

Kennzeichenerfassung
Solche Anlagen können Kennzeichen erfassen. Quelle: Jenoptik AG

Die Berliner Polizei will das Einhalten von Dieselfahrverboten mit einer automatischen Kennzeichenerkennung kontrollieren. Eine technische Lösung sei die einzige Möglichkeit, teilten die Gewerkschaft der Polizei (GdP) und die Polizeipräsidentin des Landes Berlin mit.

Die ersten Dieselfahrverbote gelten seit Ende November, bis zum Jahresende sollen insgesamt acht Verbotszonen mit einer Gesamtlänge von 2,9 Kilometern eingerichtet werden. Betroffen sind alle Dieselfahrzeuge bis einschließlich Abgasnorm Euro 5. Ausgenommen sind Anwohner und Personen, die ein berufliches oder privates Anliegen haben.

Die GdP erklärte nun, das Personal der Berliner Polizei reiche “nie im Leben” aus, um die Fahrverbote zu kontrollieren.

Polizei will technische Kontrolle

Man habe früh eine Plakette oder eine technische Lösung zur Kontrolle gefordert. Sonst müssten Fahrzeuge angehalten und Papiere kontrolliert werden. Die Polizeipräsidentin und die Gewerkschaft fordern zunächst drei Systeme, um Kennzeichen automatisiert zu erfassen. Die Kosten dafür sollen sich auf jeweils 150.000 bis 200.000 Euro belaufen. “Wir als Polizei Berlin sehen uns ebenfalls in der Verantwortung, unseren Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz zu leisten.”, sagte Polizeipräsidentin Dr. Barbara Slowik. Das umfasse, die Fahrverbote durchzusetzen.

Allerdings ist die Erkennungstechnik umstritten. Das Bundesverfassungsgericht hatte sich 2008 und 2018 mit solchen Systemen beschäftigt. Beide Male kam das Gericht zu der Entscheidung, dass sie in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifen, solange die Kennzeichen nicht unverzüglich verarbeitet und dann sofort gelöscht würden.

Brandenburg speichert Kennzeichen

Anfang des Jahres war zudem bekannt geworden, dass diese Technik in Brandenburg eingesetzt wird. Dabei sollen die Daten nicht nur bei einer Fahndung erfasst, sondern auf Vorrat gespeichert werden. Sie lassen sich später abgleichen, um festzustellen, ob eine Person zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort war.

Netzpolitik.org hatte in der Folge die Originalfassung eines Gutachtens des Brandenburger Innenministeriums veröffentlicht. Darin heißt es, die Auto-Vorratsspeicherung sei unverhältnismäßig und illegal. Das Innenministerium veröffentlichte aber nur eine geänderte Version des Gutachtens. Die Rechtmäßigkeit des Kennzeichenerkennungs-Systems in Brandenburg ist nach wie vor fraglich und Gegenstand von Untersuchungen.

Polizei beruft sich auf Gesetz

“Wir kennen die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes und auch die Diskussionen in den einzelnen Ländern, in denen die automatisierte Kennzeichenerfassung zur Gefahrenabwehr eingesetzt wurde”, sagte Stephan Kelm, stellvertretender Vorsitzender der GdP Berlin, dazu. Das Straßenverkehrsgesetz (StVG) ermögliche den Einsatz einer solchen Technik. Der Berliner Senat solle sie nun im Zeichen des Klimaschutzes zur Verfügung stellen.

Der Klimaschutz ist allerdings gar nicht der Hintergrund dieser Maßnahme. Vielmehr geht es darum, die Stickoxidgrenzwerte einzuhalten und damit um die Gesundheit der Bürger.

Die GdP bezieht sich auf § 35 (1) 18, § 36 (2i) sowie § 63c des überarbeiteten StVG. Dort ist festgelegt, dass Fahrzeug- und Halterdaten erfasst und über das Internet übertragen werden dürfen, um die Einhaltung der durch das Bundes-Immissionschutzgesetz festgelegten Verkehrsbeschränkungen und -verbote zu überprüfen.

Im zitierten Gesetz geht es allerdings nur um Stichproben mit mobilen Geräten. Zudem ist dort von “Einzelaufnahmen” die Rede, und nicht von Videos. Auch ist im Gesetz klar geregelt, dass eine “verdeckte Datenerhebung” unzulässig ist und der Abgleich “unverzüglich” nach der Erfassung erfolgen muss. Zudem dürfen die Daten nur zu diesem Zweck verwendet werden und müssen anschließend gelöscht werden.

Kritik aus der Politik

Der infrastrukturpolitische Sprecher der FDP im Berliner Abgeordnetenhaus, Henner Schmidt, hält die Forderung für unverhältnismäßig. “Es würden dabei viele Fahrzeuge erfasst, um einige wenige Verstöße zu ahnden. Aus den gewonnenen Daten könnten Bewegungsbilder abgeleitet werden. Es ist offensichtlich, dass dies ein Fall für die Datenschutzbeauftragte wäre”, zitiert ihn der RBB.

Ende Oktober hatte es in Berlin bereits einen Feldversuch in Abstimmung mit der Berliner Datenschutzbeauftragten gegeben. Hierbei wurden jedoch nur technische Daten des registrierten Fahrzeuges übermittelt, keine Orts- und Halterdaten.

In dem Versuch sollte unter anderem festgestellt werden, welche Fahrzeuge einen besonders hohen Anteil an der Luftbelastung haben. Es ging nicht darum, Verkehrsverstöße zu ahnden. Das wäre bei der Durchsetzung von Fahrverboten anders, hierfür würden mehr Daten benötigt. (js)