EuGH: Polizei darf biometrische Daten nicht ohne Prüfung lebenslang speichern

Eine Sitzung des EuGH
Biometrische und genetische Daten sind besonders sensibel. Darauf weist auch der EuGH hin. (Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union)

Polizeibehörden dürfen biometrische und genetische Daten von verurteilten Straftätern nicht ohne weitere zeitliche Einschränkung bis zum Tod der Betroffenen speichern. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Dienstag in einem Fall zum sogenannten Recht auf Löschung entschieden.

Dem Urteil zufolge verstößt eine lebenslange, allgemeine und unterschiedslose Speicherung biometrischer und genetischer Daten von Personen, die wegen einer vorsätzlichen Straftat strafrechtlich verurteilt wurden, gegen das Unionsrecht.

Die für die Speicherung verantwortlichen Behörden sind demnach durch das Unionsrecht verpflichtet, regelmäßig zu überprüfen, ob die Datenspeicherung noch notwendig ist. Ist das nicht mehr der Fall, muss den Betroffenen das Recht auf Löschung der Daten zuerkannt werden.

Bulgarische Behörde hatte Datenlöschung abgelehnt

Hintergrund der Entscheidung ist ein Fall aus Bulgarien; das Oberste Verwaltungsgericht des Landes hatte dem EuGH dazu Fragen vorgelegt.

In dem Fall war eine Person wegen einer falschen Zeugenaussage in einem Ermittlungsverfahren polizeilich registriert und zu einer einjährigen Bewährungsstrafe verurteilt worden. Nach Verbüßung dieser Strafe wurde die Person rehabilitiert und hatte die Streichung aus dem Polizeiregister beantragt. Dieser Antrag war jedoch abgelehnt worden.

Laut EuGH werden im bulgarischen Polizeiregister unter anderem Fingerabdrücke, ein Lichtbild sowie eine Probe zur Erstellung eines DNA-Profils gespeichert. Außerdem seien dort Angaben zu von den Betroffenen begangenen Straftaten und zu entsprechenden Verurteilungen hinterlegt. Die bulgarischen Behörden haben ohne weitere zeitliche Einschränkung bis zum Tod der Betroffenen Zugang zu diesem Datenbestand.

Diese Daten können laut dem Gerichtshof “unerlässlich sein”, um zu prüfen, ob Betroffene auch in andere Straftaten verwickelt sind. Allerdings sei nicht bei allen betroffenen Personen das Risiko gleich hoch, an anderen Straftaten beteiligt zu sein – dieser Umstand würde laut Gericht eine einheitliche Speicherdauer rechtfertigen.

Faktoren wie die Art und Schwere der begangenen Straftat oder fehlende Rückfälligkeit könnten somit implizieren, dass die Speicherung der Daten bis zum Tod eines Betroffenen nicht notwendigerweise gerechtfertigt sei. Die Speicherung bis zum Tod sei nur unter besonderen Umständen angemessen, so der EuGH. Dies sei aber nicht der Fall, wenn diese Frist allgemein und unterschiedslos auf jede wegen einer vorsätzlichen Straftat rechtskräftig verurteilte Person angewendet werde.

Biometrische und genetische Daten sind besonders sensibel, weil sich Menschen damit ein Leben lang identifizieren lassen.

Datenerhebung muss unbedingt erforderlich sein

Vor einem Jahr hatte der EuGH bereits entschieden, dass die systematische Erhebung biometrischer und genetischer Daten aller beschuldigten Personen rechtswidrig ist. Die zuständige Behörde müsse überprüfen und nachweisen, dass die Datenerhebung zum Erreichen der konkret verfolgten Ziele unbedingt erforderlich ist. Außerdem müsse geprüft und nachgewiesen werden, dass sich die Ziele nicht mit Maßnahmen erreichen lassen, die einen weniger schwerwiegenden Eingriff in die Rechte und Freiheiten der Betroffenen darstellen.

Hintergrund war auch damals ein Fall aus Bulgarien, in dem einer in einem Strafverfahren beschuldigten Person Fingerabdrücke und eine DNA-Probe abgenommen werden sollten. Die betroffene Person hatte die Datenerhebung jedoch verweigert, weshalb die Polizei vor Gericht die zwangsweise Datenerhebung beantragt hatte. Nationales Recht hatte die “polizeiliche Registrierung” von allen Personen vorgesehen, die einer vorsätzlichen, von Amts wegen verfolgten Straftat beschuldigt werden.

Der EuGH erklärte in diesem Zusammenhang auch, dass die entsprechende Richtlinie zur Verarbeitung personenbezogener Daten bei der Strafverfolgung einen erhöhten Schutz gegen die Verarbeitung biometrischer Daten gewährleisten soll. Denn die Verarbeitung solcher Daten könne “erhebliche Risiken” für die Grundrechte und Grundfreiheiten mit sich bringen.

Der EuGH entscheidet nicht über einen nationalen Rechtsstreit. Die nationalen Gerichte sind bei ihrer Entscheidung jedoch an die Rechtsprechung des Gerichtshofs gebunden. (js)