Fahrrad und Füße schlagen Uber und E-Scooter

E-Scooter von Lime
E-Scooter fahren macht Spaß, löst aber nicht unsere Verkehrsprobleme. Quelle: Lime

Dass es andere Verkehrskonzepte braucht, merkt man spätestens, wenn man sich mit dem Auto durch die Innenstädte europäischer Großstädte fädelt. Eine kürzlich veröffentlichte Studie der Europäischen Umweltagentur (EEA) hat daher neue und alte Verkehrsmittel und -konzepte auf Nachhaltigkeit, soziale Verträglichkeit und Akzeptanz untersucht. Dabei sind sowohl die eigene Forschung als auch bereits vorhande Untersuchungen eingeflossen. Wir haben die Ergebnisse zusammengefasst und eingeordnet.

Das zusammengefasste Fazit: Bestimmte Arten von Carsharing können für weniger Autoverkehr sorgen, Uber & Co. verursachen das Gegenteil, und die beste Art sich fortzubewegen, ist Laufen und Radfahren. Von den motorisierten Verkehrsmitteln belasten die öffentlichen Verkehrsmittel Umwelt und Gesellschaft am wenigsten.

Die Studie untersuchte hauptsächlich, wie wir uns auf der “first, last and only mile” bewegen, also der ersten, letzten oder einzigen Meile zum Ziel; und wie wir das in Zukunft auf möglichst effektive und nachhaltige Art tun können. Die erste und letzte Meile beschreibt Kurzstrecken zu Zielen in der näheren Umgebung oder den Weg zu einem Transportmittel für Mittel- oder Langstrecken wie das Flugzeug oder den Fernzug, aber auch die S-Bahn, die vom Vorort zur Arbeitsstelle in der Innenstadt fährt.

Städte brauchen Veränderung

Vor allem Stadtbewohner sind durch den Verkehr Luftverschmutzung, Lärm und überlasteten Verkehrswegen ausgesetzt. Der Verkehr gilt als einer der Hauptverursacher von Treibhausgasen und in Städten wird das besonders deutlich. Eine Wende im Verkehrskonzept des urbanen Raums ist also dringend nötig.

Die eigenen zwei Beine konkurrieren auf den städtischen Kurzstrecken mittlerweile mit jeder Menge anderer Verkehrsmittel: Laut Studie gehören die öffentlichen Verkehrsmittel (ÖPNV) wie der Bus und U-, S- und Straßenbahn weiterhin zu den umwelt- und sozialverträglichsten Optionen – vorausgesetzt, sie sind halbwegs ausgelastet. Zudem bewegen sich die Passagiere des öffentlichen Nahverkehrs mehr als der Durchschnitt und laufen pro Tag im Schnitt 8,3 Minuten.

Das Auto mit Verbrennungsmotor stellt das negative Gegenbeispiel zum ÖPNV dar, es braucht viel öffentlichen Platz in Form von Straßen und Parkplätzen und trägt 60 Prozent der auf der Straße ausgestoßenen Treibhausgase bei. Ein durchwachsenes Zeugnis stellt die Studie auch neuartigen Optionen wie E-Scootern und Carsharing-Diensten aus: Bei ihnen kommt es auf die Details an, ob sie helfen, die Verkehrslage zu verbessern.

Wahl des Fortbewegungsmittels

Für welches Fortbewegungsmittel sich der Nutzer entscheidet, ist unter anderem von den pauschalisierten Kosten (“generalised cost”) abhängig. Diese fassen nicht nur die tatsächlichen finanziellen Kosten wie den Sprit- oder Fahrkartenpreis zusammen, sondern auch Reisezeit, Verlässlichkeit, Komfort des Transportmittels und das Risiko eines Unfalls oder Schadens.

Die Nutzung eines bestimmten Transportmittels könne man ankurbeln, indem man die pauschalisierten Kosten reduziert. Inwieweit die Nachfrage dadurch gesteigert wird, ist aber von den äußeren Umständen abhängig. Um die Bürger beispielsweise dazu zu bewegen, vom Auto auf andere Verkehrsmittel umzusteigen, müssten Lauf- und Radwege attraktiver und sicherer werden und öffentliche Verkehrsmittel zuverlässiger und besser erreichbar. Gleichzeitig müssten wegen der hohen Kosten für die Allgemeinheit Maut- und Parkgebühren erhoben und der Raum für Parkplätze eingeschränkt werden. In einer solchen Situation steigen die Nutzer eher auf die nachhaltigeren Verkehrsmittel wie den öffentlichen Nahverkehr um. Ist die Stadt hingegen auf Autonutzung fokussiert und erhebt kaum Gebühren für Parkplätze und Straßen, ist der Anreiz gering, nachhaltige Fortbewegungsmittel zu bevorzugen.

Der signifikanteste Faktor, um nachhaltige Fortbewegungsmittel attraktiver zu gestalten, sei die “subjektive Fahrtzeit”. So wird im öffentlichen Nahverkehr beispielsweise eine Verspätung von einer Minute so wahrgenommen, als verlängere sich die Fahrtzeit um drei bis fünf Minuten. Ergo erhöhen sich gefühlt die pauschalisierten Kosten und die öffentlichen Verkehrsmittel erscheinen unattraktiver. Dann nützt es auch nichts, wenn diese trotz der Verspätung schneller am Ziel sind als beispielsweise das Auto. Denn wegen der Verspätung ist die Fahrtzeit gefühlt dennoch länger. Um die Akzeptanz der öffentlichen Verkehrsmittel zu fördern, müssen sie so “nahtlos, zuverlässig, schnell und komfortabel” aufgebaut sein, damit sie eine Alternative zum Auto bilden.

Bikesharing contra Öffis

Im Hinblick auf Fahrradvermietungen gibt die Studie ein geteiltes Urteil ab: Ähnlich wie das Auto, wird das Fahrrad auf kurzen Distanzen oftmals bevorzugt gegenüber dem öffentlichen Nahverkehr – auch bei gleich langer Fahrtzeit. Hauptgrund sei, dass die Nutzung des ÖPNV auch immer Warten und Laufen mit sich bringt.

Ein Bikesharing-System – bei dem die Fahrräder in der Öffentlichkeit verteilt stehen – kann sowohl einen positiven oder als auch auch negativen Effekt auf die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs haben. Laut einer niederländischen Untersuchung konnte ein deutlicher Rückgang von Busnutzern beobachtet werden auf Routen, auf denen auch ein Bikesharing-System zur Verfügung stand. Doch dieser Effekt muss nicht unbedingt negativ sein. Denn auf Strecken, die sowieso ausgelastet sind, führt dies zu einer gewünschten Entlastung.

So hat die niederländische Eisenbahngesellschaft Nederlandse Spoorwegen es mit ihrem Bikesharing-Angebot “OV fiets” geschafft, die gesamte Fahrtzeit im öffentlichen Nahverkehr um ein Drittel zu reduzieren. Die Zeitersparnis resultierte aus der Nutzung des Fahrrads für die erste und letzte Meile des Gesamtweges anstatt des ÖPNV. Die Strecke mit dem Fahrrad zurückzulegen, dauert im Schnitt nur halb so lang wie mit dem Bus, weil Wartezeiten und Umstiege wegfallen.

Sharing-Systeme contra Auto

Der Einfluss von Bikesharing-Systemen auf die Nutzung des Autos fällt laut Studie wiederum gering aus: So seien die Nutzer solcher Dienste vorrangig ehemalige Fußgänger oder Passagiere des öffentlichen Nahverkehrs. Bei einer Untersuchung in Brüssel sind nur 7 Prozent der Nutzer vormals mit dem Auto gefahren.

Ob Carsharing-Systeme einen positiven Einfluss auf die Umgebung haben, ist von der Art des Systems abhängig. Die Studie unterscheidet zwischen sogenannten “round trip station-based car sharing systems”, bei denen der Wagen am Ende der Fahrt wieder an den Ausgangspunkt gebracht wird und “free-floating systems”, bei denen der Wagen an anderer Stelle als dem Ausgangspunkt abgestellt werden kann.

Carsharing-Modelle mit fester Basis sollen bei 25 bis 30 Prozent der Nutzer dazu führen, dass sie ihr(e) Auto(s) verkaufen. 25 bis 60 Prozent verwerfen die Idee, ein Auto zu kaufen. Das habe einen positiven Effekt auf die Nutzung des öffentlichen Raums und der zur Autoherstellung benötigten Ressourcen.

Gleichzeitig reduziert sich die Anzahl der per Auto zurückgelegten Kilometer bei den Nutzern um 18 bis 80 Prozent (je nach Studie und Stadt). Dass einige Carsharing-Nutzer plötzlich mehr Kilometer mit dem Auto zurücklegen, weil sie zuvor überhaupt keines genutzt haben, kompensieren wohl andere Fahrer mit ihrem geänderten Reiseverhalten.

Free-Floating-Modelle führen wiederum kaum dazu, dass weniger Auto gefahren wird. Carsharing-Nutzer, die zuvor kein Auto besessen haben, nutzen das Fahrrad und die öffentlichen Verkehrsmittel sogar weniger als zuvor. Eine Untersuchung speziell für Deutschland besagt, dass das Free-Floating-Modell keinen Einfluss auf die Verbreitung von Privatautos, den ÖPNV oder den Treibhausgasausstoß hat. Das System könne theoretisch dennoch den Anstoß zu einem Leben ohne eigenes Auto geben.

Mehr Autonutzung durch Uber, Lyft & Co.

App-basierte Personenbeförderungsdienste wie Uber oder Lyft bewertet die Studie negativ in Bezug auf ökologische und soziale Auswirkungen. Untersucht wurden die Effekte der Dienste in den Städten New York und San Francisco.

Für rund die Hälfte der Fahrten hätten die Nutzer normalerweise die öffentlichen Verkehrsmittel genutzt, innerhalb des Stadtzentrums sogar für 70 Prozent der Fahrten. 43 Prozent der Nutzer hätten alternativ ein Taxi gerufen, 13 Prozent wären gelaufen und nur 12 Prozent wären selbst mit dem Auto gefahren (es waren mehrere Antworten möglich). Jeder zweite mit den Diensten zurückgelegte Kilometer wäre ohne die Dienste nicht mit dem Auto gefahren worden.

E-Scooter ohne Umweltvorteile

Wenig Einfluss auf ihre Umgebung hat die Nutzung sogenannter E-Scooter oder E-Tretroller – vor allem im Vergleich zu anderen motorisierten Fortbewegungsmitteln. Ihre Nachteile hängen eher mit der Herstellung und ihrer kurzen Lebensdauer von unter zwei Jahren zusammen. In vielen Städten werden sie Ziel von Vandalismus und ihre Akkus belasten sowohl in der Herstellung als bei der Entsorgung die Umwelt.

Da ihre Akkus fest eingebaut sind, müssen die bisherigen Modelle zum Laden mit Lieferwagen eingesammelt werden. Diese fahren wiederum mit Diesel. Einige Studien vermuten, dass Scooter-Verleihsysteme eher zu einem Anstieg der Emissionen führen. In einer Umfrage in Frankreich hätten drei von vier Nutzern der E-Roller-Verleihsysteme, die öffentlichen Verkehrsmittel oder die eigenen zwei Beine genutzt, wenn keine Scooter zur Verfügung gestanden hätten.

Einfluss des öffentlichen Raums

Für Fußgänger hat auch die Gestaltung der Umgebung, also des öffentlichen Raumes, einen Einfluss darauf, wie lang sie die gelaufene Distanz wahrnehmen und wie attraktiv sie diese Art der Fortbewegung empfinden. Einflussreichster Faktor ist der Abwechslungsreichtum der Umgebung, und ob sie positive Emotionen weckt. Die Studie stellt zudem die Theorie auf, dass sich diese Erkenntnis auch auf andere Fortbewegungsmittel übertragen lässt. Die Autoren schlagen schönere Fahrradrouten vor, um mehr Menschen zum Fahrradfahren zu bewegen und die gefühlte Fahrdistanz zur verkürzen.

Die spanische Stadt Sevilla beispielsweise konnte deutlich mehr Bewohner zum Fahrradfahren motivieren, indem sie das Netz der Radwege massiv ausbaute. Dazu baute die Stadt Radwege mit bis zu zweieinhalb Meter Breite und ersetzte Autoparkplätze oder -fahrspuren. In den fünf Jahren nach dem Ausbau stieg der Anteil von Radfahrern von 1 Prozent auf 9. 30 Prozent der Radler nutzen zuvor das Auto, 40 Prozent die öffentlichen Verkehrsmittel.

Es braucht also öffentliche Investitionen, um eine Verkehrswende herbeizuführen. Wie man an den Beispielen in Sevilla und den Niederlanden sieht, kann sich die Stadt und ihr Einzugsgebiet dann aber überraschend schnell wandeln. (hcz)