Großbritannien will ausländische Straftäter mit Smartwatches überwachen

Fußfessel
Derzeit setzt die britische Regierung bereits Fußfesseln mit Standorterfassung ein (Symbolbild). Datenschützer halten diese Überwachung für zu weitreichend. (Quelle: IMAGO / CTK Photo)

Großbritannien will künftig Migranten, die wegen einer Straftat verurteilt wurden, mit Smartwatches überwachen. Per Gesichtserkennung soll zudem bis zu fünfmal am Tag überprüft werden, wer die Uhr trägt.

Wie der Guardian unter Berufung auf Pläne des Innen- und des Justizministeriums berichtet, soll mit der Überwachung landesweit im Herbst begonnen werden. Demnach stellen die Uhren eine Alternative zu Fußfesseln mit Standortbestimmung dar.

Betroffene Personen sollen mit der Smartwatch bis zu fünfmal täglich ihr Gesicht fotografieren müssen. Per biometrischer Gesichtserkennung werde das Bild dann automatisiert mit Datenbanken des Innenministeriums abgeglichen. Werde keine Übereinstimmung festgestellt, soll ein Beamter die Identität überprüfen. Die Fotos sollen zusammen mit Daten wie Namen, Geburtsdatum und Nationalität bis zu sechs Jahre lang gespeichert werden. Außer den beiden Ministerien könne auch die Polizei auf diese Informationen zugreifen.

Zudem sollen die Smartwatches rund um die Uhr den Standort ihrer Trägerinnen oder Träger übermitteln. Der Guardian berichtet, mit der Überwachung ließen sich auch Ausgangssperren und Verbotszonen durchsetzen.

Nach Angaben des britischen Rechnungshofs sollen ausländische Straftäter überwacht werden, gegen die ein Abschiebungsverfahren läuft.

Überwachungsprogramm sollte bereits vergangenes Jahr starten

Dem Bericht zufolge hat die britische Regierung die entsprechenden Geräte bereits im Mai für umgerechnet etwa 7 Millionen Euro bei dem britischen Hersteller Buddi bestellt. In dem veröffentlichten Vertrag zwischen dem Anbieter und der Regierung ist die Anzahl der bestellten Geräte geschwärzt.

Das Innenministerium habe bereits im August 2021 eine Datenschutzfolgeabschätzung für die Technik durchgeführt. Die Organisation Privacy International hatte diese durch eine Informationsfreiheitsanfrage erhalten. Darin heißt es laut Guardian, das System diene der “täglichen Überwachung von Personen, die der Einwanderungskontrolle unterliegen und die Kriterien erfüllen für das Tragen eines elektronischen GPS-Überwachungsgeräts”. Für sie solle die Auflage gelten, jederzeit eine Fußfessel oder eine Smartwatch zu tragen. Das Innenministerium sagte dem Guardian, es gebe keine Pläne, auf diese Weise auch andere Bevölkerungsgruppen zu überwachen

Einem Bericht des britischen Rechnungshofs zufolge sollten die Smartwatches ursprünglich bereits im vergangenen Jahr eingeführt werden. Das damals ausgewählte System habe aber nicht den Sicherheitsstandards genügt.

Kritiker warnen vor psychischen Folgen

Privacy International kritisiert die Regierungspläne. Lucie Audibert, Anwältin bei der Organisation, sagte gegenüber dem Guardian: “Gesichtserkennung ist bekanntermaßen eine unvollkommene und gefährliche Technologie”. Die Technik diskriminiere marginalisierte Gruppen. Audibert kritisiert zudem die Rolle privater Unternehmen: “Durch ihre undurchsichtigen Technologien und Algorithmen erleichtern sie staatliche Diskriminierung und Menschenrechtsverletzungen, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden.”

Monish Bhatia, Kriminologe an der Birkbeck University of London, kritisierte, dauerhaft überwachte Menschen würden teils “Symptome von Angstzuständen, Depression [und] Selbstmordgedanken” entwickeln. Ihre psychische Gesundheit könne sich allgemein verschlechtern. Das Innenministerium habe weder nachgewiesen, dass die elektronische Überwachung notwendig ist, noch sei bekannt, wie lange Personen auf diese Art kontrolliert werden sollen.

Auf Twitter erklärte Bhatia außerdem, es würden Personen überwacht, die ihre Strafe bereits abgesessen hätten. Sie anschließend zu überwachen sei eine “doppelte Bestrafung”.

Tiefe Einblicke in das tägliche Leben

Privacy International kritisiert auch bereits seit längerem den Einsatz von Fußfesseln zur Standortüberwachung. Seit August 2021 sei sie in Großbritannien für alle ausländischen Straftäter vorgesehen, die ausreisepflichtig sind. In einer Eingabe an die Regierung vom Mai schreibt die Organisation, Ziel der Maßnahme sei es, die Flucht der Betroffenen zu verhindern. Allerdings gehe diese Praxis weit über das Notwendige hinaus – zumal offiziellen Angaben zufolge im Jahr 2020 nur 1 Prozent dieser Personen tatsächlich untergetaucht sei.

Die ständige Standorterfassung offenbare “tiefe Einblicke” in das Leben der Betroffenen – so ließen sich etwa Verhaltensmuster oder soziale Kontakte nachvollziehen.

Zudem kritisiert Privacy International, die Batterielaufzeit der Fußfesseln sei ein Problem. Betroffene seien aber dafür verantwortlich, dass die Batterie aufgeladen ist – andernfalls drohten ihnen Sanktionen.

Schon damals hatte sich die Organisation auch zu einem geplanten Smartwatch-Einsatz geäußert: Weil sich biometrische Merkmale nicht verändern lassen, können Personen mit ihrer Hilfe ein Leben lang identifiziert werden. Die Sammlung dieser Daten sei daher problematisch, weil sie in der Zukunft etwa zu anderen Zwecken verwendet oder bei einem IT-Angriff entwendet werden könnten. (js)