Iran: Angreifer veröffentlichen Videos aus Foltergefängnis

Bild aus den Überwachungsvideos
Die Bilder der Überwachungskameras zeigen Gewalt und menschenunwürdige Haftbedingungen. (Quelle: Edaalate-Ali)

Unbekannte Angreifer sind in die Videoüberwachungsanlage des iranischen Evin-Gefängnisses eingedrungen. Als Beweis veröffentlichten sie Videos aus der Anlage. Diese zeigen unter anderem Misshandlungen durch die Aufseher, Schlägereien unter Insassen und die prekären Haftbedingungen. Amnesty International fordert den Iran dazu auf, dem UN-Sonderberichterstatter für die Menschenrechtslage im Iran und anderen internationalen Beobachtern unverzüglich unabhängige Inspektionen in iranischen Gefängnissen zu erlauben.

Die Gruppe Edaalate-Ali (Alis Gerechtigkeit) hatte am Sonntag einen ersten Zusammenschnitt des erbeuteten Materials auf Twitter veröffentlicht. Darin ist unter anderem zu sehen, wie im Kontrollraum des Gefängnisses Bildschirme erst flackerten und später das Logo der Angreifergruppe zeigten.

“Ein Schandfleck”

Die Angreifer haben eine Reihe von Videos auf den Online-Speicherdienst mega.nz hochgeladen. Die oft nur Sekunden dauernden Filme zeigen Aufnahmen aus Zellen, Gängen und Bädern. Auf einem Video ist zu sehen, wie ein Gefangener auf dem Parkplatz des Komplexes zusammenbricht und Aufseher ihn rücksichtslos durch das Gefängnis schleifen. In einer anderen Szene schlagen und treten mehrere Wächter auf einen in Handschellen liegenden Gefangenen ein. Mehrere Videos dokumentieren Schlägereien zwischen Gefangenen und einen Suizidversuch. Laut Zeitstempeln stammen die meisten Aufnahmen aus den Jahren 2020 und 2021.

“Dieses verstörende Filmmaterial bietet einen seltenen Einblick in die Grausamkeiten, die Gefangenen im Iran regelmäßig angetan werden. Es ist schockierend zu sehen, was sich innerhalb der Mauern des Evin-Gefängnisses abspielt, aber leider sind die Misshandlungen, die in diesen durchgesickerten Videoclips gezeigt werden, ”https://www.amnesty.org/en/documents/mde13/2891/2020/en/" target="_blank">nur die Spitze des Eisbergs der iranischen Folterepidemie", kommentierte Heba Morayef die Enthüllungen, Regionaldirektorin für den Nahen Osten und Nordafrika bei Amnesty International. Die Videos bekräftigen die Besorgnis über chronische Überbelegung und Einzelhaft unter grausamen und unmenschlichen Haftbedingungen, schrieb die Menschenrechtsorganisation am Mittwoch. In Berichten des UN-Sonderberichterstatters Javaid Rehman wurde das Evin-Gefängnis wiederholt als Ort der Misshandlung von Gefangenen genannt.

Darauf wollten offenbar auch die Angreifer aufmerksam machen. Sie spielten auf den Bildschirmen des Gefängniskontrollraums die Nachricht ein: “Das Evin-Gefängnis ist ein Schandfleck auf Raisis schwarzem Turban und weißem Bart”. Die Botschaft richtet sich an den iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi, der seit dem 3. August dieses Jahres im Amt ist. Er gilt als ultrakonservativer Kleriker und wird unter anderem von Amnesty International für die Massenhinrichtung politischer Gefangener im Iran im Jahr 1988 verantwortlich gemacht. Die Angreifer kündigen in ihrem Text an, dass die Täter eines Tages zur Rechenschaft gezogen werden.

Versuch der Aufmerksamkeit

Gegenüber der Nachrichtenagentur Associated Press (AP) erklärte die Gruppe Edaalate-Ali, über “Hunderte” von Gigabyte an Daten zu verfügen. Der Angriff habe bereits vor einigen Monaten stattgefunden.

Die Veröffentlichung des Materials sei ein Versuch, auf die Bedingungen in dem Gefängnis aufmerksam zu machen. Das Evin-Gefängnis ist bekannt dafür, dass dort politische Gefangene eingesperrt sind. Zudem würden dort laut Edaalate-Ali Gefangene mit Verbindungen ins Ausland festgehalten werden, um sie als Druckmittel bei Verhandlungen mit westlichen Staaten einzusetzen. “Wir wollen, dass die Welt unsere Stimme für die Freiheit aller politischen Gefangenen hört”, ließen sie über AP verlauten.

Laut Agentur bestätigten ehemalige Gefangene, dass es sich um echte Aufnahmen des Komplexes handele. Auch stimmten die Bilder mit denen von Journalisten überein. Auch der Chef der iranischen Gefängnisverwaltung Mohammad Mehdi Haj-Mohammadi bestätigte am Dienstag die Echtheit des Materials. Er übernahm die Verantwortung für das “inakzeptable Verhalten” und entschuldigte sich für die Misshandlungen. (hcz)