Medien und Werber fallen auf Drogendealer rein
Betreiber eines Online-Drogen-Shops haben ihr illegales Geschäft besonders einfallsreich beworben: Sie buchten mindestens einen öffentlichen Plakat-Werbeplatz bei dem Unternehmen AWK und ließen ein Plakat mit der Webadresse ihres Shops kleben.
Später banden sie auch noch Nachrichtenseiten ein, die dann unfreiwillig die Werbetrommel für den Drogen-Shop rührten. Grundlegende journalistische Recherchen hätten die Peinlichkeit verhindern können.
Drogen, Kreditkarten und Tinder-Accounts
Die Kriminellen hatten beim Außenwerbungsunternehmen AWK offenbar einen Plakat-Werbeplatz gebucht. Auf diesem war ein riesiger QR-Code gedruckt, eine Person mit Guy-Fawkes-Maske und der Text “Jeder trägt eine Maske. Doch wer steckt dahinter?”.
Sogenannte QR-Codes sind Pixelbilder, die bestimmte Webseiten oder Apps öffnen, wenn man sie mit einem Smartphone abfotografiert. Der Code auf dem Plakat führte direkt zu dem Online-Shop der Drogenhändler, in dem unter anderem Marihuana und Kokain angeboten wurden. Außerdem konnte man gestohlene Kreditkartendaten sowie Ebay- und Tinder-Accounts kaufen. Absurderweise fanden die Redakteure sogar eine Datenschutzerklärung und Allgemeine Geschäftsbedingungen – wohl online gestellt, um Seriösität zu suggerieren. Mittlerweile ist die Seite nicht mehr zu erreichen.
Gefälschte Mails an Redaktionen
Doch die Drogenhändler gingen noch einen Schritt weiter: Eine mutmaßlich am Shop beteiligte Person schrieb – als empörter Bürger Markus V. getarnt – verschiedene Online-Redaktionen an: Unter anderem Redaktionen der Funke Mediengruppe und netzpolitik.org. Die Person schilderte, dass sie über das Drogen-Shop-Plakat empört sei. Sie habe die Behörden informiert, ohne dass diese reagiert hätten. Der Mail-Text ist laut netzpolitik “auffällig naiv geschrieben”. Als Beweis hing der Mail ein Bild des Werbeplakats an, das angeblich in Berlin-Weißensee aufgenommen wurde.
Die netzpolitik-Redaktion prüfte die Mail und stellte einige Ungereimtheiten fest: Tatsächlich stammte das Foto aus Oberhausen und nicht aus Berlin, was unter anderem an den Farben der Straßenschilder und den Autokennzeichen zu erkennen war. Auch stellte sich das angebliche Aufnahmedatum als falsch heraus. Auf Nachfrage deutete der Mail-Verfasser dann an, dass er an dem Online-Shop beteiligt ist.
Der Westen und WAZ reingelegt
Solche Mails gingen auch an die Boulevard-Nachrichtenseiten Der Westen und die WAZ, vermutlich mit der Absicht, dass die QR-Codes abgebildet werden und Leser sie einscannen. Beide griffen die Geschichte bereitwillig auf, schluderten aber bei der journalistischen Sorgfaltspflicht und Recherche.
Der Westen schrieb reißerisch: “Mann sieht mysteriöses Werbeplakat – als er es genauer betrachtet, ruft er sofort die Polizei”. Im Text hieß es, dass Markus V. regelmäßig am Plakat vorbei jogge. Zwar hat Der Westen mittlerweile die Überschrift geändert und den Text um einen Hinweis auf die Recherchen der netzpolitik-Redaktion erweitert, doch ist dort immer noch in einer Zwischenüberschrift zu lesen, dass es sich bei Markus V. um einen “Oberhausener” handele. Der Westen gibt auch keinen Hinweis darauf, dass der Artikel in einer früheren Version falsche Informationen enthielt und die Redaktion ihn im Nachhinein bearbeitet hat.
Auch die WAZ-Redaktion ging der gefälschten Mail auf den Leim. Sie titelte: “Plakat in Oberhausen wirbt mit Terrorist für Drogenhandel”. Der Autor bezieht sich vermutlich auf die Figur auf dem Plakat mit Guy-Fawkes-Maske. Fawkes hatte im 17. Jahrhundert versucht, das englische Parlament zu sprengen und wird heutzutage unter anderem von Anhängern der Anonymous-Bewegung als Symbol des Widerstands genutzt. Mittlerweile hat die Redaktion die Überschrift geändert.
Werbeunternehmen prüfte nicht
Wie lange das Plakat schon hing und ob es noch weitere gab, ist unbekannt. Laut den Metadaten des per Mail geschickten Fotos, hing das fotografierte Plakat mindestens seit dem 5. Juni. Die Polizei habe erst am 12. Juni davon erfahren. Inzwischen ist das Plakat abgehängt worden.
Das Koblenzer Außenwerbungsunternehmen AWK, bei dem die Kriminellen diesen und eventuell nach eigenen Angaben weitere Werbeplätze gebucht hatten, hatte die Werbung angeblich geprüft. Gegenüber netzpolitik behauptete eine Sprecherin, dass die Firma nach den Auftraggebern im Internet gesucht und nichts Auffälliges gefunden habe. Angeblich hat sogar eine “Sichtung des Motivs” durch die “Fachabteilung” stattgefunden.
Auf die Nachfrage, ob die Mitarbeiter auch den aufgedruckten QR-Code überprüft hätten, gab es keine Antwort seitens AWK. Auch wollte das Unternehmen nicht beantworten, wo der Drogen-Shop noch Werbeplätze gebucht hat – laut netzpolitik angeblich aus Datenschutzgründen.
Polizei sucht in Tonga
Mittlerweile hat sich die Kriminalpolizei Oberhausen des Falles angenommen. Gegenüber netzpolitik beschrieb ein Sprecher, dass man der Spur in Richtung des Inselstaates Tonga folge – die Webadresse des Drogen-Shops endete nämlich mit der Top-Level-Domain .to. Zu hoffen ist, dass die Beamten diese Spur schnell wieder aufgeben. Denn ein Hinweis auf den Aufenthaltsort der Kriminellen ist die Domain mit Sicherheit nicht.
Die .to-Domains werden gerne für zwielichtige oder illegale Internetseiten verwendet, da Tonga praktisch keine Identitätsnachweise fordert und beispielsweise keinen Whois-Dienst anbietet. Einen Hinweis darauf, wo tatsächlich der Server der Seite steht oder sich die Betreiber aufhalten, gibt die .to-Domain definitiv nicht. Den Recherchen von netzpolitk zufolge sitzen die Urheber der Drogenseite wahrscheinlich in Europa. (hcz)