Nordirland: Polizei hat Journalisten unrechtmäßig überwacht

Zwei Männer halten Schilder mit der Aufschrift Journalism is not a Crime hoch
Die betroffenen Journalisten Barry McCaffrey (links) und Trevor Birney erhalten nun je eine finanzielle Entschädigung. (Quelle: IMAGO / ZUMA Press Wire)

Die nordirische Polizei hat die beiden Journalisten Trevor Birney und Barry McCaffrey illegal überwacht. Das hat ein Gericht in dieser Woche entschieden. Die Polizei hatte versucht, die Quellen der Investigativreporter zu identifizieren.

Das britische Investigatory Powers Tribunal urteilte, dass die Überwachungsanordnung gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen hat. Das Gericht ist in Großbritannien für Beschwerden gegen Überwachungsmaßnahmen durch Behörden zuständig. Es hat den Journalisten jeweils eine Entschädigung in Höhe von 4000 britischen Pfund zugesprochen.

Recherchen zur Polizei

Trevor Birney und Barry McCaffrey hatten im Jahr 2017 den Dokumentarfilm “No Stone Unturned” veröffentlicht, in dem es um das sogenannte Loughinisland-Massaker geht. Im Jahr 1994 hatten Mitglieder einer protestantischen Miliz sechs Katholiken in einer Bar in Loughinisland ermordet. Laut der Recherche hatte die Polizei damals die Täter geschützt – bis heute wurden sie nicht zur Verantwortung gezogen.

Im Jahr 2018 hatte die Polizei die beiden Journalisten festgenommen und ihre Wohnungen und Büros wegen des Verdachts durchsucht, sie hätten Polizeidokumente gestohlen. Diese Maßnahmen wurden bereits im Jahr 2019 für unrechtmäßig erklärt – und die nordirische Polizei hatte den Reportern eine Entschädigung in Höhe von insgesamt 875.000 britischen Pfund gezahlt.

Birney und McCaffrey hatten sich anschließend mit einer Beschwerde an das Investigatory Powers Tribunal gewandt und der Polizei vorgeworfen, sie habe wiederholt versucht, ihre journalistischen Quellen zu identifizieren.

Rechte verletzt

Wie die BBC berichtet, behauptete die Polizei vor Gericht, die Überwachungsmaßnahmen hätten sich gegen den Ombudsmann der Polizei gerichtet. Dieser habe eine Untersuchung zu den Morden in Loughinisland geführt – und in dem Film sei aus internen Dokumenten dieser Ermittlungen zitiert worden. Die Polizei wollte feststellen, ob sich ein Mitarbeiter des Ombudsmanns mit den Journalisten trifft.

Das Gericht wies diese Behauptung jedoch zurück. Der damalige Chief Constable Sir George Hamilton habe es vielmehr vernachlässigt, die Überwachungsanträge genauer zu prüfen, so wie es in Fällen vorgeschrieben ist, die Journalisten betreffen. Durch die Anordnung seien die Rechte der beiden Journalisten verletzt worden.

In dem Verfahren wurde zudem festgestellt, dass McCaffrey schon früher von der Polizei unrechtmäßig überwacht wurde: Die Londoner Metropolitan Police hatte im Jahr 2012 Telefonverbindungsdaten des Journalisten abgefragt. Im darauffolgenden Jahr fragte auch die nordirische Polizei diese Daten ab, nachdem er zu mutmaßlichen Bestechungen eines Beamten recherchiert und die Pressestelle der Polizei angerufen hatte.

Auch der damalige BBC-Journalist Vincent Kearney war von der Verbindungsdatenabfrage betroffen – eine Beschwerde von ihm und der BBC ist weiter anhängig.

Weitere Untersuchung gefordert

Die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) begrüßte die Entscheidung des Gerichts und erklärte, sie unterstreiche das grundlegende Recht auf Quellenschutz.

Fiona O’Brien, Chefin des Großbritannien-Büros von RSF, sagte, es handle sich um ein bahnbrechendes Urteil für die Pressefreiheit. “Es ist zutiefst schockierend, dass die Polizei das grundlegende Recht von Journalisten, ihre vertraulichen Quellen zu schützen, derart missachtet hat.” Es brauche Schutzmaßnahmen, damit sich der Vorfall nicht wiederhole.

Patrick Corrigan, bei Amnesty International für Nordirland zuständig, sagte ebenfalls: “Das Recht von Journalisten auf Quellenschutz ist ein Eckpfeiler einer freien Gesellschaft”. Die nordirische Polizei habe dieses Recht mit Füßen getreten.

Er kritisierte auch, während die Polizei es für angebracht gehalten habe, Journalisten zu verhaften, die ihre Mitwisserschaft aufgedeckt hätten, sei zwanzig Jahre nach den Morden noch kein Täter verhaftet worden.

Amnesty erklärte zudem, auch die Telefonverbindungen von mehr als einem Dutzend Journalisten einer BBC-Investigativsendung seien überwacht worden. Die nordirische Polizei müsse nun alle Fälle offenlegen, in denen sie ihre Befugnisse missbraucht habe. Die Organisation hoffe, dass das sogenannte McCullough Review Antworten liefern werde. Dabei handelt es sich um eine im Juni von der Polizei angekündigte, externe Untersuchung zu Überwachungsmaßnahmen, die von der Behörde gegen Journalisten eingesetzt wurden.

Auch die beiden Journalisten Birney und McCaffrey sagten, das Urteil sei ein bedeutender Sieg für die Pressefreiheit. Sie forderten Reformen bei der Polizei – diese müsse die Pressefreiheit respektieren. Die beiden Reporter fordern außerdem eine öffentliche Untersuchung – denn ihr Fall könnte nur die Spitze des Eisbergs sein.

McCaffrey sagte weiter, die Polizei habe Zeit und Ressourcen verschwendet, um ihn und seinen Kollegen anstelle der Mörder zu verfolgen.

Birney erklärte: “Wir freuen uns, dass wir nach sechs Jahren diesen Sieg errungen haben. Aber es geht nicht so sehr um uns, sondern um den Journalismus in ganz Großbritannien.”

Der derzeitige Chef der nordirischen Polizei erklärte, die Behörde akzeptiere das Urteil. (js)