Plastikverschmutzung könnte sich bis 2025 verdoppeln
Trinkhalme, Einweggeschirr und andere Einwegartikel aus Plastik sind seit 1. Juli EU-weit verboten. Doch damit ist das Problem des Kunststoffmülls bei weitem nicht gelöst. Denn die globale Plastikverschmutzung steigt weiterhin. Kunststoff baut sich kaum von selbst ab und ist überall zu finden: in Wüsten, auf Berggipfeln, in tiefen Ozeanen und der Arktis. Forscherinnen und Forscher des Alfred-Wegener-Instituts und des Helmholtz-Zentrums fordern daher ein Umdenken.
Die jährliche Plastikverschmutzung von Gewässern und an Land könnte sich nach Forscherangaben von 2016 bis 2025 fast verdoppeln, falls der Mensch so weiter mache wie bisher. Der weltweite Eintrag von Plastik in Seen, Flüsse und Ozeane im Jahr 2016 habe Schätzungen zufolge 9 bis 23 Millionen Tonnen betragen, schreibt das Forscherteam aus Deutschland, Schweden und Norwegen in einem Übersichtsartikel. Eine ähnlich große Menge – 13 bis 25 Millionen Tonnen – sei im selben Jahr in die Umwelt an Land gelangt, heißt es in dem Beitrag, der innerhalb eines Themenschwerpunkts zu Plastik im Wissenschaftsmagazin “Science” vom Donnerstag veröffentlicht ist.
“Plastik ist tief in unserer Gesellschaft verwurzelt, und es sickert überall in die Umwelt, selbst in Ländern mit einer guten Infrastruktur für die Abfallbehandlung”, sagte Matthew MacLeod von der Universität Stockholm. Dabei nähmen die Emissionen tendenziell zu, obwohl das Bewusstsein für Plastikverschmutzung in Wissenschaft und Öffentlichkeit in den letzten Jahren deutlich gestiegen sei.
Keine Wunder durch Mülltrennung
An dem Übersichtsartikel waren unter anderem Forscherinnen des Alfred-Wegener-Instituts (Helmholtz Zentrum für Polar- und Meeresforschung, AWI) in Bremerhaven und des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig beteiligt. Mine Tekman vom AWI warnte vor dem Eindruck, dass alles auf “magische Weise” recycelt werden könne, wenn Plastikmüll richtig getrennt wird. “Technologisch gesehen hat das Recycling von Plastik viele Einschränkungen, und Länder, die über eine gute Infrastruktur verfügen, exportieren ihren Plastikmüll in Länder mit schlechteren Einrichtungen”, erläuterte sie. Dort landet er laut einer Greenpeace-Recherche oftmals auf illegalen Deponien und wird teilweise verbrannt. Auch Deutschland schickt große Mengen Müll in andere Länder: Im Jahr 2020 waren es rund eine Million Tonnen Plastikmüll.
Zudem gebe es laut Tekman ein grundsätzliches Problem mit biologisch nicht abbaubaren Materialien. Sie forderte daher drastische Maßnahmen, wie etwa ein Verbot des Exports von Kunststoffabfällen – es sei denn, er erfolge in ein Land mit besserem Recycling.
Abgelegene Gegenden sind besonders von Plastikmüll bedroht, wie Annika Jahnke vom UFZ erklärte. Dort könne Plastikmüll nicht durch Aufräumarbeiten entfernt werden. Auch führe die Verwitterung großer Plastikteile unweigerlich zur Entstehung einer großen Anzahl von Mikro- und Nanoplastikpartikeln sowie zur Auswaschung von Chemikalien, die dem Plastik absichtlich zugesetzt wurden.
“So schnell wie möglich handeln”
Zusätzlich zu den Umweltschäden, die Plastikverschmutzung allein durch das Verheddern von Tieren und toxische Wirkungen verursachen könne, warnte das Forscherteam auch davor, dass Plastik in Verbindung mit anderen Umweltbelastungen in abgelegenen Gebieten weitreichende oder sogar globale Auswirkungen auslösen könnte. Denkbar sei ein Einfluss auf die Artenvielfalt im Meer und auf dessen für das Klima wichtigen Kohlenstoffpumpe. Plastik wirke dort als zusätzlicher Stressor.
MacLeod kommt zu dem Schluss: “Die Kosten, die entstehen, wenn man die Anhäufung von langlebiger Plastikverschmutzung in der Umwelt ignoriert, könnten enorm sein. Das Vernünftigste, was wir tun können, ist, so schnell wie möglich zu handeln, um den Eintrag von Plastik in die Umwelt zu reduzieren.”
Europäer verbrauchen deutlich mehr
Europa hat im Jahr 2018 insgesamt 61,8 Millionen Tonnen an Plastik verbraucht. Dieser Wert blieb die vergangenen Jahre einigermaßen stabil, während er in anderen Erdteilen stark steigt. Allerdings verwenden westeuropäische Bürgerinnen und Bürger laut einem Bericht der Europäischen Umweltagentur EEA mit 136 Kilogramm jährlich auch dreimal so viel Plastik wie der globale Durchschnitt mit 45 Kilogramm pro Person.
Einige Produkte aus Einwegplastik sind ab Juli in der EU und damit auch in Deutschland verboten. Betroffen sind Artikel, für die es Alternativen gibt, etwa Trinkhalme, Rührstäbchen, Luftballonstäbe oder Einweggeschirr. Auch bestimmte Trinkbecher sowie Einwegbehälter aus Styropor dürfen nicht mehr produziert und in den Handel gebracht werden. Vorhandene Ware darf aber noch verkauft werden.
Umweltorganisationen und kommunale Unternehmen stuften das Vorhaben allerdings als ambitionslos ein. Unter anderem weil die betroffenen Produkte nur ein Fünftel bis ein Zehntel des Müll-Volumens auf Straßen und in öffentlichen Mülleimern ausmachen. Den größten Anteil am generellen europäischen Plastikmüll haben mit fast 40 Prozent Verpackungen; es folgen die Baubranche und die Automobilindustrie. Zusammen sind diese drei Sektoren für fast 70 Prozent des Plastikverbrauchs in der EU verantwortlich. (dpa / hcz)