Russland bremst Twitter und droht mit Blockade
Russland hat die Geschwindigkeit des Kurznachrichtendienstes Twitter für Zugriffe aus dem eigenen Land verlangsamt. Am Mittwoch warf die Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor Twitter vor, dass verbotene Inhalte nicht konsequent entfernt worden seien. Trotz zahlreicher Aufforderungen habe das soziale Netzwerk seit 2017 mehr als 3100 Inhalte nicht gelöscht. Verboten sind beispielsweise kinderpornografisches Material oder Suizidaufrufe an Minderjährige – was sich mit den internen Richtlinien der Plattformen deckt. Allerdings verlangen die Behörden auch Löschen von Inhalten wie Protestaufrufe oder Kritik an Staatsbediensteten.
Angeblich zum “Schutz der russischen Bürger” sei nun der Zugriff auf allen mobilen Geräten und auf der Hälfte der stationären Geräte mit sofortiger Wirkung verlangsamt worden. Betroffen seien Foto- und Videoinhalte, nicht aber Textnachrichten, sagte der Vizechef der Aufsichtsbehörde, Wadim Subbotin, später im Staatsfernsehen. Zugleich drohte die Behörde Twitter mit weiteren Einschränken bis hin zur kompletten Blockade, sollte der US-Konzern weiterhin gegen Gesetze verstoßen.
Ausfall von Regierungs-Webseiten
“Aus Sicht der Regierung ist es sinnvoll, zuerst Druck auf Twitter auszuüben. Es ist relativ klein, aber in Russland hyper-politisiert”, urteilte Mikhail Klimarev, Direktor der NGO Internet Protection Society, gegenüber der Moskow Times. Dies sei nur der Anfang; Facebook und Google seien die nächsten.
Kurz nach der Bekanntgabe waren plötzlich zahlreiche Homepages im Land – darunter viele Regierungs- und Behördenseiten – etwa eine Dreiviertelstunde nicht erreichbar. Später berichteten unabhängige Medien von Tausenden betroffenen Seiten; die Organisation NetBlocks bestätigte den Vorfall. Ob ein Zusammenhang mit der Twitter-Sperre bestand oder es sich um einen Zufall handelte, ist bislang nicht bestätigt.
Kreml stört sich an Protestaufrufen
Seit einigen Wochen ist in Russland ein Gesetz in Kraft, das Betreiber sozialer Netzwerke verpflichtet, verbotene Informationen zu suchen und diese zu löschen. Neben kinderpornografischem Material und Verleitung zum Suizid fallen darunter etwa auch Aufrufe zu nicht genehmigten Protesten. Vorige Woche verteidigte Präsident Wladimir Putin diese Regelungen. Das Netz werde benutzt, um Kinderpornographie, -prostitution und Rauschgift zu verbreiten, Minderjährige zum Suizid und zu “unerlaubten Straßenaktionen” zu bringen.
Die russischen Behörden waren zuletzt wiederholt gegen soziale Netzwerke vorgegangen, weil dort Aufrufe zu Demonstrationen für den inhaftierten Kremlkritiker Alexej Nawalny verbreitet worden waren. Gegen Facebook, Twitter und YouTube wurden Geldstrafen verhängt.
Inzwischen laufen bereits neue Klagen wegen nicht gelöschter Inhalte, die sich gegen Google, Facebook, Twitter, TikTok und Telegram richten. Es drohen aber verhältnismäßig niedrige Geldstrafen in Höhe von vier Millionen Rubel (45.400 Euro).
Menschenrechtler kritisieren Versuche, das Recht auf Meinungsfreiheit in sozialen Netzwerken einzuschränken. In Russland sind bereits Hunderte Internetseiten gesperrt, auch Seiten von Regierungsgegnern.
Zusätzlich verabschiedete Moskau Ende Dezember ein Gesetz, das sozialen Netzwerken verbietet, staatstreue Inhalte zu sperren. Auch hier drohen den Plattformen Geldstrafen von umgerechnet bis zu 33.000 Euro oder eine Sperrung der Seite. Die neuen Gesetze sollen die Social-Media-Plattformen einerseits daran hindern, regierungsfreundliche Propaganda zu löschen und andererseits möglichst viele regierungskritische Inhalte aus der Öffentlichkeit verbannen. (hcz)