UN-Menschenrechtsbüro kritisiert Social-Media-Gesetze

Peggy Hicks bei der OHCHR-Pressekonferenz
Weltweit wurden in den letzten zwei Jahren 40 Gesetze zu sozialen Medien verabschiedet und weitere sind in Arbeit. (Screenshot: Posteo)

Das UN-Menschenrechtsbüro ist besorgt über zunehmende staatliche Eingriffe in die freie Meinungsäußerung auf Online-Plattformen. In zahlreichen Ländern gebe es bedrohliche Tendenzen, sagte Peggy Hicks vom Büro der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte (OHCHR) am Mittwoch in Genf.

Nach Angaben von Hicks wurden in den vergangenen zwei Jahren weltweit rund 40 Gesetze zu sozialen Medien verabschiedet – weitere 30 seien in Arbeit. “Praktisch jedes Land, das Gesetze in Bezug auf Online-Inhalte erlassen hat, hat dabei die Menschenrechte auf Spiel gesetzt.”

Manche Regierungen hätten nach öffentlichem Druck einfache Antworten auf komplexe Fragen durchgepeitscht. Andere nutzen die Gesetze als Vorwand, um Kritiker und Organisationen der Zivilgesellschaft zum Schweigen zu bringen.

Problematisch an den Gesetzen seien unter anderem unklare Definitionen, welche Inhalte als rechtswidrig gelten. Zudem würden die Gesetze häufig den Unternehmen die Verantwortung für die Regulierung von Inhalten aufzwingen. Für die Entfernung von Beiträgen würden unrealistische Zeitvorgaben gemacht – und es fehle an einer richterlichen Aufsicht. Teilweise verlasse man sich bei der Moderation zu sehr auf Algorithmen und künstliche Intelligenz. “Es geht auch besser”, sagte Hicks. “Wir können und sollten das Internet sicherer machen, aber das muss nicht auf Kosten von Grundrechten gehen.”

Gesetze können Menschenrechte untergraben

In Vietnam etwa stelle die regierende kommunistische Partei mit einem Gesetz gegen Internetkriminalität auch Kritik an “revolutionären Verdiensten” unter Strafe. Auch in Australien, Bangladesch und Singapur gebe es viel zu weitreichende und schwammig formulierte Gesetze. Auf Twitter schrieb das UN-Menschenrechtsbüro, wenn staatliche Regulierung übereilt, schlampig oder mit böser Absicht erfolge, könne sie leicht undemokratische und diskriminierende Ansätze verfestigen und eine Vielzahl von Menschenrechten untergraben.

Als Beispiel nannte Hicks auch Großbritannien: Dort seien nach den rassistischen Anfeindungen gegen drei englische Fußballspieler nach dem Finale der Fußball-Europameisterschaft am vergangenen Sonntag Forderungen erhoben worden, ein geplantes Gesetz über Online-Sicherheit schneller einzuführen. Das UN-Büro hält die “Online Saftey Bill” aber für problematisch. Hicks sagte: “Als ob dieses Gesetz die Spieler irgendwie vor dem Rassismus geschützt hätte.” Es drohe vielmehr, vieles zu verbieten, was nach internationalem Recht als freie Meinungsäußerung geschützt werden müsse.

OHCHR fordert mehr Transparenz

Das UN-Menschenrechtsbüro hat zudem fünf Vorschläge für Maßnahmen erarbeitet, die sowohl Staaten als auch die Plattformen für mehr Transparenz und Verantwortung ergreifen sollten: Unter anderem sollten Unternehmen transparent darlegen, wie sie Online-Inhalte moderieren und Staaten sollten transparent über erteilte Löschaufforderungen informieren. Nutzerinnen und Nutzer sollten die Möglichkeit haben, Einspruch gegen Entscheidungen einzulegen, die sie als unfair ansehen – das letzte Wort über die Rechtmäßigkeit von Inhalten müssten unabhängige Gerichte haben. Außerdem fordert das OHCHR, dass die Zivilgesellschaft in die Gestaltung und Bewertung von gesetzlichen Vorschriften zu sozialen Medien einbezogen wird. (dpa / js)