Verfassungsschutz beobachtet Ex-Behördenchef

Schild des Bundesamtes für Verfassungsschutz in Chorweiler.
Schon in der Vergangenheit hatte es Forderungen nach einem Untersuchungsausschuss gegeben, um die Zeit von Maaßen an der Spitze des Inlandsgeheimdienstes zu untersuchen. (Quelle: IMAGO / Panama Pictures)

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) beobachtet seinen ehemaligen Leiter Hans-Georg Maaßen. Das haben Recherchen des ARD-Politikmagazins Kontraste und des Nachrichtenportals t-online ergeben.

Wie die Medien am Mittwoch berichteten, liegt dem Verfassungsschutz eine “umfangreiche Materialsammlung” zu Maaßen vor. Deren Auswertung habe dazu geführt, den ehemaligen Behördenleiter im Bereich Rechtsextremismus zu speichern.

Inzwischen hat Maaßen auch die Antwort der Behörde auf ein Auskunftsersuchen veröffentlicht, das er über seinen Anwalt selbst gestellt hatte.

In dem 20-seitigen Schreiben listet das Bundesamt zahlreiche öffentliche Äußerungen auf, die Maaßen unter anderem in den sozialen Medien oder in Artikeln getätigt hat. So werden beispielsweise mehrere seiner Äußerungen zur Migrationspolitik der Bundesregierung aufgeführt. Das Amt verweist auch auf einen im Jahr 2021 veröffentlichten Aufsatz, der “von Fachwissenschaftlern als antisemitische Codes und Chiffren nutzend bewertet” worden sei.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz wollte den Medienbericht und das Schreiben auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur nicht kommentieren. Eine Sprecherin sagte: “Zu Einzelpersonen äußert das BfV sich aufgrund des Schutzes von Persönlichkeitsrechten nicht.”

Laut den Recherchen von Kontraste und t-online wurden unlängst auch zuständige Abgeordnete des Deutschen Bundestags in einer geheimen Sitzung über die Speicherung der Daten zu Maaßen informiert.

Untersuchungsausschuss gefordert

Bereits im August 2023 hatte die Bild-Zeitung berichtet, der Verfassungsschutz habe Informationen über seinen ehemaligen Chef eingeholt. Medienberichten zufolge hatten die Verfassungsschützer damals eine sogenannte “Erkenntnisanfrage” beim Bundeskriminalamt gestellt. Durch Ermittlungen im Milieu der sogenannten “Reichsbürger” sei er ins Visier der Ermittler geraten.

Als Reaktion auf die nun bekannt gewordene Beobachtung Maaßens forderte die Innenpolitikerin Martina Renner (Linke) einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Dieser müsse “dessen Tätigkeiten während seiner Dienstzeit beleuchten”. Renner erklärte: “Es ist Pflicht des Parlamentes öffentlich aufzuklären, ob Maaßen die Ressourcen im BfV darauf ausgerichtet hat, hemmungslos gegen linke und antifaschistische Kräfte vorzugehen und gleichzeitig extrem rechte Kräfte und Aktivitäten gewähren ließ oder sogar unterstützte.”

Der Grünen-Innenpolitiker Marcel Emmerich sagte: “Die aufwiegelnden Äußerungen von Hans-Georg Maaßen sind nicht nur unerträglich, sondern bergen auch eine ernsthafte Gefahr für ein friedliches und demokratisches Zusammenleben.” Dass Maaßen nun vom Verfassungsschutz als Rechtsextremist eingeordnet werde, erfordere es, dienstrechtliche Konsequenzen gegen ihn verstärkt ins Auge zu fassen.

Jahrelang an der Spitze des Inlandsgeheimdienstes

Maaßen hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz von 2012 bis 2018 geleitet. Zuvor war er mehrere Jahre lang als Unterabteilungsleiter im Bundesinnenministerium für Terrorismusabwehr zuständig.

Schon vor seinem Amtsantritt als Chef des Verfassungsschutzes hatte es Kritik an Maaßen gegeben. Hintergrund war der Streit um den ehemaligen Guantanamo-Häftling Murat Kurnaz.

Während seiner Amtszeit hatte es beispielsweise eine Kontroverse gegeben, weil er wegen der Veröffentlichung von Dokumenten Strafanzeige gegen zwei Redakteure der Nachrichtenseite netzpolitik.org gestellt hatte.

Auch soll sich Maaßen im Herbst 2015 mehrmals mit der damaligen AfD-Chefin Frauke Petry getroffen und ihr Tipps gegeben haben, wie ihre Partei eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz vermeiden könne.

Im Jahr 2018 wurde Maaßen dann nach einem wochenlangen Streit in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Ausschlaggebend war eine Rede bei einem internationalen Geheimdiensttreffen, in der er von teilweise “linksradikalen Kräften in der SPD” gesprochen hatte, die nach den Ereignissen von Chemnitz einen Bruch der großen Koalition provozieren wollten.

Maaßen hatte bereits zuvor öffentlich die Echtheit von Videos angezweifelt, die Verfolgungsjagden auf Ausländer bei Ausschreitungen in Chemnitz zeigten. Beweise für seine Behauptung nannte er nicht – Faktenprüfer widerlegten diese zudem.

Verwendung “antisemitischer Stereotype”

Im Anschluss an seine Amtszeit ist der frühere Behördenleiter wiederholt mit verschwörungsideologischen und rechten Äußerungen aufgefallen. Der Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes, Stephan Kramer, hatte Maaßen im Jahr 2021 etwa vorgeworfen, “klassische antisemitische Stereotype” zu verwenden.

Damals hatte Maaßen bei der Bundestagswahl für die CDU in Thüringen kandidiert. Der CDU-Vorstand hatte Anfang 2023 ein Parteiausschlussverfahren gegen Maaßen eingeleitet, weil er wiederholt “Sprache aus dem Milieu der Antisemiten und Verschwörungsideologen bis hin zu völkischen Ausdrucksweisen” gebrauche. Dieses wurde im Juli 2023 jedoch abgelehnt. Aus der Partei war er erst vor wenigen Tagen selbst ausgetreten. Er will den rechts-konservativen Verein “Werteunion”, dessen Vorsitzender er ist, zu einer Partei formieren.

Wegen seiner wiederholten Äußerungen hatten Politiker der Grünen und der Linken bereits im vergangenen Jahr gefordert, seine Zeit als Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom für Nachrichtendienste zuständigen Parlamentarischen Kontrollgremium untersuchen zu lassen. Es solle prüfen, ob es konkrete Hinweise auf Geheimnisverrat durch Maaßen oder eine andere Form der Konspiration mit der AfD in seiner Amtszeit gegeben habe. (dpa / js)