Weitere Medienschaffende im Iran angeklagt
Im Iran ist gegen weitere Journalistinnen aufgrund ihrer Berichterstattung Anklage erhoben worden. Bei einer Verurteilung drohen ihnen jeweils bis zu fünf Jahre Haft, berichtet Human Rights Watch (HRW). Die Organisation fordert die iranischen Behörden auf, die Anklagen fallen zu lassen.
Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation sind die drei Journalistinnen Saeideh Shafiei, Mehrnoush Zarei Henzaki und Nasim Sultan Beigi unter anderem wegen “Propaganda gegen den Staat” angeklagt. Der Prozess habe mit der Arbeit der drei Frauen zu tun.
So beziehe sich die Anklage gegen Shafiei auf mehrere Artikel, die sie über Themen wie die zunehmende Armut und die Verwaltung von Energiesubventionen durch die Regierung geschrieben hatte. Die Wirtschaftsjournalistin wurde demnach Ende Februar zu Hause in Teheran verhaftet und in das berüchtigte Evin-Gefängnis gebracht. Nach Zahlung einer Kaution wurde sie im März zunächst wieder freigelassen.
Auch Mehrnoush Zarei Henzaki wurde in das Evin-Gefängnis gebracht, nachdem die Revolutionsgarden sie Ende Januar verhaftet hatten. Mitte Februar wurde auch sie auf Kaution freigelassen. Laut HRW arbeitet die Journalistin für verschiedene iranische Zeitungen und berichtet beispielsweise über soziale Themen. Die Anklage beziehe sich auf ihre Artikel über Reproduktionsgesetze und den Zustand der iranischen Nationalparks.
Die dritte Angeklagte Journalistin, Sultan Beigi, hatte laut HRW für verschiedene iranische Publikationen geschrieben, aber auch mit ausländischen Medien zusammengearbeitet. Sie war festgenommen worden, als sie im Januar versucht hatte, den Iran zu verlassen. Sie war ebenfalls in das berüchtigte Teheraner Evin-Gefängnis gebracht worden, bevor sie gegen eine Kaution von umgerechnet etwa 22.300 Euro freigelassen wurde. HRW berichtet, Beigi sei bereits in der Vergangenheit mehrfach festgenommen worden. Sie musste auch eine Haftstrafe verbüßen.
“Die iranische Justiz hat erneut damit begonnen, Medienschaffende und Menschenrechtsverteidiger vorzuladen und zu schikanieren und jeden zu bestrafen, der sich weigert zu schweigen”, kritisierte Tara Sepehri Far, leitende Iran-Forscherin bei Human Rights Watch. “Die Behörden sind unerbittlich bei der Verfolgung und Bestrafung von Personen, die über soziale Themen und Missstände berichten, die im Mittelpunkt der Proteste der letzten Monate standen.”
Die Menschenrechtsorganisation kritisiert, im Iran würden häufig vage definierte Anklagen gegen Medienschaffende, Demonstrierende und Dissidenten in Verfahren eingesetzt, “die weit hinter internationalen Standards zurückbleiben”.
Freigelassene werden erneut verhaftet
Als nach dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini im September 2022 Menschen im Iran begannen, gegen das Regime zu protestieren, gingen die Behörden mit Gewalt gegen die Proteste vor. Laut HRW wurden Zehntausende Protestierende sowie Hunderte Aktivisten, Medienschaffende und Menschenrechtler inhaftiert. Teils wurden im Zusammenhang mit den Protesten auch Todesurteile gesprochen – und vollstreckt.
Anfang des Jahres hätten die Behörden dann viele Menschen, die während der Proteste verhaftet wurden, wieder freigelassen oder hätten ihre Strafe verringert. Doch nun würden iranische Behörden kürzlich freigelassene Aktivisten und Demonstrierende erneut vorgeladen – insbesondere Medienschaffende seien betroffen.
So berichtet HRW von einem Journalisten, der wenige Monate nach seiner Freilassung im Januar zu mehr als zwei Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Eine Journalistin, die im vergangenen Jahr gemeinsam mit ihrer Schwester inhaftiert wurde, sei Ende Mai erneut verhaftet worden – dabei hätten die Behörden sie wegen ihrer Instagram-Aktivitäten der “Propaganda gegen den Staat” bezichtigt.
Die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) hatte im Mai ebenfalls beobachtet, dass das iranische Regime wieder verstärkt Medienschaffende verhaften lässt. Nach Einschätzung von RSF versuchen die Behörden mit diesem Vorgehen, jegliche Debatte über mögliche Reformen zu unterdrücken.
Die freiberufliche Fotojournalistin und Frauenrechtsaktivistin Alieh Motalebzadeh beispielsweise wurde nach Angaben von RSF im Mai verhaftet, nachdem sie an einer Online-Konferenz mit dem Titel “Dialog zur Rettung des Iran” teilgenommen hatte. Auch sie sei im Februar eigentlich begnadigt worden.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit von RSF steht der Iran auf Rang 177 von 180 Staaten. Die Organisation berichtet, kritische Medienschaffende würden in dem Land ständig drangsaliert, seien willkürlichen Verhaftungen ausgesetzt und würden in unfairen Verfahren zu langen Gefängnisstrafen verurteilt.
Tara Sepehri Far fordert die internationale Gemeinschaft zum Handeln auf und fordert: “Die Staaten sollten den Iran auffordern, diese und andere lächerliche Anklagen, die die Behörden gegen Journalisten erhoben haben, fallen zu lassen.” Die iranischen Behörden müssten es außerdem die anhaltende Schikane, Verfolgung und Bestrafung derjenigen beenden, die ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrnehmen. (js)