Österreich: Netzsperre legt Teile des Internets lahm

Netzsperre
Die Internetprovider sind in Österreich dazu verpflichtet, den Sperren Folge zu leisten. (Quelle: IMAGO / Future Image)

Eine in Österreich angeordnete Netzsperre war so weitreichend, dass auch unbeteiligte Webseiten am Sonntag nicht mehr zu erreichen waren. Eigentlich sollte ein Musikportal gesperrt werden, weil die Betreiber gegen das Urheberrecht verstießen.

Die Urheberrechtsorganisation LSG (Wahrnehmung von Leistungsschutzrechten GmbH) hatte vor Gericht eine Netzsperre des Musikportals CannaPower erwirkt. Doch gesperrt wurde nicht etwa die Domain des Portals, sondern es wurden IP-Adressen des Internetdienstleisters Cloudflare blockiert, dessen Dienste auch CannaPower nutzt. Dadurch wurden auch Seiten zahlreicher anderer Cloudflare-Kunden in Mitleidenschaft gezogen – und waren nicht mehr erreichbar.

Umgesetzt wurde die Blockade durch österreichische Internetprovider wie Magenta oder A1. Sie waren aufgrund der richterlichen Anordnung gesetzlich zur Sperrung verpflichtet.

Die Bürgerrechtsorganisation epicenter.works kritisierte am Donnerstag: “Unter einer IP-Adresse finden sich hunderte bis tausende Internetangebote von Websites, über Apps bis hin zu ‘Machine-to-machine’-Anwendungen. Die allermeisten davon sind komplett legal.”

Rundumschlag statt gezielte Maßnahme

Wie die österreichische Tageszeitung Der Standard dokumentierte, fanden sich in der vom Internetanbieter Liwest veröffentlichten Liste von Netzsperren am Sonntag von Cloudflare verwendete IP-Adressen – mit Verweis auf das Portal CannaPower.

Dass der Kollateralschaden im aktuellen Fall so weitreichend ausfiel, liegt auch daran, dass Cloudflare ein großer Anbieter ist, über den viele Webseitenbetreiber ihre Dienste absichern: Fast jede fünfte der 10 Millionen am meisten besuchten Webseiten nutzt Cloudflare als Dienstleister.

Die Bürgerrechtsorganisation epicenter.works kritisierte am Donnerstag: “Unter einer IP-Adresse finden sich hunderte bis tausende Internetangebote von Websites, über Apps bis hin zu ‘Machine-to-machine’-Anwendungen. Die allermeisten davon sind komplett legal.”

Die unberechtigten Sperren hätten verhindert werden können, wenn Domainnamen (wie “canna.to”) statt IP-Adressen gesperrt worden wären – also sogenannte DNS-Sperren eingesetzt worden wären. In Deutschland ist das Portal CannaPower ebenfalls blockiert, allerdings ohne Nebenwirkungen wie in Österreich. Hier haben sich Verwerter und Internetanbieter im März 2021 auf eine DNS-Sperre verständigt.

Doch auch die Domainsperren stehen in der Kritik, weil keine gerichtliche Prüfung stattfindet. Zudem können sowohl IP- als auch DNS-Sperren mithilfe von VPN-Diensten umgangen werden – so auch im aktuellen Fall.

“Overblocking”

Cloudflare hatte betroffene Kundinnen und Kunden nach Möglichkeit per E-Mail über die Probleme informiert, berichtet Der Standard. Der Anbieter habe darin dazu aufgefordert, Druck auf die Politik auszuüben, um eine dauerhafte Lösung für IP-Blockaden zu finden. Dort müsse sich das Wissen durchsetzen, dass diese Art Sperren immer unerwünschte Nebeneffekte hätten.

Die Interessenvertretung der österreichischen Internetwirtschaft (ISPA) sprach sich generell gegen Netzsperren aus. Mit der Sperrung legaler Inhalte sei genau das eingetroffen, wovor man gewarnt hatte. ISPA-Generalsekretär Stefan Ebenberger warnte vor einer Gefährdung der Meinungsfreiheit.

Die beiden Internetanbieter Magenta und A1 gaben in Stellungnahmen an, ihnen seien in solchen Fällen die Hände gebunden, da ihnen keine Möglichkeit zum Widerspruch zusteht. Man könne in solchen Fällen nur darauf warten, dass die österreichischen Behörden eingreifen und die Sperren im Nachhinein prüfen. Die Firmen fordern eine klare Regelung vom Gesetzgeber.

Epicenter.works nannte die Aktion “Overblocking”. Es sei das erste Mal, dass in Österreich im Zusammenhang mit Urheberrechtsverstößen IP-Adressen gesperrt wurden. “Dieser mutwillige Internet-Shutdown zeigt, wie rücksichtslos die Urheberrechtsindustrie vorgeht. Natürlich wussten die, was sie damit für einen Schaden anrichten und es war ihnen egal”, schrieb die Organisation am Dienstag.

Auch Thomas Lohninger von epicenter.works forderte die österreichische Regierung auf, eine rechtliche Lösung zu schaffen, “ansonsten müssen alle Webseiten- und App-Anbieter damit leben, dass ihre legalen Internetangebote als Kollateralschäden der nächsten einstweiligen Verfügung eines Rechteinhabers gesperrt werden”. (hcz)