Afghanische Frauen protestieren gegen Uni-Verbot
Einige Frauen in Afghanistan wollen sich offensichtlich nicht dem Hochschulverbot der radikalislamischen Taliban beugen. Berichten zufolge haben sich am Mittwoch Hunderte Frauen in der Nähe der Universität in Kabul versammelt, deren Tore seit Dienstag für alle Frauen geschlossen sind. Trotz der aktuellen Winterferien standen die Universitäten bislang Angestellten und Studierenden offen.
Berichten zufolge sollen bewaffnete Sicherheitskräfte die Frauen daran gehindert haben, das Gelände zu betreten. Am Dienstag hatten die Taliban allen Afghaninnen den Zugang zu Hochschulbildung untersagt. Per Regierungserklärung wiesen sie alle privaten und öffentlichen Universitäten dazu an, “den genannten Erlass für die Suspendierung von Bildung für Frauen bis auf Weiteres umzusetzen”.
Die Mitteilung wurde vom Ministerium für Höhere Bildung geteilt und vom amtierenden Minister Scheich Neda Mohammed Nadim unterzeichnet. Eine Begründung zu der Entscheidung wurde offenbar nicht mitgeteilt. Vor drei Monaten liefen noch Aufnahmetests für die afghanischen Universitäten, an denen auch zahlreiche Frauen und Mädchen teilgenommen hatten.
Die neuen Einschränkungen für Frauen lösten am Dienstag internationalen Protest aus. Während einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats zu Afghanistan verurteilten die USA und Großbritannien die Entscheidung der afghanischen Regierung. “Die Taliban können nicht erwarten, ein legitimes Mitglied der internationalen Gemeinschaft zu werden, solange sie nicht die Rechte aller Afghanen respektieren, insbesondere die Menschenrechte und die Grundfreiheit von Frauen und Mädchen”, sagte der US-Vertreter Robert Wood.
UN-Generalsekretär Guterres sprach von “verheerenden Auswirkungen auf die Zukunft des Landes”. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, sagte: “Das Recht von Frauen und Mädchen auf Bildung jeden Niveaus ohne Diskriminierung ist ein grundlegendes Recht, das nicht infrage gestellt werden kann.” Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) nannte das Verbot eine “beschämende Entscheidung”.
Auch Schulbildung eingeschränkt
Nach der Machtübernahme der Taliban im vergangenen Jahr wurden bereits neue Regeln an Hochschulen eingeführt: Frauen und Männer mussten strikt voneinander getrennt werden; sie hatten nun separate Eingänge und Unterrichtsräume. Nur noch andere Frauen oder ältere Männer durften die Studentinnen unterrichten. An den Universitäten galten zudem strenge Bekleidungsvorschriften für Studentinnen.
Auch alle Mädchenschulen ab der siebten Klasse sind seit der Machtübernahme geschlossen. Zwar hatte das Bildungsministerium im März angekündigt, Schulen auch wieder für Mädchen zu öffnen. Doch hatten die Machthaber wenige Stunden nach der Wiedereröffnung ihre Ankündigung zurückgenommen und die Schulen blieben geschlossen. Menschenrechtsorganisationen hatten den Schritt kritisiert und der Regierung absichtliche Grausamkeit vorgeworfen.
Deutsche Politik reagiert
Auch in Deutschland löste das Bildungsverbot Reaktionen aus. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) schrieb auf Twitter: “Indem sie die Zukunft von Mädchen und Frauen in Afghanistan zerstören, haben die Taliban beschlossen, die Zukunft ihres eigenen Landes zu zerstören”. Es werde ihnen aber nicht gelingen, “Frauen unsichtbar zu machen”.
Die Außenministerin kündigte an, das afghanische Bildungsverbot auf die Agenda der G7-Gruppe zu setzen. In dieser hat Deutschland noch bis Jahresende den Vorsitz.
“Gebildete Frauen sind offenbar die größte Bedrohung für das menschenverachtende Regime der Taliban”, schrieb Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) auf Twitter. Diese Entscheidung sei ein Verbrechen an allen Mädchen und Frauen und auch an der Zukunftsfähigkeit Afghanistans. “Sie darf keinen Bestand haben.”
Die Organisation Human Rights Watch forderte unterdessen Afghanistans Geberländer und die internationale Gemeinschaft dazu auf, mit den Taliban “mit Nachdruck” über den dauerhaften Schaden zu sprechen, den solche Entscheidungen für Frauen und Mädchen und für alle Afghanen haben.
Frauen vom öffentlichen Leben ausgeschlossen
Frauen und Mädchen sind inzwischen vom gesellschaftlichen Leben weitestgehend ausgeschlossen; sie dürfen nicht mehr ohne männliche Begleitung reisen und müssen in der Öffentlichkeit stets ihr Gesicht verschleiern. Seit kurzem ist es Frauen in Kabul zudem untersagt, öffentliche Parks und Fitnessstudios zu besuchen.
Die Islamisten haben außerdem Tausende für Gewalt an Frauen verurteilte Männer aus den Gefängnissen entlassen. Gleichzeitig wurden Zufluchtsorte wie Frauenhäuser geschlossen.
Die allgemeine Menschenrechtslage hat sich seit der Machtübernahmen extrem verschlechtert. Millionen Menschen sind auf Unterstützung und Lebensmittelhilfen angewiesen.
Bereits 1996, als die Taliban das erste Mal Afghanistan regierten, hatten sie ein Bildungsverbot für Mädchen und Frauen eingeführt. Erst mit ihrem Sturz im Oktober 2001 wurden die Einschränkungen wieder aufgehoben. (hcz)