Amnesty International: Google und Facebook bedrohen Menschenrechte
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat einen Bericht mit dem Titel “Surveillance Giants” veröffentlicht, in dem in erster Linie den beiden Unternehmen Google und Facebook eine unbeschränkte Überwachung vorgeworfen wird.
Amnesty International prangert in dem Bericht die Geschäftsmodelle der beiden Unternehmen an, denn dieses basiere auf Überwachung. Sowohl Google als auch Facebook nehmen zwar kein Geld für ihre Angebote, Nutzerinnen und Nutzer zahlen jedoch mit ihren Daten. Diese analysieren die Unternehmen dann, um Profile zu erstellen und beispielsweise für zielgerichtete Werbung zu nutzen. Dies gefährde grundlegende Rechte.
Google und Facebook stehen keineswegs alleine da. Microsoft und Amazon haben laut Amnesty International dieses Geschäftsmodell teilweise übernommen. Doch die von Google und Facebook erlangte Macht sei einmalig. Beide dominieren gleich mehrere Bereiche, darunter natürlich Social Media und Web-Suchen. Doch mit WhatsApp hat Facebook auch einen erheblichen Marktanteil im Bereich der Sofortnachrichten. Google betreibt mit YouTube die zweitgrößte Suchmaschine und gleichzeitig die größte Videoplattform. Außerdem beherrscht Google mit dem Android-Betriebssystem weitestgehend den Smartphone-Markt und ist damit für viele Menschen ein täglicher Begleiter.
Google und Facebook haben fast die komplette Kontrolle über die primären Kanäle, mit denen viele Nutzer im Internet arbeiteten. Amnesty kritisiert, dass die Macht der beiden so groß ist, dass sie Einfluss auf die Politik nehmen können. “Daraus ergibt sich die paradoxe Situation, in der Menschen sich, um das Internet zu nutzen und ihre Rechte online wahrnehmen zu können, einem System unterwerfen müssen, das ihre Rechte einschränkt.” Amnesty International schätzt, das ein Drittel der Menschheit von diesem Geschäftsmodell der Überwachung betroffen ist.
Facebook und Google dringen in neue Bereiche vor
Mit neuen Techniken wie Smart-Home-Lautsprechern ziehen die beiden Firmen zunehmend auch in viele Wohnungen ein. Hinzu kommt die spezielle Bedeutung in einigen Ländern. So kooperiert Facebook in zahlreichen Entwicklungsländern mit Mobilfunkanbietern, sodass Facebook-Dienste ohne anfallende Datengebühren über das mobile Internet verfügbar sind. Facebook stelle dieses Angebot als philanthropische Initiative dar, um mehr Menschen Zugang zum Internet zu ermöglichen, würde so aber weitere Daten sammeln, wirft Amnesty dem Social-Network-Anbieter vor. Dabei weiten sie ihren Einfluss immer weiter aus: Aktuell gelangt Google durch die Übernahme des Fitnesstracker-Herstellers Fitbit in Besitz unzähliger Fitness- und Gesundheitsdaten.
Das Hauptproblem sei, dass Googles und Facebooks Macht zu einer allgegenwärtigen Überwachung führten. Dabei gehe es um weit mehr Informationen als die, die man angeben muss, wenn man sich registriert. Googles Werbenetzwerk sammelt etwa Daten auf Webseiten von Drittanbietern. Facebooks Mobil-Apps sammeln darüber hinaus Metadaten, also beispielsweise mit wem man wie oft über WhatsApp Kontakt hatte. Solche Metadaten sind laut dem Bericht “tatsächlich weitaus wertvoller als die reinen Daten”: Nutzer lassen sich mit ihrer Hilfe noch weitreichender analysieren.
Bedrohte Grundrechte
Amnesty International sieht in diesen Geschäftsmodellen eine Bedrohung für die Grundrechte auf Privatsphäre und informationelle Selbstbestimmung. Also darauf, welche Daten man preisgibt – und was mit diesen passiert. Privatsphäre schließe Informationen von Computern mit ein. In dem Bericht steht außerdem, dass Regierungsbehörden ein immer größeres Interesse an den Datenbanken von Google und Facebook hätten. Das setze Nutzer einer weiteren Gefahr aus. Zudem lassen sich zielgerichtet platzierte Botschaften nutzen, um Meinungen zu beeinflussen. Ein Beispiel für diese “Überzeugungsarchitektur” ist der Cambridge-Analytica-Skandal. Dasselbe Vorgehen diskriminiere bestimmte Bevölkerungsgruppen.
Amnesty: Politik ist gefordert
Regulatoren und Gesetzgeber haben ein zunehmendes Interesse daran, die Marktmacht von Facebook und Google einzuschränken. So finden derzeit in Europa mehrere Untersuchungen statt und auch in den USA sind die Konzerne im Visier von Behörden. Laut Amnesty sollen Regierungen sicherstellen, dass sich “essentielle digitale Angebote” ohne Überwachung nutzen lassen. Dafür müsse man verhindern, dass Firmen Daten sammeln und diese als Gegenleistung für ihre digitalen Angebote ansehen. Außerdem sollen Regierungen starke Datenschutzbestimmungen schaffen und für deren Durchsetzung sorgen.
Für die Unternehmen selbst hat Amnesty ebenfalls Empfehlungen gesammelt: Sie müssten einen Weg finden, ihr Geschäftsmodell zu ändern, heißt es da etwa. Ob sie stattdessen auf ein Bezahlmodell setzen sollen, lässt der Bericht offen. Außerdem sollten die Unternehmen davon absehen, weiter für schwächere Datenschutzrichtlinien zu werben.
Facebook weist Vorwürfe zurück
Teil des Berichtes ist auch eine mehrseitige Stellungnahme von Facebook. Hierin heißt es, man sammle nicht so viele Daten wie möglich, sondern nur wenige Daten bei der Anmeldung. Darüber hinaus ignoriere die Beschreibung von Facebook als Überwachungssystem den Unterschied zwischen einer durch Werbung finanzierten Plattform, bei der Nutzer sich freiwillig anmelden und unfreiwilliger Überwachung durch eine Regierung. Daten von nicht angemeldeten Nutzern könnten ebenfalls bei Facebook landen, dies gehöre zu den “grundlegenden Funktionen des Internet”. Facebook nutze diese Daten jedoch nicht, um Profile zu erstellen. Auch bei “Free Basics” gehe es nicht um Datensammlung, schreibt Facebook. Im Übrigen trage man nicht zu unrechtmäßiger staatlicher Überwachung bei, sondern wehre sich sogar aktiv gegen solche.
Während von Google keine Stellungnahme vorliegt, hat Facebook die Vorwürfe von Amnesty International auch gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (DPA) zurückgewiesen. Facebook ermögliche es Nutzern, sich miteinander unter Berücksichtigung der Privatsphäre zu vernetzen. Das Geschäftsmodell trage dazu bei, dass Organisationen wie Amnesty Unterstützer erreichen und Geld einsammeln können – auch Amnesty International sei Werbekunde von Facebook. Amnesty argumentiert, man sei abhängig von diesen Plattformen, um Interessierte zu erreichen. Sich selbst von Google und Facebook zurückzuziehen, mache es schwerer, die eigenen Anliegen zu verbreiten und sei damit ebenfalls schlecht für die Menschenrechte. Es gebe keine brauchbare Alternative, um die Öffentlichkeit zu erreichen.
Tatsächlich kritisiert Amnesty International sowohl Google als auch Facebook in dem Bericht stark. In der aktuellen Kommunikationsstrategie von Amnesty International nimmt Facebook allerdings die erste Position unter den “Key Channels” ein. In seinem Strategie-Papier schlägt Amnesty International vor, so viel als möglich aus Facebook-Werkzeugen herauszuholen, die Informationen über Personen bieten. Also aus den Werkzeugen, die Amnesty grundlegend kritisiert. Man müsse klar eingeteilte Personengruppen ansprechen. Unter anderem möchte Amnesty International herausfinden, für welche Themen sich Menschen interessieren und was ihnen wichtig ist. Diese Informationen soll Amnesty sich zu Nutze machen, um diese Menschen vom eigenen Vorhaben zu überzeugen, heißt es dort. (js)