Arktis erwärmt sich viermal schneller als Rest der Welt

Polarbären
Aktuelle Klimamodelle haben die Erwärmung in der Arktis unterschätzt. (Quelle: Alfred-Wegener-Institut / Mario Hoppmann – CC-BY 4.0)

Die Arktis hat sich im Zuge der Klimakrise in den vergangenen 43 Jahren viermal schneller erwärmt als der Rest der Welt. Mit einem Anstieg von 0,75 Grad Celsius pro Jahrzehnt ist die Erderwärmung in der Region nach Angaben finnischer Forscher deutlich schneller vorangeschritten als bislang in Klimamodellen angenommen.

Das ist das Ergebnis einer neuen Studie von Wissenschaftlern des Finnischen Meteorologischen Instituts in Helsinki. Auf regionaler Ebene hätten sich manche Gebiete im Arktischen Ozean wie die Doppelinsel Nowaja Semlja gar bis zu sieben Mal schneller erwärmt als der Gesamtplanet, schreiben sie im Journal “Communications Earth & Environment”. Klimamodelle hätten die sogenannte polare Verstärkung bisher systematisch unterschätzt, erklärte der Erstautor Mika Rantanen. So war beispielsweise noch 2019 im Bericht des Weltklimarats zu lesen, dass die Erwärmung in der Arktis rund doppelt so schnell voranschreite wie im globalen Durchschnitt.

Das Autorenteam bezeichnete die Ergebnisse als “etwas überraschend”, da die Werte so viel höher ausfielen, als die bisherigen Daten es erwarten ließen. Klimamodelle müssten nun überprüft werden, da sie Schwierigkeiten hätten, die vierfache Erwärmungsrate der Arktisregion zu simulieren. “Das bedeutet entweder, dass Klimamodelle die arktische Verstärkung systematisch unterschätzen, oder die aktuelle Situation ist einfach ein sehr unwahrscheinliches Ereignis”, schreiben die Forscher.

Über 3 Grad Erwärmung

Eine im norwegischen Tromsø ansässige Arbeitsgruppe des Arktischen Rates hatte bereits im Mai 2021 berichtet, die Zunahme der durchschnittlichen arktischen Oberflächentemperatur sei zwischen 1971 und 2019 mit 3,1 Grad Celsius rund dreimal höher ausgefallen als im globalen Durchschnitt.

Die finnischen Forscher führen ihre noch höhere Schätzung nun einerseits auf die starke und anhaltende arktische Erwärmung zurück, andererseits aber auch auf ihre Definition der Arktis sowie den Berechnungszeitraum: Sie definierten die Arktis als das gesamte Gebiet, das sich innerhalb des nördlichen Polarkreises befindet.

Die Erwärmungsrate wurde ab 1979 berechnet – seit diesem Jahr sind detailliertere und somit verlässlichere Satellitenaufnahmen verfügbar. Aktuelle Klimamodelle würden die Erwärmung aber auch unabhängig von Zeitraum und Region unterschätzen.

Eis und Schnee fehlen

Das Phänomen der schneller ansteigenden Temperaturen in der Polarregion wird als "Arktische Verstärkung" bezeichnet. Das Ausmaß wird den finnischen Forschenden zufolge sowohl vom durch Menschen verursachten Klimawandel als auch von natürlichen langfristigen Klimaschwankungen beeinflusst.

Die Erwärmung fiel dort besonders stark aus, wo es zu deutlichen Meereis- und Schneeverlusten gekommen ist. Denn Eis auf dem Meer und Schnee auf dem Land reflektieren üblicherweise einen Großteil des energiereichen Sonnenlichts. Schmelzen Eis und Schnee aufgrund des Klimawandels, trifft das Sonnenlicht auf dunkleres Meerwasser oder Landflächen, die das Sonnenlicht absorbieren und sich erwärmen. In der Folge schmelzen noch mehr Eis und Schnee oder bilden sich in den kalten Jahreszeiten gar nicht erst neu. So entstehen immer mehr dunkle Flächen und die Erwärmung schreitet umso stärker voran – es entsteht ein Rückkopplungseffekt, der für 30 bis 60 Prozent der arktischen Verstärkung verantwortlich sein soll.

Auch in Europa werden die Folgen der Erwärmung der Arktis zu spüren sein: Forscher rechnen bis zum Ende des Jahrhunderts mit einem starken Anstieg des Meeresspiegels. (dpa / hcz)