Rücktritte nach Abhörskandal in Griechenland

Nikos Androulakis
Der Oppositionspolitiker Nikos Androulakis hatte Anzeige erstattet, nachdem sein Handy mit dem Trojaner Predator angegriffen wurde. (Quelle: IMAGO / ANE Edition)

In Griechenland wurde ein Journalist mit der Spionagesoftware Predator überwacht. Auch das Smartphone eines Oppositionspolitikers wurde angegriffen. Nun sind der Geheimdienstchef und der Büroleiter des Ministerpräsidenten zurückgetreten.

Ende Juli hatte der Chef der sozialdemokratischen Partei PASOK und EU-Parlamentsabgeordnete Nikos Androulakis Strafanzeige erstattet, weil sein Mobiltelefon mit dem Trojaner Predator angegriffen wurde.

Nachdem er Anzeige erstattet hatte, hat Androulakis eigenen Angaben zufolge außerdem erfahren, dass der griechische Geheimdienst EYP im Jahr 2021 seine Telefongespräche abgehört hat – zu einer Zeit, als er für den Parteivorsitz der PASOK-Partei kandidiert hatte.

Im September 2021 hatte er eine verdächtige SMS erhalten, den Link darin jedoch nicht angeklickt. Sicherheitsexperten des EU-Parlaments bestätigten ihm, dass ein Klick auf den Link die Überwachungssoftware auf seinem Telefon installiert hätte.

Journalist vom Geheimdienst überwacht

Im April konnten Sicherheitsforscher Predator auch auf dem Telefon des griechischen Journalisten Thanasis Koukakis nachweisen. Er berichtet unter anderem für CNN Griechenland über Finanzen und Korruption. Mindestens zehn Wochen lang wurde der Journalist ausgespäht – in dieser Zeit hatte er im Umfeld der griechischen Piraeus-Bank recherchiert.

Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, gab der Chef des griechischen Geheimdienstes, Panagiotis Kontoleo, vergangene Woche in einem Parlamentsausschuss zu, dass seine Behörde für die Überwachung des Journalisten verantwortlich sei. Ein Regierungssprecher hatte gegenüber Reuters hingegen behauptet, die Behörden setzten die Predator-Spionagesoftware nicht ein.

Am Freitag vergangener Woche trat Geheimdienstchef Kontoleo dann zurück, “nachdem bei rechtmäßigen Abhörmaßnahmen Fehler festgestellt wurden”. Auch Grigoris Dimitriadis, Büroleiter und Neffe von Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis, räumte wenige Stunden zuvor seinen Posten.

Alexis Tsipras, Vorsitzender der stärksten Oppositionspartei SYRIZA, wertete dies als “Schuldbekenntnis”.

Ministerpräsident weist Verantwortung zurück

Am Montag hatte sich auch Ministerpräsident Mitsotakis im Fernsehen zur Überwachung von Androulakis geäußert: “Das, was passiert ist, mag gesetzmäßig gewesen sein, aber es war falsch. Ich wusste davon nichts, und offensichtlich hätte ich so etwas auch nie genehmigt.” Wer die Abhöraktion beauftragt hat und warum, blieb damit weiter offen.

Der griechische Geheimdienst untersteht direkt dem Ministerpräsidenten. Durch die Rücktritte sei politische Verantwortung übernommen worden, erklärte der Ministerpräsident. Nun müsse der Untersuchungsausschuss des griechischen Parlaments den Fall prüfen. Dieses befindet sich allerdings bis September in der Sommerpause.

Der Europaabgeordnete Androulakis kritisierte: “Mit seiner heutigen Erklärung zeigte sich der Ministerpräsident erneut schuldlos, indem er das Narrativ eines ‘Rechtsfehlers’ bemüht, um eine Straftat zu rechtfertigen.” Die Journalistin Eliza Triantafillou, die an den Enthüllungen über den Predator-Angriff auf Thanasis Koukakis beteiligt war, kritisierte gegenüber der Deutschen Welle zudem, dass der Ministerpräsident die Überwachung des Journalisten nicht erwähnte: “Ich denke, wir sind uns alle einig, dass es besonders besorgniserregend ist, wenn Journalisten in einer Demokratie überwacht und abgehört werden.”

Griechenlands Staatspräsidentin Katerina Sakellaropoulou erklärte, der Schutz vertraulicher Kommunikation sei “grundlegende Voraussetzung für eine demokratische und freiheitliche Gesellschaft”. Sie forderte die “sofortige und vollständige Aufklärung” der Überwachung.

Die Spionagesoftware Predator wurde im vergangenen Jahr von Sicherheitsforschern des Citizen Lab an der Universität Toronto entdeckt. Das Programm wird von der Firma Cytrox mit Sitz in Nordmazedonien entwickelt – auch in Ungarn und Israel soll das Unternehmen Büros unterhalten.

Predator kann ein Smartphone komplett übernehmen und die darauf gespeicherten Informationen auslesen. Angreifer können auch die Kamera und das Mikrofon unbemerkt anschalten.

Klage gegen Medienschaffende

Das Citizen Lab hatte schon damals berichtet, dass Griechenland wahrscheinlich Kunde von Cytrox ist. In Griechenland wird Predator von der Firma Intellexa verkauft. Einem Bericht des griechischen Investigativmagazins Reporters United zufolge soll ein Unternehmen von Grigoris Dimitriadis mit dieser Firma Geschäfte machen. Wie Reporter ohne Grenzen (RSF) berichtet, hat der ehemalige Büroleiter des Ministerpräsidenten Reporters United, die für den Artikel verantwortlichen Journalisten sowie eine Zeitung wegen dieser Berichterstattung verklagt. Auch gegen den ausspionierten Koukakis klagt er, weil dieser sich auf Twitter zu den Enthüllungen geäußert hatte.

RSF forderte Dimitriadis auf, seine Klagen zurückzuziehen. Ihr einziges Ziel sei “die Einschüchterung von Journalisten”. Die griechische Regierung müsse die Überwachung von Journalisten außerdem aufklären.

Auch das Europäische Parlament wird sich nun mit den Fällen in Griechenland beschäftigen: Im Frühjahr hatte es einen Untersuchungsausschuss zum Einsatz der Spionagesoftware Pegasus eingerichtet, mit der in Ungarn Journalisten und in Polen Oppositionelle ausgespäht wurden. Aufgabe des Ausschusses ist es auch, die Überwachung mit “ähnlicher Überwachungs- und Spähsoftware” zu prüfen.

Eine Sprecherin der EU-Kommission forderte Griechenland zudem am Dienstag dazu auf, die Vorfälle zu untersuchen. Die Regierungen der Mitgliedsstaaten müssten “ihre Sicherheitsdienste beaufsichtigen und kontrollieren, um sicherzustellen, dass sie die Grundrechte in vollem Umfang respektieren.” Dies sei nötig, um den Schutz persönlicher Daten, die Sicherheit von Journalisten und die Meinungsfreiheit zu gewährleisten. Sie bekräftigte: “Jeder Versuch nationaler Sicherheitsdienste, illegal auf Daten von Bürgern, einschließlich Journalisten und politischen Gegnern, zuzugreifen, ist, wenn er bestätigt wird, inakzeptabel.” (dpa / js)