"Augenwischerei": Kritik an Russlands neuer Klimapolitik
Klimaexperten haben den Erlass von Kremlchef Wladimir Putin “Über eine Senkung der Treibhausgase” als unzureichend kritisiert. Putin hatte am Mittwoch erklärt, den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 auf maximal 70 Prozent der Menge von 1990 senken zu wollen. Zudem soll die russische Regierung eine Strategie für eine klimaneutrale, soziale und wirtschaftliche Entwicklung Russlands bis 2050 ausarbeiten.
Der Klimaexperte Wassili Jablokow von Greenpeace sagte: “Das ist ein ziemlich schwaches Ziel, weil es schon jetzt erreicht ist.” Schon 2018 habe das Niveau des Ausstoßes von Treibhausgasen bei gerade einmal 52,4 Prozent des Wertes von 1990 gelegen, sagte Jablokow. Nach Putins Erlass könnte Russland demnach sogar den Ausstoß von Treibhausgasen weiter erhöhen.
Auch laut der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) ist das Ziel bereits übererfüllt. Der SWP-Experte Janis Kluge bezeichnete den Erlass als “Augenwischerei”. Er sagte der Deutschen Presse-Agentur: “Russland möchte einerseits gut aussehen international im Kampf gegen den Klimawandel, handelt aber andererseits widersprüchlich und scheut echte schmerzhafte Einschnitte.”
Russland unternimmt nicht die nötigen Schritte
Greenpeace wirft Russland vor, nicht die notwendigen Schritte zu unternehmen, um auf eine kohlenstofffreie Wirtschaft umzustellen. Dabei habe Präsident Putin immer wieder auf die Ernsthaftigkeit des Klimawandels hingewiesen. Die Rohstoffgroßmacht, die vor allem von ihren Gas- und Ölressourcen lebt, gehört zu den Ländern mit dem höchsten Ausstoß von Kohlenstoffdioxid. Zudem exportiert Russland etwa Kohle nach Deutschland.
Russland müsse seinen Ausstoß an Treibhausgasen bis 2030 mindestens um 60 Prozent gegenüber dem Wert von 1990 verringern. Nur dann könne das Land ernsthaft einen Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel leisten und seine eigene Wirtschaft normalisieren, sagte Jablokow von Greenpeace.
Russland bekommt als größtes Flächenland der Erde die Folgen des Klimawandels bereits durch das Auftauen der Permafrostböden, jährliche Temperaturrekorde, massive Waldbrände und Überschwemmungen deutlich zu spüren. Wissenschaftler befürchten, dass die sibirischen Permafrostböden weiter auftauen und große Mengen klimaschädlicher Methangase freisetzen.
USA verlassen Pariser Klimaschutzabkommen
Der Erlass Putins fiel ausgerechnet auf den Tag, an dem der Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaschutzabkommen offiziell wirksam wurde. US-Präsident Trump hatte ihn vor einem Jahr in die Wege geleitet.
Das Abkommen sieht vor, die Erderwärmung auf 2 Grad Celsius zu begrenzen, möglichst sogar auf 1,5 Grad. Die globalen Emissionen von Kohlenstoffdioxid (CO2) steigen allerdings jedes Jahr immer weiter an. 2019 wurde der bisherige Höchstwert von 37 Milliarden Tonnen emittiert. Von einer Trendwende kann bislang also keine Rede sein. Die Folgen der Klimakrise sind indes bereits weltweit spürbar: Dazu gehören etwa ein Anstieg der Meeresspiegel, ein höheres Risiko von Dürren, Hitzewellen, schweren Stürmen und Überschwemmungen, aber auch das Abschmelzen von Gletschern und der Eisflächen an den Polen oder das Absterben von Korallenriffen.
Die USA sind das erste und bisher einzige Land, das das Klimaabkommen verlassen hat. Das Land verursacht weltweit den zweithöchsten Treibhausgas-Ausstoß nach China, bei deutlich weniger Einwohnern. Das UN-Klimasekretariat teilte gemeinsam mit einigen Staaten mit, man nehme den Austritt der USA “mit Bedauern” zur Kenntnis – und wolle weiterhin mit allen US-Interessensgruppen und Partnern daran arbeiten, den Klimaschutz schneller voranzubringen. Der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden hat indes bereits angekündigt, dem Pariser Abkommen im Fall eines Wahlsieges wieder beizutreten.
Russland hatte das Pariser Klimaabkommen im September 2019 unterzeichnet. (dpa / js)