US-Polizei testet Zugriff auf private Überwachungskameras
Die Stadt Jackson im US-Bundesstaat Mississippi hat eine Testphase begonnen, in der die Polizei in Echtzeit auf private Überwachungskameras zugreifen kann. Der Stadtrat hatte das Projekt Ende Oktober beschlossen. Vorerst soll der Kamerazugriff 45 Tage lang ausprobiert werden.
Ladenbesitzer und Privatpersonen können der Polizei erlauben, auf die eigenen Kameras zuzugreifen, berichtet der lokale TV-Sender WLBT. Die Polizei soll nur dann auf die Kameras zugreifen, wenn es in der Gegend zu einer Straftat kam. In diesem Fall werden alle durch die Bürger freigegebenen Kameras in der Umgebung aktiviert. Ob das Projekt nach den ersten 45 Tagen verlängert werde, sei bisher nicht entschieden.
Bürgermeister Chokwe Antar Lumumba nannte Amazons Ring-Kameras als Beispiel für Geräte, die sich für die Verwendung eignen. Ring bietet unter anderem vernetzte Kamera-Türklingelsysteme an, die jede Bewegung vor der Haustür erfassen.
Amazon erklärte der BBC, nicht selbst an dem Projekt beteiligt zu sein. Laut WLBT arbeitet die Stadt mit zwei privaten Firmen zusammen, die Strafverfolgungsbehörden in Echtzeit Zugriff auf die in Wohngegenden installierten Kameras anbieten. Wie der Zugriff technisch funktioniert, ist unklar. Nicht bekannt ist außerdem, ob die Polizei auch auf gespeicherte Aufnahmen zugreifen oder diese selbst sichern kann.
Bevölkerung trägt Kosten für Überwachung
Der Bürgermeister sagte, durch das Projekt müsse die Stadt nicht selbst Kameras “für jeden Platz in der Stadt” anschaffen. Die Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF) kritisiert, dass die Polizei auf diesem Wege ein Überwachungssystem aufbaut, das ganze Stadtviertel umfasse – ohne die Kameras selbst bezahlen zu müssen.
Die Organisation weist darauf hin, dass die Kameras alles erfassen, was vor der eigenen Haustür passiert. Auch beispielsweise dass man selbst das Haus verlässt. Alle Bürgerinnen und Bürger könnten so durch private Kameras in der Nachbarschaft aufgenommen und die Bilder an die Polizei übermittelt werden – auch wenn sie selbst gar nicht am Projekt teilnehmen.
Ring kooperiert mit Polizeibehörden
Auch wenn Amazon sich von dem Projekt in Jackson distanziert, steht Ring wegen der Kooperation mit Strafverfolgungsbehörden schon länger in der Kritik. So bietet Ring in den USA die App “Neighbours” an, die über Straftaten in der näheren Umgebung informiert. An Orten, an denen Ring eine Partnerschaft mit den Behörden unterhält, können diese App-Nutzer um Aufnahmen von Ring-Kameras bitten.
Laut EFF gibt es mittlerweile über 1000 solcher Partnerschaften mit lokalen Polizeibehörden. Amazon soll den Behörden sogar Tipps geben, wie sie Bürgerinnen und Bürger davon überzeugen können, Zugriff auf Videomaterial zu gewähren. Dann brauchen die Ermittler hierfür keine richterliche Anordnung.
Doch auch ohne Polizeianbindung ist das massenhafte Datensammeln der Ring-Kameras bedenklich: Eine Recherche der BBC Anfang des Jahres hatte gezeigt, dass eine Ring-Türklingel in 129 Tagen alleine 1939 sogenannte “camera events”, also beispielsweise Bewegungen vor der eingebauten Kamera, gesammelt hatte. Außerdem speichert Ring jeden Druck auf die Klingel sowie die Klingeldauer. All diese Daten sendet die Türklingel an Amazon. Die Geräte schicken zudem ihre Position in Form von Längen- und Breitenkoordinaten an den Hersteller. (js)