Australische Geschäfte überwachen Kunden mit Gesichtserkennung
Drei große australische Einzelhändler haben ihre Geschäfte mit Gesichtserkennungstechnik ausgestattet. Das berichtet die Verbraucherschutzorganisation CHOICE. Sie kritisiert, Kundinnen und Kunden würden über die Maßnahme nicht ausreichend informiert. Außerdem könnte der Einsatz gegen das australische Datenschutzgesetz verstoßen.
Die Verbraucherschützer hatten 25 der größten Einzelhändler Australiens zu ihrem Einsatz von Gesichtserkennung befragt und deren Datenschutzbestimmungen untersucht. Das Ergebnis: Der Baumarkt Bunnings, die Kaufhauskette Kmart und der Elektronikfachhändler The Good Guys nutzen die umstrittene Überwachungstechnik tatsächlich in ihren Geschäften.
Die Einzelhändler begründen den Einsatz mit der Sicherheit in den Läden und als vorbeugende Maßnahme gegen Diebstahl. So teilte Bunnings den Verbraucherschützern mit: “Diese Technologie ist eine wichtige Maßnahme, die uns hilft, ein sicheres Umfeld für unser Team und unsere Kunden zu schaffen.” Die Systeme sollen demnach Personen identifizieren, “die in der Vergangenheit an bedenklichen Vorfällen in unseren Geschäften beteiligt waren”.
In den Datenschutzbestimmungen von The Good Guys heißt es, die Kameras könnten Gesichter erfassen, um Personen durch das Geschäft zu verfolgen und bei künftigen Besuchen zu identifizieren. Die Überwachung der Läden diene der Sicherheit und der Diebstahlprävention – aber auch der “Verwaltung/Verbesserung der Kundenerfahrung in unseren Geschäften”.
Kunden werden nicht ausreichend informiert
Den meisten Kundinnen und Kunden dürfte nicht bewusst sein, dass sie in Geschäften mit Gesichtserkennung überwacht werden, so die Verbraucherschützer. Kate Bower von CHOICE wies darauf hin, dass Verbraucher die Datenschutzrichtlinien im Internet suchen müssten. “Da es sich aber um Einzelhandelsgeschäfte handelt, liest wahrscheinlich niemand die Datenschutzrichtlinien, bevor er ein Geschäft betritt.”
Im Rahmen ihrer Untersuchung hatten Mitarbeiter von CHOICE auch einige Geschäfte persönlich aufgesucht. Zwar gebe es an den Eingängen von Kmart- und Bunnings-Filialen Hinweise auf die Gesichtserkennung. Die Verbraucherschützer kritisieren aber, die Schilder seien klein und unauffällig. Die meisten Einkaufenden würden diese übersehen. In einer von CHOICE landesweit unter 1034 Haushalten durchgeführten Umfrage gaben 76 Prozent der Befragten an, sie wüssten nicht, dass Einzelhändler Gesichtserkennung einsetzen.
Die Verbraucherschützer sehen im Einsatz von Gesichtserkennung in den Geschäften womöglich einen Verstoß gegen das australische Datenschutzrecht. Die Systeme verarbeiten biometrische Daten, die sich nicht verändern lassen und es ermöglichen, Personen ein Leben lang zu identifizieren. Solche Daten seien durch das australische Datenschutzgesetz besonders geschützt. CHOICE kritisiert, der Einsatz von Gesichtserkennung durch die Unternehmen sei unverhältnismäßig; sie würden übermäßig viele Daten sammeln.
Dem Guardian sagte Bowers: “Unauffällige Beschilderung und Online-Datenschutzrichtlinien reichen bei weitem nicht aus, um die Kunden angemessen über den Einsatz dieser umstrittenen Technologie zu informieren. Die Technologie erfasst sehr persönliche Daten von Kunden, auch von Säuglingen und Kindern.”
Warnung vor Massenüberwachung
Auch Mark Andrejevic, Professor für Medienwissenschaften an der Monash University in Melbourne, sieht den Einsatz der Technik in Geschäften als problematisch an: Ohne gut sichtbare Informationen könnten Kunden nicht verstehen, wie ihre Daten verarbeitet werden.
Außerdem kritisiert er fehlende Vorschriften zur Verwendung von Gesichtserkennung in Australien: “Das lässt ziemlich viel Spielraum. Die Geschäfte nutzen sie vielleicht jetzt zu Sicherheitszwecken, aber in Zukunft können sie auch Bestimmungen einfügen, die besagen, dass sie sie zu Marketingzwecken nutzen können.”
Edward Santow, Professor an der University of Technology Sydney und bis 2021 australischer Menschenrechtsbeauftragter, kritisierte: “Selbst wenn diese Technologie absolut genau wäre, was sie nicht ist, aber selbst wenn sie es wäre, führt sie uns in den Bereich der Massenüberwachung.”
Datenschutzbehörde schaltet sich ein
Australiens Datenschutzbeauftragte Angelene Falk kündigte in einem Interview mit dem Radiosender 2GB an, die Fälle nun untersuchen zu wollen. Sie betonte, Kundinnen und Kunden müssten über den Einsatz informiert werden und der Verarbeitung ihrer biometrischen Daten zustimmen. Es müsse geklärt werden, ob Gesichtserkennung ein verhältnismäßiges Mittel zum Verhindern von Diebstahl ist. Es handle sich um sehr sensible Daten. Gesichter zu scannen sei beinahe so, als würden Kunden beim Betreten eines Ladens aufgefordert, ihre Fingerabdrücke abzugeben. Unternehmen dürften nur die Daten sammeln, die sie tatsächlich benötigen – auch um einen Missbrauch der Daten zu verhindern.
Falk erklärte, das australische Datenschutzrecht werde derzeit überarbeitet. Zur Debatte stehe auch ein Verbot von Gesichtserkennung für kommerzielle Zwecke.
7-Eleven musste Gesichtserkennung deaktivieren
Die Datenschutzbeauftragte verwies zudem auf einen anderen Fall: Die Gemischtwarenkette 7-Eleven hatte seit Juni 2020 Tablets für Kundenumfragen in 700 ihrer australischen Läden installiert. Die darin verbauten Kameras hatten die Kunden beim Ausfüllen der Umfragen fotografiert. Anschließend wurden die Bilder in biometrische Gesichtsabdrücke umgewandelt und das Geschlecht und das ungefähre Alter der Person bestimmt. Außerdem wurden sie mit allen Bildern abgeglichen, die in den vergangenen 24 Stunden aufgenommen wurden. Bei einer Übereinstimmung wurden sie zur Überprüfung markiert. Innerhalb von zehn Monaten sollen so bis zu 3,2 Millionen Gesichtsbilder gesammelt worden sein.
Die australische Datenschutzbehörde hatte im Oktober 2021 entschieden, die biometrischen Daten seien ohne Zustimmung der Betroffenen gesammelt worden – und für die Umfrage nicht notwendig. Auch in diesem Fall hatten Schilder an den Läden und online verfügbare Datenschutzbestimmungen auf die Gesichtserkennung hingewiesen. Die Datenschutzbehörde sah dies aber nicht als ausreichend an.
Bereits vor der Entscheidung der Behörde hatte 7-Eleven die Gesichtserkennung deaktiviert. Das Unternehmen wurde zudem angewiesen, die gespeicherten Daten zu löschen. (js)