Britische Regierung erlaubt Auslieferung von Assange
Die britische Regierung hat den Weg frei gemacht für die Auslieferung des Wikileaks-Gründers Julian Assange an die USA. Innenministerin Priti Patel hat am heutigen Freitag eine entsprechende Auslieferungsanweisung unterzeichnet. Allerdings kann Assange gegen die Entscheidung innerhalb von 14 Tagen noch Berufung einlegen. Ansonsten droht ihm ein Prozess in den USA wegen Spionage.
Das Innenministerium teilte mit, britische Gerichte hätten nicht befunden, dass eine Auslieferung unvereinbar mit den Menschenrechten sei. Nach dem britischen Auslieferungsgesetz müsse die Innenministerin einen Auslieferungsbeschluss unterzeichnen, wenn keine Gründe vorliegen, die dem Beschluss entgegenstehen.
Wikileaks kündigte am Freitag umgehend an, in Berufung zu gehen. Heute sei “ein schwarzer Tag für die Pressefreiheit und die britische Demokratie”.
Die US-Justiz wirft dem Wikileaks-Gründer vor, zusammen mit der Whistleblowerin Chelsea Manning geheimes Material von US-Militäreinsätzen im Irak und Afghanistan gestohlen und veröffentlicht zu haben. Mit der Veröffentlichung habe er das Leben von US-Informanten in Gefahr gebracht. Die von Assange veröffentlichten Dokumente hatten Hinrichtungen und Folter durch das US-Militär belegt. Ihm droht unter anderem eine Anklage wegen Spionage – und bei Verurteilung bis zu 175 Jahre Haft.
Die Unterstützer von Assange sehen in ihm hingegen einen investigativen Journalisten, der Kriegsverbrechen aufgedeckt hat. Wiederholt hatten NGOs, Aktivisten und Politiker seine Freilassung gefordert.
“Erschreckendes Beispiel”
Die Generalsekretärin von Amnesty International, Agnès Callamard, kommentierte: “Die Auslieferung von Julian Assange an die USA zuzulassen, setzt ihn einer großen Gefahr aus.” Außerdem könne sie als “abschreckendes Signal” für Journalistinnen und Journalisten weltweit gesehen werden.
Die Menschenrechtsorganisation befürchtet, in den USA könne Assange Isolationshaft drohen – dies würde einen Verstoß gegen das Verbot von Folter darstellen. Die Zusagen der USA, er werde nicht in Isolationshaft kommen, seien “angesichts der Vorgeschichte” unglaubwürdig. Großbritannien dürfe ihn nicht ausliefern, die USA müssten die Anklage fallen lassen.
Rebecca Vincent von Reporter ohne Grenzen (RSF) schrieb auf Twitter, die Entscheidung des Innenministeriums sei nicht überraschend, “aber durch und durch beschämend”. Es handle sich um ein “weiteres Versagen Großbritanniens beim Schutz des Journalismus und der Pressefreiheit”.
RSF hatte die britische Innenministerin im April in einer Petition aufgefordert, das Auslieferungsersuchen abzulehnen. Darin hatte die Organisation gewarnt: “Wir können nicht zulassen, dass Assange in den USA verurteilt wird. Das würde einen gefährlichen Präzedenzfall für alle Journalistinnen und Journalisten schaffen, die geheime Informationen von öffentlichem Interesse publizieren.”
Edward Snowden, der im Jahr 2013 die Massenüberwachung durch die NSA aufgedeckt hatte, erklärte, die Entscheidung sei ein “erschreckendes Beispiel dafür, wie weit das Engagement der britischen und amerikanischen Regierung für die Menschenrechte zurückgegangen ist.”
“Gefährliches Signal”
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) zeigte sich “geschockt”. Frank Überall, Bundesvorsitzender des DJV, forderte die US-amerikanischen Strafverfolgungsbehörden auf, die Anklage gegen Assange fallen zu lassen: “Wikileaks hat Kriegsverbrechen der USA in Afghanistan und im Irak aufgedeckt und öffentlich gemacht, über die Opfer, Hinterbliebene und die gesamte Weltöffentlichkeit Klarheit brauchten.”
“Die Entscheidung des britischen Innenministers, die Auslieferung von Julian Assange zu genehmigen, widerspricht dem erklärten Engagement des Vereinigten Königreichs, die Medienfreiheit weltweit zu schützen”, kritisierte die Autorenvereinigung PEN International. Die strafrechtliche Verfolgung von Assange werfe Fragen hinsichtlich der Pressefreiheit auf. Die Berufung der USA auf das Spionagegesetz sende “ein gefährliches Signal” an Journalisten und Verleger weltweit. “Der Wunsch des Staates, Dinge geheim zu halten, hat nicht automatisch Vorrang vor dem Recht der Öffentlichkeit auf Information, insbesondere dann nicht, wenn es eindeutige Beweise für Menschenrechtsverletzungen oder Korruption gibt.”
Tauziehen um Auslieferung
Der Entscheidung war ein langer Rechtsstreit vorausgegangen: Schon im Jahr 2019 hatte der damalige britische Innenminister Sajid Javid der Auslieferung zugestimmt. Doch im folgenden Gerichtsverfahren wurde die Auslieferung mit Verweis auf den psychischen Gesundheitszustand von Assange und die in den USA zu erwartenden Haftbedingungen ausgesetzt.
Die USA hatten gegen diese Entscheidung Berufung eingelegt. Daraufhin hatte der Londoner High Court die Ablehnung des Auslieferungsantrags gekippt. Nach Auffassung des Gerichts reichten die von den USA abgegebenen Zusicherungen aus, um die Sorge um Assanges Gesundheit auszuräumen. Die USA hatten unter anderem zugesagt, der gebürtige Australier könne im Fall einer Verurteilung seine Haft in einem australischen Gefängnis verbringen.
Eine weitere Berufung von Assanges Anwälten hatte das Oberste Gericht Großbritanniens im März 2022 abgelehnt. Der Fall wurde wieder an das Innenministerium übergeben.
Assange ist seit April 2019 im Londoner Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh inhaftiert. (js)