Betrugsversuche: NRW will Soforthilfen wieder auszahlen

Warnung des Wirtschaftsministeriums
Die Adresse des Antragsformulars sollte man nur manuell in die Adressleiste des Browsers eingeben und keinen Links folgen. Quelle: Wirtschaftsministerium NRW

Nordrhein-Westfalen hatte die Soforthilfe-Auszahlungen für Selbstständige und Unternehmen in der Corona-Krise vorübergehend gestoppt, nachdem über gefälschte Websites Daten für betrügerische Anträge abgegriffen worden waren.

Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) kündigte nun auf einer Pressekonferenz an, dass die Landesregierung die Soforthilfen in dieser Woche wieder aufnimmt. Die Antragsseiten sollen ab Freitag wieder online sein. Auch Auszahlungen soll es noch in dieser Woche geben.

Neues Sicherheitsverfahren

Um in Zukunft sicherzustellen, dass nur echte Anträge genehmigt werden, will das Wirtschaftsministerium mit dem Finanzamt zusammenarbeiten: Die Soforthilfen werden von jetzt an nur auf Konten ausgezahlt, die auch beim Finanzamt hinterlegt sind. Dazu gleicht das Ministerium die auf Anträgen angegebene IBAN mit dem Finanzamt ab.

Laut Pinkwart sei dies bislang rechtlich nicht möglich gewesen. Wegen der Betrugsversuche habe sich die rechtliche Lage aber geändert, der Datenabgleich sei in diesem Fall zulässig. Es würden nur Steuernummer und IBAN abgeglichen.

Sollte im Antrag eine IBAN stehen, die dem Finanzamt nicht bekannt ist, werden die Beamten das betreffende Unternehmen kontaktieren und um eine sichere Kontoverbindung bitten.

Fake-Seiten mit falschen Antragsformularen

Laut dem Landeskriminalamt (LKA) hatten Betreiber von Fake-Seiten “mit gefälschten Antragsformularen Daten abgefischt und diese mutmaßlich für kriminelle Machenschaften genutzt”. Offenbar wurden betrügerische Anträge mit falschen Kontoverbindungen gestellt.

Die Fake-Seiten waren über Anzeigen an die Spitze der Suchmaschinen-Ergebnisse gebracht worden. Sie hatten ähnliche Namen wie die echte Antragsseite https://soforthilfe-corona.nrw.de und waren zum Teil täuschend echt gestaltet. Die Adresse einer der falschen Seiten enthielt beispielsweise die Begriffe Soforthilfe, NRW und Antrag.

Abschaltung schwierig

Die Ermittlungsbehörden versuchen weiterhin, alle gefälschten Internetseiten abschalten zu lassen. Da diese aber auf Servern im Ausland liegen, speziell in den USA und der Slowakei, ist es für die deutschen Behörden schwieriger einzugreifen. Laut NRWs Innenminister Herbert Reul hat die Polizei bislang sieben gefälschte Seiten entdeckt, die Bezug auf die Soforthilfen des Landes nehmen. Davon seien fünf inzwischen abgeschaltet.

Außerdem seien mit mindestens 104 Seiten noch deutlich mehr betrügerische Webseiten online, die auf deutsche Soforthilfen abzielten. Allerdings hätten diese keinen Bezug zu Nordrhein-Westfalen.

Bislang konnte die Polizei noch keine konkreten Täter ermitteln. Laut Reul seien die Täter aber “absolute Profis mit fundierten IT-Kenntnissen”.

Laut Reul prahlte ein Nutzer im sogenannten Darknet, dass er 3000 bis 4000 Datensätze von deutschen Unternehmen erbeutet habe. Die Angabe konnte nicht überprüft werden. Bislang ist kein Fall bekannt, bei dem es tatsächlich zu einer falschen Auszahlung an Betrüger gekommen ist. Da aber keine Sicherheit besteht, kann laut Regierung noch keine Schadenssumme beziffert werden.

Anträge können weiter gestellt werden

Sowohl der Bund als auch das Land hatten wegen der Corona-Pandemie direkte Zuschüsse für Unternehmen beschlossen, deren Geschäft leidet oder ganz ausfällt. Betriebe mit bis zu fünf Angestellten können 9000 Euro beantragen, Unternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten 15.000 Euro. Mittelgroße Betriebe mit bis zu 50 Mitarbeitern können 25.000 Euro bekommen.

Bis zum vorübergehenden Auszahlungsstopp waren in Nordrhein-Westfalen knapp 385.000 Anträge auf Corona-Soforthilfen eingegangen. Davon wurden nach Angaben des Wirtschaftsministeriums fast 364.000 Anträge bewilligt. Der weitaus größte Anteil sei mit knapp 314.000 Antragstellern auf eine Zuschusssumme von 9000 Euro entfallen. Insgesamt seien bislang knapp 3,2 Milliarden Euro zur Sicherung der kleinen Betriebe ausgezahlt worden.

Laut Pinkwart sind bislang 6 Prozent der Anträge nicht sofort genehmigt worden. Ein Grund waren die vermuteten Betrugsversuche. Es habe aber auch einige doppelte Anträge gegeben, vor allem bei Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR).

Tipps für Betroffene

Anträge, die vor dem 3. April gestellt wurden, werden weiterhin bearbeitet. Sie sollen laut Wirtschaftsministerium als erstes bedient werden, sobald die Zahlungen fortgesetzt werden. Jüngere Anträge unterziehen die Behörden einer zusätzlichen Sicherheitsprüfung.

Das Wirtschaftsministerium des Landes hat inzwischen Handlungsempfehlungen für eventuell Betroffene zusammengestellt und rät Antragsstellern, im Nachhinein die IBAN auf ihrer Bewilligung zu prüfen. Stimmt diese nicht mit ihren Angaben überein, gehören sie vermutlich zu den Betrugsopfern. Sie sollten Strafanzeige bei der Polizei stellen – vorzugsweise per Online-Formular.

Antragsstellern, die bereits einen Bewilligungsbescheid per Mail, aber noch keine Zahlung erhalten haben, rät das Ministerium “eine Mail mit Aktenzeichen / Vorgangsnummer und Telefonnummer an das Funktionspostfach der zuständigen Bezirksregierung zu schicken”. So können die Beamten die Daten abgleichen und sich beim Antragssteller melden.

Andere Bundesländer

Auch das Berliner Landeskriminalamt (LKA) ermittelt in mehreren Fällen wegen Betrugs bei den Soforthilfen.

In Mecklenburg-Vorpommern verwies Wirtschaftsminister Harry Glawe (CDU) darauf, dass in dem Bundesland nur Anträge per Post angenommen werden. “Das mag auf den ersten Blick etwas altmodisch sein, hilft uns momentan beim Schutz vor digitalem Betrug.”

Auch in Sachsen-Anhalt, wo kein reines Online-Verfahren angeboten wird, sind dem dortigen Wirtschaftsministerium keine Betrugsfälle bekannt. In Bayern hieß es, es seien keine Betrugsversuche aufgefallen – in Niedersachsen zumindest keine nennenswerten Betrugsversuche.

Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) kündigte an, alle Antragsteller müssten sich darauf einstellen, dass auch später noch alle gemachten Angaben kontrolliert werden. “Wer dort betrügt, muss auch mit Sanktionen rechnen”, sagte er dem Radiosender NDR 90,3. (dpa / hcz)