BND-Auslandsüberwachung in Teilen verfassungswidrig

BND
Der BND muss sich auch bei der Überwachung im Ausland an das Grundgesetz halten. (Quelle: BND)

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat entschieden, dass die anlasslose Überwachung des BND im Ausland gegen das Grundgesetz verstößt. Damit hat das Gericht einer Verfassungsbeschwerde von Reporter ohne Grenzen und mehrerer ausländischer Journalisten gegen das BND-Gesetz stattgegeben.

Die in dem Gesetz festgelegte sogenannte strategische “Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung” sei ebenfalls an die Grundrechte gebunden, urteilten die Richter (1 BvR 2835/17). In der derzeitigen Fassung verstoße die Regelung gegen das Fernmeldegeheimnis und die Pressefreiheit.

Die Bindung deutscher Behörden an das Grundgesetz ist demnach nicht auf deutsches Staatsgebiet und die deutsche Staatsangehörigkeit begrenzt. Zumindest im Fall des Fernmeldegeheimnisses und der Pressefreiheit gelten die Grundrechte auch für Nicht-Deutsche im Ausland, stellten die Richter fest. Der Anspruch eines umfassenden Grundrechtsschutzes spreche dafür, “dass die Grundrechte immer dann schützen sollen, wenn der deutsche Staat handelt und damit potentiell Schutzbedarf auslösen kann – unabhängig davon, an welchem Ort und gegenüber wem.” Das derzeitige Gesetz genüge weder in formeller noch in inhaltlicher Hinsicht den Anforderungen des Grundgesetzes.

BND nutzt anlasslose Überwachung

Im Rahmen der strategischen Telekommunikationsüberwachung im Ausland darf der BND derzeit prinzipiell jegliche Kommunikation von Bürgern anderer Länder überwachen. Die Kommunikationsdaten greift der BND unter anderen am Internet-Knoten De-CIX in Frankfurt am Main ab.

Das Grundgesetz lasse eine globale und pauschale Überwachung auch für die Auslandsaufklärung nicht zu, urteilten die Richter. Sie stelle einen besonders schweren Eingriff dar, da “heimlich in persönliche Kommunikationsbeziehungen eingedrungen wird, die oftmals privaten und unter Umständen auch höchstvertraulichen Charakter haben”. Damit sei es auch möglich, gezielt einzelne Personen zu überwachen und bei der Internetnutzung zum Ausdruck kommende “Interessen, Wünsche und Vorlieben” zu erfassen. Gerade angesichts der heutigen Bedeutung des Internets für die Kommunikation, habe die anlasslose Überwachung damit eine “außerordentliche Reichweite”.

Die anlasslose Überwachung sei insbesondere nicht auf hinreichend bestimmte Zwecke begrenzt. Zudem fehle es unter anderem an Schutzvorkehrungen für Berufsgeheimnisträger wie Anwälte und Journalisten.

Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts ist die anlasslose Überwachung grundsätzlich aber verfassungsrechtlich möglich, wenn etwa die Überwachungszwecke im Gesetz präzise festgelegt sind. Unter anderem ist es erforderlich, dass zusätzlich das von der Überwachung abgedeckte geographische Gebiet begrenzt und der “Kernbereich persönlicher Lebensgestaltung” geschützt wird.

Regeln für die Kooperation mit ausländischen Geheimdiensten

Bei der Datenübermittlung an ausländische Geheimdienste solle der Gesetzgeber zudem vorschreiben, dass sowohl der Datenschutz als auch die Menschenrechte gewahrt werden.

Das gelte auch, wenn der BND im Auftrag anderer Geheimdienste Suchbegriffe einsetzt. Diese müssten auf Plausibilität geprüft werden und auch hier müssten Berufsgeheimnisträger geschützt und Grundrechte gewahrt werden.

Das Bundesverfassungsgericht urteilte außerdem, dass eine unabhängige Kontrollinstanz für die “Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung” einzurichten ist. Diese müsse alle Befugnisse haben, die für eine effektive Kontrolle nötig sind.

Gesetz muss überarbeitet werden

Dennoch ist das Bundesverfassungsgericht der Auffassung, dass die “Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung” verfassungsgemäß gestaltet werden kann. Das BND-Gesetz muss daher nun bis spätestens zum 31. Dezember 2021 überarbeitet werden. Bis dahin bleibt das beanstandete Gesetz vorläufig weiter in Kraft.

Das BND-Gesetz wurde bereits im Jahr 2016 als Reaktion auf die NSA-Affäre überarbeitet. Im Rahmen der Enthüllungen von Edward Snowden im Jahr 2013 war bekannt geworden, dass der BND im Ausland umfangreich überwacht. Teilweise ohne rechtliche Grundlage für diese Arbeit. Die novellierte Fassung des BND-Gesetztes enthält den Abschnitt über die “Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung”, der nun beanstandet wurde.

Ausländische Journalisten hatten geklagt

Die Verfassungsbeschwerde hatten mehrere ausländische Journalisten und die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) eingereicht. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) hatte die Klage koordiniert. Die Beschwerdeführer hatten argumentiert, dass das Fernmeldegeheimnis alle Menschen schütze und nicht nur deutschen Staatsbürgern vorbehalten sei.

Die Journalisten arbeiten hauptsächlich investigativ und hatten daher befürchtet, dass der BND ihre Kommunikation überwachen und an die Geheimdienste ihrer Heimatländer weitergeben könnte.

Reporter ohne Grenzen begrüßt Urteil

“Wir freuen uns, dass Karlsruhe der ausufernden Überwachungspraxis des Bundesnachrichtendienstes im Ausland einen Riegel vorschiebt”, sagte Christian Mihr, Geschäftsführer von ROG. Die Organisation fordert, dass “der Schutz journalistischer Kommunikation im BND-Gesetz verankert wird.”

Konstantin von Notz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag, zeigte sich ebenfalls erfreut über das Urteil: “Es ist wegweisend für die Arbeit von Nachrichtendiensten in der digitalen Welt und bedeutend für die Grundrechte von Millionen Menschen weltweit.” Die Bundesregierung müsse nun schnellstmöglich Konsequenzen ziehen. Eine Überarbeitung des Gesetzes sei auch im Sinne der Nachrichtendienste, die bei ihrer Arbeit auf größtmögliche Rechtsklarheit angewiesen seien.

Norbert Röttgen (CDU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, bezeichnete das Urteil auf Twitter hingegen als “international schwer vermittelbar”. Das Urteil werfe erhebliche Fragen an die “strategische Operations- und Kooperationsfähigkeit” auf, so Röttgen. (js)