BSI-Präsident Schönbohm freigestellt

Arne Schönbohm in der Bundespressekonferenz im Jahr 2021
Die Abberufung des BSI-Chefs stand bereits seit Tagen im Raum. (Quelle: IMAGO / Jürgen Heinrich)

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat den Präsidenten des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm, freigestellt. Das teilte ein Sprecher des Innenministeriums am Dienstag in Berlin mit. Wer seine Nachfolge antreten soll, stehe noch nicht fest – darüber werde aber zügig entschieden.

Schönbohm hatte das BSI seit Anfang 2016 geleitet. Er steht wegen mangelnder Distanz zu dem umstrittenen Verein “Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V.” in der Kritik. Dessen Kontakte zu russischen Geheimdiensten sind seit Jahren bekannt.

Die Ministerin habe entschieden, Schönbohm “die Führung der Dienstgeschäfte als Präsident des BSI mit sofortiger Wirkung zu untersagen”, sagte der Ministeriumssprecher. Hintergrund seien nicht zuletzt die in den Medien bekannten und breit diskutierten Vorwürfe. Diese hätten “das notwendige Vertrauen der Öffentlichkeit in die Neutralität und Unparteilichkeit der Amtsführung als Präsident der wichtigsten deutschen Cybersicherheitsbehörde nachhaltig beschädigt”. Dies gelte umso mehr in der aktuellen Krisenlage hinsichtlich der russischen hybriden Kriegsführung.

Schönbohm hat das Bundesinnenministerium schriftlich dazu aufgefordert, ein Disziplinarverfahren gegen ihn einzuleiten. Dem Spiegel sagte er, damit solle der Sachverhalt geklärt werden: “Mir ist bislang nicht bekannt, was das Ministerium geprüft hat und wie die konkreten Vorwürfe gegen mich aussehen.” Ein Ministeriumssprecher sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland jedoch, dass ein solches Verfahren bisher nicht eingeleitet wurde.

Aufklärung gefordert

Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz sagte dem Handelsblatt, es brauche Klarheit “bezüglich der offenkundig heiklen Frage”, ob es russische Spionageaktivitäten im Umfeld des BSI gegeben habe. Er fügte hinzu: “Auf all diese Fragen hätten wir gerne belastbare Antworten gehabt – bevor man personelle Konsequenzen zieht.”

Manuel Höferlin, innenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion warnte: “Die Leerstelle in der Führung von Deutschlands oberster Cybersicherheitsbehörde darf nicht zu deren Lähmung führen.” Vor dem Hintergrund der “aktuellen Angriffe auf unsere kritische Infrastruktur und der hohen Gefährdung durch Russland” dürfe es keinen Stillstand bei der IT-Sicherheit geben.

Während in Unionskreisen von einem “Bauernopfer” die Rede war, hieß es aus dem Ministerium, die Entscheidung erfolge “auch aus Fürsorge für die im Fokus der Debatte stehende Person selbst”. Sie sei auch im Interesse der über 1500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BSI, die so nunmehr unabhängig von personellen Spekulationen ihrer Arbeit nachgehen könnten. Davon unabhängig würden “alle bekannten Vorwürfe gründlich und mit Nachdruck geprüft und einer eingehenden Bewertung unterzogen”. Bis zum Abschluss dieser Prüfung gelte für Schönbohm selbstverständlich die Unschuldsvermutung.

Verein mit Kontakten zu russischen Geheimdiensten

Bundesinnenministerin Faeser soll darüber verärgert sein, dass der BSI-Chef weiterhin Kontrakte zu dem umstrittenen Verein “Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V.” gepflegt hatte. Diesen hatte er vor zehn Jahren selbst mitbegründet und damals geleitet. Die Namensähnlichkeit des privaten Vereins zum staatlichen Beratungsgremium “Nationaler Cyber-Sicherheitsrat” war schon bei Schönbohms Berufung im Jahr 2015 ein Kritikpunkt. Zum zehnjährigen Jubiläum des Vereins hatte Schönbohm dort vor einigen Wochen eine Festrede gehalten. Aus Regierungskreisen hieß es, dies habe das Fass zum Überlaufen gebracht. Medienberichten zufolge wurden jedoch sowohl der Auftritt als auch die Rede im Vorfeld von einem Staatssekretär des Innenministeriums abgesegnet.

Der Verein steht unter seinem neuen Präsidenten Hans-Wilhelm Dünn seit längerem wegen Kontakten zu russischen Geheimdiensten in der Kritik. Bereits im Jahr 2019 hatte das ARD-Magazin Kontraste hierzu berichtet. Anfang Oktober hatte die Fernsehsendung ZDF Magazin Royale die Kontakte von Schönbohm zum “Cyber-Sicherheitsrat Deutschland” nochmals thematisiert. In der Fernsehsendung wurde auch auf die Firma Protelion hingewiesen, die bis zu ihrem Ausschluss vergangene Woche Mitglied in dem Verein war.

Das Unternehmen firmierte bis Ende März unter dem Namen Infotecs GmbH. Dabei handelt es sich um ein Tochterunternehmen der russischen IT-Sicherheitsfirma O.A.O. Infotecs. Diese wurde nach Informationen des Recherchenetzwerks Policy Network Analytics von einem ehemaligen Mitarbeiter des russischen Nachrichtendienstes KGB gegründet, der von Russlands Präsident Wladimir Putin für sein Wirken sogar mit einer Ehrenmedaille ausgezeichnet worden war.

Protelion beziehungsweise Infotecs waren aber auch in weiteren deutschen Verbänden aktiv: So war Protelion beispielsweise bislang Mitglied im Bundesverband für den Schutz kritischer Infrastrukturen (BSKI). Der Verband hatte ebenfalls vergangene Woche erklärt, die Mitgliedschaft vorerst ruhen zu lassen. Auch im Digitalverband Bitkom war das Unternehmen Mitglied – nach Verbandsangaben wurde es aber bereits im April suspendiert.

Protelion hatte auch eine Software beim BSI zur Zertifizierung eingereicht. Dieses verweigerte die Zertifizierung zwar im März 2021. Doch nach Informationen der Wochenzeitung Die Zeit und Kontraste hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz bereits im Jahr 2019 Sicherheitsbedenken geäußert und versucht, eine Beendigung des Vorgangs zu erreichen. Erst nachdem der Verfassungsschutz das Bundesinnenministerium eingeschaltet habe, sei der Zertifizierungsprozess beendet worden.

BSI-Vizepräsident Gerhard Schabhüser erklärte hierzu vergangene Woche, das BSI habe weder den Bedenken des Verfassungsschutzes widersprochen noch auf die Fortführung der Prüfung beharrt. Nur das BMI könne die Zertifizierung einer Software “auf der Grundlage sicherheitspolitischer Bedenken” untersagen.

Der Verfassungsschutz warnte aber nicht nur vor Protelion und Infotecs: Nach Informationen des Spiegel wurde der jetzige Präsident des Vereins “Cyber-Sicherheitsrat Deutschland”, Hans-Wilhlem Dünn, auch vom Verfassungsschutz überwacht. Bei der Telekommunikationsüberwachung seien auch Gespräche mit Schönbohm abgehört worden.

Forderung nach schneller Nachfolge

Jens Zimmermann, digitalpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, forderte nun “eine rasche Nachfolge an der Spitze des BSI”. Und weiter: “Was wir jetzt brauchen, ist eine ausgewiesene Expertise in IT-Sicherheit, um die Integrität des BSI wiederherzustellen und Vertrauen zurückzugewinnen.”

Anke Domscheit-Berg, digitalpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, sagte dem Spiegel, sie begrüße die Abberufung Schönbohms, erwarte von dem Disziplinarverfahren aber “nicht viel”. An der Spitze des BSI brauche es nun eine Führungskraft, “die anders als Arne Schönbohm von Anfang an tiefes Fachwissen im Bereich Cybersicherheit mitbringt, einen kooperativen Führungsstil an den Tag legt und Mitarbeiter:innen motivieren kann”.

Grünen-Chef Omid Nouripour sagte der Rheinischen Post, das BSI müsse handlungsfähig sein und bleiben. Es brauche jetzt zweierlei: “Erstens eine umfassende und zügige Aufklärung des Sachverhaltes, um auch das Vertrauen der Öffentlichkeit wieder zu gewinnen. Und zweitens schnelle Personalentscheidungen.”

Nachtrag vom 20. Oktober: Angaben des Innenministeriums zum Disziplinarverfahren gegen Schönbohm ergänzt. (dpa / js)