Datenschützer: Steuer-ID als Personenkennzahl ist verfassungswidrig

Steuererklärung
Geht es nach dem Willen des Bundesinnenministeriums, wird die Steuer-ID künftig nicht mehr nur für die Steuern genutzt. (Quelle: Marco Verch – CC BY 2.0)

Die Datenschutzkonferenz (DSK) ist gegen den Plan des Bundesinnenministeriums, die Steuer-Identifikationsnummer als Personenkennzahl zu nutzen. In einer gemeinsamen Erklärung der deutschen Datenschutzbehörden heißt es, der aktuelle Gesetzentwurf stehe im Widerspruch zu verfassungsrechtlichen Regelungen, da sich so Daten zusammenführen lassen. Die Bundesregierung müsse einen neuen Entwurf vorlegen, der einer Verfassungsklage standhalten würde.

Die Kritik richtet sich gegen einen Gesetzentwurf des Bundesinnenministeriums unter Leitung von Horst Seehofer (CSU), den das Online-Magazin Netzpolitik.org vergangene Woche veröffentlicht hatte. Der Entwurf sieht vor, die Steuer-Identifikationsnummer als behördenübergreifendes Personenkennzeichen zu nutzen. Insgesamt soll so bei mehr als 50 Registern die Steuer-ID als verknüpfendes “Ordnungsmerkmal” eingeführt werden. Darunter das Melderegister, das Ausländerzentralregister und Datenbanken wie das Versichertenverzeichnis der Krankenkassen und die Daten der Agentur für Arbeit.

Das Bundesverwaltungsamt soll als “Registermodernisierungsbehörde” sogenannte Basisdaten zu jeder Steuer-ID vom Bundeszentralamt für Steuern abrufen. Zu den Basisdaten zählen Informationen wie Name, Adresse, Geburtsdatum und -ort, Geschlecht und die Staatsangehörigkeit. Behörden könnten diesen Datensatz über die Steuer-ID bei der Registermodernisierungsbehörde abfragen. So soll sichergestellt werden, dass allen Behörden einheitliche und aktuelle Daten vorliegen. Das Bundesinnenministerium sieht dies auch als Voraussetzung für eine digitale Verwaltung, in der Leistungen online verfügbar sein sollen.

Steuer-ID nur für Steuern

In ihrer Entschließung warnt die Datenschutzkonferenz allerdings davor: Die Steuer-Identifikationsnummer löse sich so von ihrer Zweckbestimmung für steuerliche Angelegenheiten, “obwohl sie nur deswegen bislang als verfassungskonform angesehen werden kann”. Schon 2019 habe man gewarnt, dass eine solche einheitliche Identifikationsnummer genutzt werden könne, um Daten “in großem Maße” zu verknüpfen und umfassende Persönlichkeitsprofile zu erstellen.

Die bisher vorgesehenen technischen und organisatorischen Sicherungen könnten eine solche Profilbildung nicht wirksam verhindern. Zwar dürften nur autorisierte Behörden Informationen verschlüsselt abfragen. Dies biete aber “keinen ausreichenden Schutz gegen die missbräuchliche Zusammenführung der Daten zu einer Person”, so die Datenschutzkonferenz.

Die geplante Umsetzung stehe “im Widerspruch zu verfassungsrechtlichen Regelungen”. Denn das Bundesverfassungsgericht habe der Einführung von Personenkennzeichen enge Schranken aufgewiesen, die in dem Gesetzentwurf missachtet werden, heißt es in der Entschließung der Datenschutzkonferenz. Schon 1983 hatte das Bundesverfassungsgericht im sogenannten Volkszählungsurteil ein einheitliches Personenkennzeichen als entscheidenden Schritt des Staates gewertet, “den einzelnen Bürger in seiner ganzen Persönlichkeit zu registrieren und zu katalogisieren”.

Vorbild Österreich

Die Datenschützer fordern stattdessen “sektorspezifische” Kennziffern, wie sie in Österreich eingesetzt werden. Dort liegt die geheime Personenkennziffer nur bei der Datenschutzbehörde. Andere Behörden nutzen eine speziell für sie ausgegebene Identifikationsnummer. Auf die Personenkennziffer haben sie keinen Zugriff. Das verhindert, dass Daten von unterschiedlichen Stellen einfach verknüpft werden können. Der deutsche Gesetzentwurf lehnt dies jedoch aufgrund “immenser rechtlicher, technischer und organisatorischer Komplexität” explizit ab. Der Aufwand und Nutzen stünden bei diesem Modell “in keinem vertretbaren Verhältnis zueinander”. Grund dafür sei, dass die Register in Deutschland weitestgehend dezentral organisiert sind, während Österreich mit zentralen Bundesregistern arbeite.

Ulrich Kelber
Der Bundesdatenschutzbeauftragte hat den Gesetzentwurf später als andere Ressorts erhalten. (Quelle: Bundesregierung/Kugler)

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber weist jedoch ebenfalls auf das Risiko des deutschen Modells hin: Die einheitliche Identifikationsnummer ermögliche die missbräuchliche Zusammenführung unterschiedlichster Daten. “Ich hoffe, dass uns nicht wieder erst das Bundesverfassungsgericht vor einem zu neugierigen Staat schützen muss”, sagte Kelber.

Bundesdatenschutzbeauftragter weist auf Zweckbindung hin

Dass das Bundeszentralamt für Steuern als Finanzbehörde die Steuer-ID nun für nicht steuerliche Zwecke vergeben, speichern und verarbeiten soll, hält Kelber für “systemwidrig”, wie aus seiner Stellungnahme an das Bundesinnenministeriums hervorgeht, die das Online-Magazin Golem.de veröffentlicht hat. Im Gesetzentwurf wird kritisiert, dass die Datenbanken derzeit alle für den jeweiligen Fachbereich notwendigen Daten enthalten. Dies führe zu einer “vielfach redundanten und häufig widersprüchlichen und inkonsistenten Datenhaltung”. Diese Kritik blende jedoch das verfassungsrechtliche Gebot der Zweckbindung aus, schreibt Kelber. Grundsätzlich könnten Personen so nachvollziehen, welche Behörde zu welchem Zweck Daten über sie speichere. Durch die bestehenden Beschränkungen könnten sich Bürgerinnen und Bürger “einigermaßen darauf verlassen, dass der Staat nicht ohne weiteres seine Daten zusammenführen und zweckwidrig verwenden kann”. Eine Risikobewertung werde in dem Entwurf nicht vorgenommen. Zudem hält Kelber es für möglich, das österreichische Modell auf Deutschland zu übertragen.

Wie aus der Stellungnahme weiter hervorgeht, war der Bundesdatenschutzbeauftragte nicht an dem Gesetzentwurf beteiligt und hat ihn später als andere Ressorts zur Kommentierung erhalten. Dies verstoße gegen die Datenschutzgrundverordnung, rügte Kelber.

Schon zur Einführung der Steuer-Identifikationsnummer im Jahr 2007 hatte es Bedenken von Datenschützern gegeben. Im Jahr 2011 hatte der damalige Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar kritisiert, dass der Einsatz der Steuer-ID schleichend ausgeweitet werde und sich damit durch die Hintertür zum allgemeinen Personenkennzeichen entwickle. “Durch die Erweiterung der unter der Steuer-ID gespeicherten Daten etwa um Angaben zur Religionszugehörigkeit oder zu Familienangehörigen hat der Staat einen umfangreichen zentralen Datenbestand geschaffen, der für verschiedene Stellen von Interesse ist”, sagte Schaar damals. (js)