Deutsche Bahn baut Videoüberwachung aus

Aktivisten am Berliner Südbahnof
Protestaktion am Bahnhof Südkreuz 2017: Hier wurde testweise 2 Jahre lang Gesichtserkennungssoftware eingesetzt. (Quelle:
Endstation Jetzt – CC BY 2.0)

Die Deutsche Bahn will die Anzahl ihrer Überwachungskameras an Bahnhöfen von derzeit 8000 an 800 Standorten auf etwa 11.000 erhöhen – ein Zuwachs von rund 30 Prozent. Darauf haben sich der Konzern und der Bund geeinigt. 180 Millionen Euro lassen sich die Beteiligten das Unterfangen kosten.

In einer gemeinsamen Pressemitteilung begründete Bundesinnenminister Horst Seehofer den Plan mit “erhöhter Sicherheit in Bahnhöfen und Zügen”. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer spricht von “noch mehr Sicherheit in Bahnhöfen”. Bahn-Vorstand Ronald Pofalla reiht sich mit seiner Aussage, dass Sicherheit das “oberste Gebot” seines Unternehmens sei, in den Kanon ein.

Millionen Euro für schärfere Bilder

Die 180 Millionen Euro sollen innerhalb der nächsten vier Jahre in hochauflösende Kameras investiert werden, die laut Mitteilung einen Qualitätssprung bei den Aufnahmen bedeuten. “Sie lassen hochauflösende Bilder entstehen”, heißt es.

Teilt man das Budget durch die Anzahl der neuen Kameras, kostet jede Neuinstallation 60.000 Euro. Allerdings ist in der Mitteilung nicht aufgeschlüsselt, ob das Budget beispielsweise auch Kosten für Personal, Wartung und Umbaumaßnahmen beinhaltet oder nur der Hardware-Anschaffung dient.

Laut der Nachrichtenseite netzpolitik.org beteiligt sich die Deutsche Bahn mit 40 Millionen Euro an dem Projekt. Die restlichen 140 Millionen Euro stammen aus Mitteln der Bundespolizei und aus der sogenannten dritten Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung. Dieses Geld ist eigentlich für die Instandhaltung des Schienennetzes vorgesehen. Laut netzpolitik hat die Bahn bereits in den vergangenen zwei Jahren rund 2000 neue Überwachungskameras in den Bahnhöfen installiert.

Rechtfertigung für Überwachung

Der Ausbau der Kameraüberwachung wird in der Pressemitteilung mit zwei Tötungsdelikten im Jahr 2019 an den Bahnhöfen Frankfurt am Main und Voerde begründet. Bei den Vorfällen starben ein Kind und eine Frau, weil Männer mit psychischen Erkrankungen die Opfer vor einfahrende Züge schubsten.

Auch intensivere Videoüberwachung hätte diese Tragödien allerdings nicht verhindern können. Im Anschluss an die Taten waren beide Männer unmittelbar festgenommen worden.

Versuchsbahnhof Berlin Südkreuz

Der Berliner Bahnhof Südkreuz soll erneut als Testlabor dienen: Ab dem kommenden Jahr wird er drei Jahre lang als “Sicherheitsbahnhof” geführt. Neben verschiedenen Arten von Schutzbarrieren auf einem Bahnsteig, wollen die Beteiligten dort weiter “intelligente Videoanalysetechnik” erproben.

Ins Detail geht die Pressemitteilung zu diesem Vorhaben nicht. Das Projekt werde unter “wissenschaftlicher Begleitung” stattfinden. Unter anderem solle analysiert werden, “wie sich die Sicherheit steigern lässt, ohne dass Fahrgästen Nachteile entstehen”. So soll beispielsweise getestet werden, ob sich die Sicherheitsmaßnahmen auf die Pünktlichkeit der Züge auswirken. Der Bahnhof Berlin Südkreuz stand bereits in der Vergangenheit im Fokus: In den Jahren 2017 und 2018 wurde dort Videoüberwachung in Kombination mit Gesichtserkennungs-Software getestet. Damals waren die Bundespolizei, das Bundeskriminalamt, das Bundesinnenministerium und die Deutsche Bahn an dem Projekt beteiligt.

Der damalige Innenminister Thomas de Maizière hatte den Versuch bereits vor Ende der Testphase als Erfolg gewertet. Den Abschlussbericht veröffentlichten die Verantwortlichen aber erst nach monatelanger Verzögerung.

Nach Ansicht von Datenschützern und des Chaos Computer Clubs (CCC) enthielt die Bewertung des Projekts erhebliche Fehleinschätzungen. In einer Stellungnahme des CCC heisst es, die Erkennungsraten der Kameras seien inakzeptabel schlecht ausgefallen – teils hätten diese unter 20 Prozent gelegen. Juristen des Deutschen Anwaltsvereins hatten darüber hinaus an der Legalität des Überwachungstests gezweifelt. Auch auf EU-Ebene zweifelt man die Technik an: Die EU-Kommission hat in diesem Jahr über ein zeitlich begrenztes Verbot von Gesichtserkennung im öffentlichen Raum diskutiert und mehrfach erhebliche Bedenken an der Technik geäußert. Das Bundesinnenministerium strich Anfang des Jahres die automatische Gesichtserkennung überraschend aus dem Entwurf für das neue Bundespolizeigesetz.

Ein Sprecher des Innenministeriums erklärte gegenüber netzpolitik.org, bei dem neuen Test gehe es nicht mehr um Gesichtserkennung. Stattdessen soll Analysesoftware getestet werden, die das Verhalten der Reisenden auswertet und Gefahrensituationen frühzeitig automatisiert erkennt. (hcz)