Deutsche produzieren mehr Verpackungsmüll
Im Meer schwimmende Plastiktüten. Ein Bild, das immer wieder in den Nachrichten auftaucht. Die Debatte um Verpackungen jeglicher Art ist nicht neu. Dass Verpackungen ein Problem für die Umwelt sind, ist bekannt. Doch zumindest 2017 haben wir mehr Verpackungsmüll produziert, als zuvor.
Insgesamt 18,7 Millionen Tonnen Verpackungsmüll sind in Deutschland im Jahr 2017 angefallen. Der Anteil der privaten Verbraucher an diesen Zahlen betrug 47 Prozent, also 8,84 Millionen Tonnen Verpackungen. Das bedeutet einen Zuwachs von 3,8 Prozent gegenüber 2016 und 107 Kilogramm pro Kopf. Das geht aus dem neuen Bericht “Aufkommen und Verwertung von Verpackungen in Deutschland im Jahr 2017” des Umweltbundesamtes hervor, den die Behörde zum Beginn der diesjährigen Europäischen Woche der Abfallvermeidung veröffentlicht hat.
Der Bericht basiert auf den Ergebnissen verschiedener Einzelstudien. Die Zahlen für 2018 liegen erst im kommenden Jahr vor. Hintergrund ist die Europäische Verpackungsrichtlinie, aus der sich eine Berichtspflicht der Mitgliedsstaaten gegenüber der Europäischen Kommission ergibt. In dem vorliegenden Bericht sind Verpackungen aus Glas, Kunststoff, Papier, Aluminium, Weißblech, Verbundstoffen, Stahl, Holz und sonstigen Packstoffen berücksichtigt.
Mehr Mehrweg
“Wir verbrauchen viel zu viele Verpackungen. Das ist schlecht für die Umwelt und für den Rohstoffverbrauch. Wir müssen Abfälle vermeiden, möglichst schon in der Produktionsphase”, sagte Maria Krautzberger, Präsidentin des Umweltbundesamtes. Krautzberger fordert mehr Mehrweg. Dies solle nicht nur für Mineralwasser und Bier gelten, sondern auch für Kaffee und Speisen zum Mitnehmen.
Die Ursachen für den hohen Verpackungsverbrauch sind demnach vielfältig. So soll ein Grund im Wirtschaftswachstum liegen. Mehr Produkte führten zu mehr Verpackungen. Die Verfasser des Berichts sehen aber noch weitere Gründe. So habe der Anteil der Ein-Personenhaushalte in Deutschland zwischen 1991 und 2018 stetig zugenommen. Der Anteil der Zwei-Personenhaushalte ist mit über 30 Prozent ebenfalls verhältnismäßig hoch. In solchen Haushalten werden häufig kleinere Packungsgrößen und vorportionierte Produkte gekauft, was wiederum zu mehr Verpackungsmüll führt. Zudem gebe es in kleineren Haushalten einen höheren Verbrauch an Außer-Haus-Produkten, also etwa Kaffee oder Mahlzeiten zum Mitnehmen.
Der Anteil an Seniorenhaushalten nimmt laut den Statistiken aus dem Bericht ebenfalls zu. Auch in diesen Haushalten komme es zu einem erhöhten Verbrauch an kleineren Verpackungsgrößen.
Gleichzeitig wird in den Haushalten immer weniger Zeit damit verbracht, Lebensmittel zuzubereiten. Daher würden mehr Fertiggerichte, Tiefkühlkost oder verzehrfertige Speisen verkauft, was wiederum mehr Verpackungen zur Folge hat. Aber auch Bequemlichkeit spielt ein Rolle. So müssen Verpackungen immer mehr Funktionen zum Dosieren oder Wiederverschließen aufweisen. Dies treffe besonders auf sogenannte Funktionsverschlüsse bei Kunststoffverpackungen zu, sei es bei Zahnpasta oder Ketchup. Diese Verschlüsse bringen es alleine auf einen Anteil von 6 Prozent am Gesamtverbrauch von Kunststoffverpackungen.
Der Versandhandel sorgt zusätzlich für einen Anstieg beim Verpackungsmüll. 2017 wurden demnach 3,35 Milliarden Sendungen auf den Weg gebracht. Ein Anstieg von 98 Prozent gegenüber dem Jahr 2000.
Hohe Recyclingquoten
Umweltbundesamt-Präsidentin Krautzberger fordert, mehr zu recyceln. Dabei sehen die Zahlen in diesem Bereich auf den ersten Blick gut aus. Gesamt betrachtet, werden 70 Prozent aller Verpackungsabfälle dem Recycling zugeführt.
Mit 92,2 Prozent ist die Recylingquote bei Stahl besonders hoch. Bei Papier und Karton liegt diese Quote bei 87,6 Prozent und auch bei Glas ist sie mit 84,4 Prozent hoch. Kunststoffe hingegen seien schwierig zu recyceln, etwa da diese Verpackungen häufig durch verschiedene Materialien zusammengesetzt sind. Damit liegt die Recyclingquote hier nur bei 49,7 Prozent.
LKW voll Plastikmüll
An diesen Zahlen gibt es jedoch Zweifel, etwa von der Lobby “Plastics Recyclers Europe”. Die Zahlen sollen in der Realität viel niedriger liegen. Der Grund: In Deutschland und den meisten EU-Ländern wird gezählt, was in der Sortieranlage ankommt. Das kann aber nicht alles wiederverwertet werden. Wenn Verunreinigungen vorliegen oder sich die Verbundmaterialien nicht einfach recyceln lassen, wird aussortiert. Solche Abfälle werden häufig verbrannt oder exportiert. Die “Plastics Recyclers Europe” schätzen, dass etwa 10.000 Lastwagen mit Plastikmüll jeden Tag die EU verlassen und in ärmere Länder gebracht werden, anstatt sie von europäischen Recyclingbetrieben verwerten zu lassen.
Henning Wilts, vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie, hatte schon Anfang des Jahres im Spiegel kritisiert, dass die von der Bundesregierung genannte Quote zum recycelten Plastik “Fiktion” sei. Der Großteil werde in Kraftwerken verbrannt oder eben exportiert. Laut Wilts sollen im ersten Halbjahr 2018 gut 84.000 Tonnen Kunststoffabfälle alleine nach Malaysia geschickt worden sein. Die Recyclingquote bei Plastik soll demnach 2017 nur im einstelligen Prozentbereich gelegen haben.
Neue Regeln gegen Plastikmüll
Um die Gesamtsituation zu ändern, gibt es seit dem 1. Januar 2019 ein neues Verpackungsgesetz. Hierin hat die Bundesregierung die Quote für Plastikabfälle auf 58,5 Prozent erhöht. Die Recyclingfähigkeit von Verpackungen soll durch die Gesetzesänderung ebenfalls verbessert werden. Hersteller, die Verpackungen verschicken, müssen sich bei einer zentralen Stelle registrieren. Sie müssen sich außerdem an einem Dualen System beteiligen und etwa den “Grünen Punkt” lizenzieren.
Die EU plant vor allem, den Plastikmüll einzuschränken. So werden Trinkhalme, Teller, Besteck, Rührstäbchen für Getränke, Wattestäbchen, Luftballonstäbe aus Plastik sowie Verpackungen aus aufgeschäumten Polystyrol verboten. Letztere werden für heiße Lebensmittel und Getränke benutzt. Die EU-Richtlinie soll ab 2021 gelten. Bis dahin muss sie in nationale Gesetze gefasst werden.
Dass dies helfen kann, zeigt sich am Beispiel der Kunststofftragetaschen, auch wenn es hier bisher kein Gesetz, sondern nur eine Vereinbarung zwischen Handel und Politik gibt. Diese 2016 geschlossene Vereinbarung hatte zur Folge, dass viele Händler ihren Kunde keine kostenlosen Plastiktüten mehr zur Verfügung stellen. Zwischen 2012 und 2018 sank der Verbrauch um 67 Prozent. 2018 lag er noch bei 2 Milliarden Tüten, ein weiterer Rückgang um 18 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Ab nächstem Jahr sollen die Plastiktüten komplett verboten werden. Der Bundestag muss dieses Gesetz aber noch verabschieden. (js)