Deutschland plant zerstörerischen Tiefseebergbau

Manganknolle
Manganknollen sind kaum größer als ein Tennisball. Um sie zu bergen, wollen Firmen massiv in das unerforschte Ökosystem der Tiefsee eingreifen. (Quelle: Koelle – CC BY-SA 3.0)

Deutschland erforscht derzeit im nordöstlichen Pazifik, wie auf dem Meeresgrund liegende Metallklumpen – sogenannte Manganknollen – industriell abgebaut werden können. Während die Vorbereitungen für einen Test laufen, demonstrieren Umweltschützer gegen die Ausbeutung der unberührten Tiefsee.

Im Jahr 2006 hatte sich die Bundesrepublik die Explorationslizenzen für zwei Tiefseegebiete für die nächsten 15 Jahre gesichert, um zu erkunden, wie Tiefseebergbau funktionieren könnte und mit welchen Umweltauswirkungen zu rechnen ist. Im Juli läuft die Lizenz ab. In den kommenden Wochen wollen deswegen Deutschland und Belgien Tests mit einem Tiefseebergbau-Roboter in der Versuchszone durchführen.

Naturschutzverbände und Meeresforscher halten den Tiefseebergbau für gefährlich: Bei dem Abbau durch große Spezialmaschinen würde die oberste Schicht des Meeresbodens abgetragen. Das könnte einzigartige Ökosysteme schädigen und laut Greenpeace ganze Arten auslöschen. Denn das Sediment beinhaltet viele Lebewesen. “Unsere Meere können die steigenden Temperaturen und Massen an Plastikmüll kaum verkraften”, sagte Dr. Sandra Schöttner, Meeresbiologin bei Greenpeace. “Industrieller Tiefseebergbau würde das rasante Artensterben in den Ozeanen beschleunigen. Diese ökologische Katastrophe muss verhindert werden.”

Außer des Schwermetalls Mangan (25 bis 30 Prozent) enthalten die Knollen bis zu jeweils 1 Prozent Elemente wie Kupfer, Cobalt, Zink und Nickel. Diese werden für die Herstellung elektronischer Geräte wie Smartphones und Akkus benötigt. Die Preise für diese Rohstoffe sind in den vergangen Jahren rasant gestiegen. Auch für den Umstieg auf erneuerbare Energien werden sie gebraucht.

Die Knollen bilden sich aber nur extrem langsam;: sie wachsen etwa um 5 Millimeter in eine Million Jahre. Typischerweise haben sie in etwa die Ausmaße einer Kartoffel.

Mit dem Staubsauger durch das Ökosystem

Weltweit wurde laut der Greenpeace-Studie “Deep Trouble” (Dezember 2020) ein Gebiet etwa so groß wie Frankreich und Deutschland zusammen für den Tiefseebergbau geöffnet. Etwa eine Million Quadratkilometer wurden bislang zur Erkundung der Wirtschaftlichkeit des Tiefseebergbaus freigegeben. Die Lizenzen vergibt die internationale Meeresbodenbehörde (International Seabed Authority, ISA) auf Jamaika.

Das von Deutschland untersuchte Gebiet mit einer Größe von 75.000 Quadratkilometern liegt in der sogenannten Clarion-Clipperton-Zone im Pazifik, in der besonders viele Manganknollen zu finden sind. Dort forscht die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) im Auftrag der Bundesregierung im Rahmen eines europäischen Forschungsprojekts.

In diesem Gebiet soll laut BGR nun auch der Prototyp eines Knollenkollektors getestet werden. Die Maschine stammt von der belgischen Firma Global Sea Mineral Resources (GSR) und soll in einer Tiefe von 4500 Metern arbeiten. Sie funktioniert prinzipiell wie ein überdimensionierter Staubsauger und saugt die Knollen inklusive des umliegenden Sediments auf. Ein fünf Kilometer langes Kabel verbindet die Maschine mit dem Versorgungsschiff. Zwar ist der Prototyp bereits 12 Meter lang und 4 Meter breit. Doch handelt es sich nur um eine verkleinerte Version der geplanten Kollektoren im Maßstab von 1:4. Die serienreifen Maschinen werden also eine immense Fläche abdecken können und entsprechend viel Sediment aufwirbeln.

Während der Tests ist das Forschungsschiff “Island Pride” anwesend. Von diesem aus sollen 23 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der BGR und der die Umweltauswirkungen untersuchen. Im Fokus stehen die Auswirkungen der Sedimentverwirbelungen auf Umwelt und Lebewesen.

Spuren nach 30 Jahren noch zu erkennen

Die Autoren der Greenpeace-Studie sind sich sicher: “Der Tiefseebergbau wird dem Lebensraum Meer ernsthafte und irreversible Schäden zufügen, den Verlust der biologischen Vielfalt beschleunigen und mit der Tiefsee eine der wichtigsten planetaren Kohlenstoffsenken bedrohen.” Laut Greenpeace werde so Lebensraum samt speziell angepasster Arten zerstört.

Deswegen demonstrierten Anfang April Aktivistinnen und Aktivisten der Organisation vor dem Industrieschiff “Maersk Launcher” im Pazifik. Von dem Schiff aus plant die kanadische Firma DeepGreen Metals derzeit, wie sie künftig am Meeresgrund Rohstoffe ausbeuten kann.

Bereits vor 30 Jahren hatten deutsche Industrieforscher erstmals Manganknollen gefördert. Damals waren die Preise für solche Rohstoffe aber zu niedrig, als dass sich der aufwendige Abbau finanziell gelohnt hätte. Die Arbeiten wurden eingestellt. Laut der Fachnachrichtenseite Ingenieur.de sind noch heute Spuren des Testabbaus vor 30 Jahren am Meeresgrund zu sehen.

Auch sind laut Greenpeace-Studie bereits die Auswirkungen auf den Menschen absehbar: “Tiefseebergbau gefährdet massiv die Ernährungssicherheit vieler Entwicklungsländer.” Deswegen formieren sich in kleineren Inselstaaten – die in der Nähe der Abbaubaugebiete liegen – zivilgesellschaftliche Gruppen. Sie werfen den beteiligten, ausländischen Privatunternehmen vor, die kleinen Nationen ökologisch und finanziell auszubeuten.

Schäden unumkehrbar

Das Umweltbundesamt (UBA) vertritt eine ähnlich kritische Position gegenüber dem Tiefseebergbau. Er habe “erhebliche Auswirkungen auf die ozeanischen Lebensräume und Lebensgemeinschaften”. Die Behörde sieht die Zerstörung zudem als irreversibel an: “Lebensgemeinschaften zusammen mit den Knollen werden komplett aus dem Lebensraum entfernt. Eine Rekolonisierung ist nicht möglich, da die Knollen als Substrat fehlen.”

Ein Problem sieht das UBA auch in Sedimentwolken, die sich beim Einsatz der Abbaugeräte bilden. Zusammen mit den angesaugten Manganknollen wird auch immer mit feinkörnigem Sediment angereichertes Wasser an die Oberfläche befördert. Es wird anschließend zurück ins Meer geleitet, wodurch das Sediment in höherliegende Wasserschichten gelangt. “Darin enthaltene Schadstoffe werden im Ozean verteilt und können sich in Abhängigkeit ihrer Stoffeigenschaften im Nahrungsnetz anreichern”, urteilt das Bundesamt.

Gegenüber dem Deutschlandfunk äußerte sich die Aktivistin Ellen Moore von der Umwelt-Organisation Earthworks zum Tiefseebergbau: “Wir wissen nicht viel über die Tiefsee. Aber wir wissen, dass die Organismen am Meeresboden sehr fragil sind und anfällig für Störungen im Ökosystem. Das deutet daraufhin, dass Tiefseebergbau sehr schädlich wäre und es sich ganz sicher nicht um einen verantwortungsvollen Weg der Mineralien-Beschaffung für die Energiewende handelt. Earthworks ist für ein Moratorium.”

“Wir haben ein noch nie zuvor gesehenes Ausmaß an Verschmutzung erreicht. Die Fischbestände sind überfischt und nehmen ab. Wir verlieren Korallenriffe und Mangrovenwälder. Die Ozeane sind in keiner guten Verfassung. Wir sollten also dafür sorgen, dass sich die Meere erholen. Die Idee, den Druck durch Meeresbodenbergbau noch zu erhöhen, ergibt für mich keinen Sinn”, fasste John Tanzer von der Umweltschutz-Organisation WWF das Problem gegenüber Deutschlandfunk zusammen. (hcz)