Urheberrechtsreform: Experten fordern Nachbesserungen
Vor zwei Jahren gingen europaweit junge Menschen auf die Straße, weil sie die freie Meinungsäußerung auf Plattformen wie YouTube durch Uploadfilter gefährdet sahen. Nun ist die geplante Urheberrechtsreform in Deutschland in ihre entscheidende Phase eingetreten: Die Regierung muss die EU-Urheberrechtsreform bis zum 7. Juni in nationales Recht umsetzen. Am Montag haben sich Sachverständige im Rechtsausschuss des Bundestages zu dem Gesetzentwurf geäußert. Darunter Wissenschaftler, Rechtsexperten und Vertreter von Urhebern, Medienunternehmen sowie Internetplattformen und deren Nutzerinnen und Nutzer. Sie alle forderten Änderungen – und äußerten teilweise rechtliche Bedenken. Der Ausschuss wird zu einem späteren Zeitpunkt eine Beschlussempfehlung abgeben; dann muss der Bundestag entscheiden.
Das Gesetz sieht vor, dass künftig die Plattformen wie Facebook und YouTube für die von Nutzern hochgeladenen Inhalte urheberrechtlich verantwortlich sind. Mit Lizenzmodellen sollen Urheberinnen und Künstler finanziell an der Wertschöpfung solcher Dienste beteiligt werden. Die umstrittenen Uploadfilter sind nicht abgewendet, Nutzerrechte sollen in Teilen aber gestärkt werden.
Die Initiative Urheberrecht, in der 39 Verbände und Gewerkschaften zusammenarbeiten, begrüßte die Neuregelungen, wie etwa die neue Verantwortung der Plattformen und die damit verbundene Lizenzierungspflicht. Dennoch müssten die Positionen der Kreativen im Gesetzestext weiter gestärkt werden: So sind Diensteanbieter künftig dazu verpflichtet, Verträge mit Rechteinhabern abzuschließen. Die deutschen Vorgaben dazu werden der EU-Richtlinie nach Ansicht der Initiative jedoch nicht gerecht, da Anbieter hiernach warten könnten, bis ihnen Angebote unterbreitet werden. Stattdessen sollten die Plattformen aktiv auf die Lizenzgeber zugehen müssen, fordert Gerhard Pfennig von der Initiative Urheberrecht.
Rechtliche Bedenken
Google-Managerin Sabine Frank begrüßte die Neuregelungen in ihrer Stellungnahme ebenfalls grundsätzlich. Googles Videoplattform YouTube teile das Interesse von Rechteinhabern, jegliche Urheberrechtsverletzungen zu unterbinden. Dafür habe man aber bereits ein eigenes System zum Lizenzmanagement geschaffen, mit dem Rechteinhaber zusätzliche Einnahmen erzielen könnten. Zwar verstehe Google das Ziel des Gesetzesentwurfs, Urheber von Inhalten direkt zu bezahlen. Man befürchte jedoch, dass der vorgeschlagene Prozess eine schnelle und angemessene Ausschüttung an die Urheberinnen und Urheber eher erschweren würde.
Probleme sieht Frank auch bei einer möglichen Haftung der Plattformen. Denn Nutzer haben die Möglichkeit, Inhalte als legal zu kennzeichnen (“flagging”). “Das Verbot einer Sperrung von Inhalten nach einem Nutzerflagging wird zu einer unübersehbaren Fülle solcher Kennzeichnungen führen […] und zudem die Zahl von Streitigkeiten stark ansteigen lassen”, befürchtet Frank. In Beschwerdeverfahren müssten die Anbieter innerhalb von sieben Tagen “gewissermaßen als Richter” entscheiden, ob die Inhalte zulässig sind. Das sei eine “kaum zu leistende Aufgabe”. Im Gesetz müsse klargestellt werden, dass die Plattformen für “sorgfältig getroffene Entscheidungen” nicht haften. Denn andernfalls gebe es einen “strukturellen Anreiz für Plattformen im Zweifel gegen die Nutzer zu entscheiden” und zu sperren.
Frank kritisierte auch, dass nach dem Entwurf auch Zitate und Parodien vergütungspflichtig sein sollen: Das sei “unvereinbar mit Europa- und Verfassungsrecht und greife auf nicht akzeptable Weise in Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit ein”.
Rechte von Urhebern und Nutzern
Verfassungs- und europarechtliche Bedenken, beispielsweise in Hinblick auf die “mutmaßlich erlaubte Nutzung”, äußerte auch der Rechtswissenschaftler Christoph Möllers von der Berliner Humboldt-Universität. Das Konzept sieht vor, dass Inhalte bis zum Abschluss eines eventuellen Beschwerdeverfahrens zunächst online gehen, solange sie weniger als die Hälfte eines fremden Werks verwenden und dieses mit anderen Inhalten kombinieren. Nach Möllers Ansicht verstößt dieses Konzept gegen die Grundrechte der Rechteinhaber.
Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) kritisierte hingegen, der Gesetzentwurf schwäche die Grundrechte der Nutzer. Denn Inhalte, die mehr als die Hälfte eines fremden Werks beinhalten, können auf Wunsch von Rechteinhabern mit Uploadfiltern blockiert werden. Dies könne dazu führen, dass gesetzlich oder vertraglich erlaubte Nutzungen ebenfalls gesperrt werden. Betroffen sein könnten beispielsweise Live-Streams, bei denen unbeabsichtigt Hintergrundmusik zu hören ist.
“Geringfügige Nutzung”
Scharf kritisiert die GFF auch, dass der Schwellenwert für die “geringfügige Nutzung” in dem Gesetzentwurf herabgesetzt wurde. So will die Bundesregierung pauschal erlauben, bis zu 160 Zeichen eines Textes, 15 Sekunden eines Videos und Bilder mit bis zu 125 Kilobyte zu nutzen. 160 Zeichen seien so kurz, “dass diese Grenze eine sinnvolle Berichterstattung verhindert, die Zitatfreiheit unverhältnismäßig beschränkt und zu einer Monopolisierung von Sprache führen kann”, warnte Julia Reda von der GFF in ihrer Stellungnahme.
Eduard Hüffer vom Medienunternehmen Aschendorff befürchtet hingegen, dass die Grenzen so großzügig bemessen sind, dass die Verwertung journalistischer Inhalte erheblich beeinträchtigt würde. Pressefotos würden komplett freigegeben. Dabei handle es sich “gerade nicht um marginale Nutzungen, sondern vielfach um hochwertige, qualitativ anspruchsvolle Inhalte”.
Die EU verpflichtet die Mitgliedsstaaten dazu, Ausnahmen für Karikaturen, Parodien und andere künstlerische Formate zu schaffen. Die Bundesregierung will Remixe, Memes, Fan-Art oder Samplings allerdings nicht grundsätzlich erlauben, sondern nur, sofern “die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist”. Das sei nicht “europarechtskonform”, kritisierte Paul Keller von der Communia Association, die sich für freies Wissen einsetzt. Keller verwies auf die Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofes zur Nutzung von Parodien. Eine abweichende nationale Umsetzung würde zu “erheblicher Rechtsunsicherheit” führen.
Sabine Frank von Google weist in ihrer Stellungnahme auf die “Komplexität der im Entwurf festgehaltenen Neuerungen” hin. Sie regt daher eine Übergangsfrist von sechs Monaten an, um beispielsweise die vorgesehenen Beschwerdeverfahren einzuführen. (dpa / js)