Erdüberlastungstag: Die erneuerbaren Ressourcen der Erde sind aufgebraucht
Die Menschheit hat sämtliche Ressourcen für dieses Jahr aufgebraucht, die auf der Erde innerhalb eines Jahres erneuert werden können. Das hat das Global Footprint Network (GFN) berechnet und den 1. August 2024 als sogenannten Earth Overshoot Day (Erdüberlastungstag) festgelegt. Der Organisation zufolge benötige die Menschheit aktuell 1,7 Erden, um den Bedarf auf dem aktuellen Niveau zu decken.
Dem GFN zufolge findet der Tag dieses Jahr noch einen Tag früher statt, als es 2023 der Fall war. Die Nachhaltigkeitsorganisation berechnet das Datum für jedes Jahr. Im ökologischen Idealfall würde dieser Punkt erst nach Jahresende erreicht werden. Betrachtet werden bei der Berechnung etwa der Verbrauch an Fischen, Ackerland und Holz sowie die Aufnahmefähigkeit der Erde für Müll und Emissionen.
Seit dem Jahr 1971 findet jedes Jahr eine Übernutzung statt, die dem GFN zufolge die Ressourcensicherheit gefährdet. “Die Folgen ökologischer Übernutzung zeigen sich in Abholzung, Bodenerosion, Verlust der Artenvielfalt und der Anreicherung von Kohlendioxid in der Atmosphäre, was zu häufigeren Extremwetterereignissen und einer verringerten Nahrungsmittelproduktion führt”, so die Organisation.
Länder im Vergleich
Das GFN berechnet den Überlastungstag sowohl für die gesamte Erde als auch für einzelne Länder. Dabei hat die Organisation untersucht, wie lange die erneuerbaren Ressourcen weltweit reichen würden, wenn alle Menschen so lebten wie die Bürger des jeweiligen Landes. Würden beispielsweise alle Menschen so viel verbrauchen wie US-Bürger, würde die Menschheit bereits ab 4. März auf Pump leben beziehungsweise jedes Jahr die erneuerbaren Ressourcen von fünf Erden aufbrauchen.
Besonders Industriestaaten leben demnach über ihren Verhältnissen und tragen deutlich stärker dazu bei, dass die regenerativen Ressourcen jedes Jahr zu früh aufgebraucht sind und natürliche Lebensgrundlagen zerstört werden.
Im internationalen Vergleich verbraucht Katar pro Kopf die meisten Ressourcen: Der Erdüberlastungstag des Emirats war bereits am 11. Februar erreicht. Dicht dahinter folgt Luxemburg. Kanada, die USA, die Vereinigten Arabischen Emirate, Dänemark und Belgien folgen im März.
Staaten wie Indonesien, Ecuador und Jamaika werden ihren Erdüberlastungstag hingegen erst im Novembers erreichen. Allerdings zeichnet sich hier auch eine negative Entwicklung ab: 2023 fanden sie noch im Dezember statt.
Deutschland lebt auf Kosten anderer
Deutschland hatte seinen Überlastungstag 2024 am 2. Mai erreicht und liegt etwa auf einem Niveau mit Irland, Slowenien und Frankreich. Ab diesem Zeitpunkt mache Deutschland quasi ungefragt Schulden bei Nationen, die deutlich weniger verbrauchen als ihnen zustünde, schrieb Germanwatch. Kinder und nachfolgende Generationen würden mit den Folgen der jahrzehntelangen Übernutzung belastet.
Besonders große Mengen an natürlichen Ressourcen benötigt laut Germanwatch die Fleischindustrie. In Deutschland würden rund 60 Prozent der Agrarfläche für die Produktion von Futtermitteln verwendet, 56 Prozent des erzeugten Getreides gingen in die Futterproduktion. Zusätzlich würden Flächen im Ausland dafür in Anspruch genommen. “Der Anbau solcher Futtermittel ist seit Jahrzehnten ein zentraler Treiber für die Vernichtung von Wäldern und den Verlust von Biodiversität”, sagte Konstantinos Tsilimekis, Ernährungsexperte bei Germanwatch. Deutschland müsse die Zahl der Nutztiere verringern und angebaute Nahrungsmittel direkt konsumieren.
Wendepunkt vermutet
Seit rund 10 Jahren findet der weltweite Überlastungstag etwa am gleichen Tag statt – nachdem er jahrzehntelang immer früher erreicht worden war. Dass es dennoch keinen Grund zur Entwarnung gibt, erklärt die GFN: “Auch wenn das Datum konstant bleibt, nimmt der Druck auf den Planeten weiter zu, da sich die Schäden durch Übernutzung im Laufe der Zeit anhäufen.”
Allerdings deute sich an, dass ein Wendepunkt bei der Erdüberlastung erreicht sei, meint Christoph Bals von der Entwicklungs- und Umweltorganisation Germanwatch. “Vieles spricht dafür, dass die Überlastung bald sinkt. Der weltweite Siegeszug der Erneuerbaren Energien, der Speichertechniken, der E-Mobilität und Wärmepumpen beginnt das fossile Geschäftsmodell zu untergraben”, sagte Bals letzte Woche.
Diese und weitere Trends müssten aber stark beschleunigt werden, um irreversible Klima-Kipppunkte und massive weitere Artenverluste zu verhindern. “Schnelles, wirksames und sozialverträgliches Handeln ist gefragt, um die Freiheitsrechte der heute jungen Menschen und künftiger Generationen zu schützen”, so Bals. Industrie- und Schwellenländer trügen dafür die größte Verantwortung.
Wege aus der Krise
Dem GFN zufolge gibt es zahlreiche Wege, wie der Ressorucenverbrauch weltweit heruntergefahren werden und der Erdüberlastungstag entsprechend später stattfinden könnte. Das größte Potenzial sieht die Organisation in einer globalen Bepreisung von Treibhausgasemissionen. Demnach würde sich der Erdüberlastungstag bei einem Preis von 100 US-Dollar pro Tonne Kohlendioxid um 63 Tage nach hinten verschieben.
Weiteres Potenzial sieht das GFN beispielsweise in der Stärkung der reproduktiven Gesundheit von Frauen und Mädchen: Würde jede zweite Familie ein Kind weniger bekommen und die Elternschaft um zwei Jahre verschoben werden, fände der Erdüberlastungstag im Jahr 2050 dem GFN zufolge 49 Tage später statt. Eine weitere effektive Maßnahme wäre ein Green New Deal nach dem Vorbild der EU und Strom aus kohlenstoffarmen Quellen.
Nach Ansicht der Umweltschutzorganisation Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) braucht es einen Rohstoff- und Energieverbrauch, der sowohl nachhaltig als auch umweltverträglich ist. “Längere Haltbarkeit und bessere Reparaturmöglichkeiten für Produkte sind gut für die Umwelt und den Geldbeutel. Mehrwegsysteme vermeiden Abfälle und schonen so die Ressourcen”, schrieb die Organisation am Montag. Die Stärkung dieser Bereiche schaffe nebenbei neue Arbeitsplätze und verringere die Abhängigkeit von Importen.
Zudem fordert der BUND ein Gesetz mit klaren Schutzzielen, Erreichungsjahr, Reduktionspfaden, Monitoring, Sanktionen und Berichtspflichten. Das sei notwendig, um Verantwortlichkeiten zu schaffen und Anreize für eine nachhaltige Wirtschaft zu geben. Ohne eine Neuordnung der Ressourcenpolitik mit dem Ziel den Ressourcenverbrauch zu verringern, ließen sich die völkerrechtlich verbindlichen Klimaschutz- und Biodiversitätsziele nicht erreichen.
Lewis Akenji, Vorstandsmitglied des Global Footprint Network, erklärte: “Die Überschreitung der Treibhausgasemissionen wird ein Ende haben.” Die Frage sei, ob durch Planung oder durch eine Katastrophe. “Ein geplanter Übergang bietet uns mehr Sicherheit, als den Launen eines Planeten nachzugeben, der durch die Überschreitung der Treibhausgasemissionen aus dem Gleichgewicht geraten ist.” (hcz)