Griechenland: Ermittlungen zu Spionageskandal eingestellt
Die Ermittlungen zum als “Predatorgate” bezeichneten Spionageskandal in Griechenland wurden eingestellt. Das hat die oberste Staatsanwältin des Landes am Dienstag bekannt gegeben.
Staatsanwältin Georgia Adilini erklärte Medienberichten zufolge, es seien keine Beweise dafür gefunden worden, dass Politiker oder Behörden in den Kauf oder die Verwendung der Spähsoftware Predator involviert gewesen. Das schließe auch den Nachrichtendienst EYP ein, sagte sie. Das Verfahren sei deshalb eingestellt worden.
Beim Abhörskandal in Griechenland konnten Sicherheitsforscher im Jahr 2022 nachweisen, dass das Mobiltelefon des Reporters Thanasis Koukakis mit Predator ausspioniert wurde. Im selben Jahr wurde bekannt, dass auch der Vorsitzende der Oppositionspartei PASOK, Nikos Androulakis, mit der Spähsoftware angegriffen wurde. Androulakis hatte deswegen Anzeige erstattet.
Predator ermöglicht Angreifern, Smartphones komplett zu übernehmen und die darauf gespeicherten Informationen auszulesen. Auch Kamera und Mikrofon lassen sich unbemerkt einschalten sowie der Standort verfolgen.
Unter anderem durch Medienrecherchen war bekannt geworden, dass auch weitere Politiker, Medienschaffende und Unternehmer mit der Spähsoftware angegriffen wurden. Auch eine ehemalige Meta-Angestellte wurde mit der Spähsoftware überwacht.
Regierung hat Verantwortung zurückgewiesen
Die griechische Datenschutzbehörde DPA hatte bei ihrer Untersuchung des Spionageskandals 92 Telefonnummern als Angriffsziele identifiziert. Einige der Betroffenen soll der Geheimdienst auch mit klassischen Telefonüberwachungen abgehört haben – darunter den Oppositionspolitiker Androulakis. Die Telefonüberwachung des Oppositionellen hatte die Regierung eingeräumt und von einem Fehler gesprochen.
Den staatlichen Einsatz der Spionagesoftware hatte Premierminister Kyriakos Mitsotakis jedoch stets bestritten.
Mitsotakis hatte den Geheimdienst nach seinem Amtsantritt 2019 direkt unter seine Verantwortung gestellt. Seinem Neffen Grigoris Dimitriadis hatte er die Aufsicht über den EYP übertragen.
Nachdem bekannt geworden war, dass der PASOK-Chef Androulakis mit Predator angegriffen und vom Geheimdienst abgehört wurde, waren im August 2022 sowohl der damalige Geheimdienstleiter als auch Dimitriadis zurückgetreten. Oppositionspolitiker hatten das damals als Schuldeingeständnis gewertet.
Eine Recherche von internationalen Medien hatte Ende vergangenen Jahres zudem aufgedeckt, dass einige der Spähsoftware-Angriffe in Griechenland offenbar von Dimitriadis Telefonnummer versendet wurden. Ob er die Predator-Nachrichten wirklich versendet hatte, blieb jedoch unklar – gegenüber den Journalisten hatte er jede Beteiligung an den Angriffen zurückgewiesen.
Damals hatte der Spiegel berichtet, die Staatsanwaltschaft in Athen habe in dem Fall ermitteln wollen – doch Griechenlands oberste Staatsanwältin habe ihr den Fall entzogen. Der Spiegel hatte geschrieben, es wirke, als werde damit “die letzte Hoffnung auf eine unabhängige Untersuchung” zunichtegemacht. Denn die oberste Staatsanwältin werde von der Regierung eingesetzt und gelte als linientreu.
Kritik an Entscheidung
Aus der griechischen Opposition kam am Dienstag scharfe Kritik an der Entscheidung, das Verfahren einzustellen. Stefanos Kasselakis, Vorsitzender der Partei Syriza, erklärte etwa, das Vertrauen in die griechische Justiz sei “schwer erschüttert” worden. “Leider deckt sich dies mit dem weit verbreiteten Gefühl in der griechischen Bevölkerung, dass die Justiz nicht mehr die letzte Zuflucht für Geschädigte ist”, fügte er hinzu.
Der PASOK-Vorsitzende Androulakis verlangte im Parlament, die gesamte Untersuchung offenzulegen. Das 300-seitige Gutachten der Staatsanwaltschaft wurde bisher nicht veröffentlicht.
Die niederländische Politikerin Sophie in ’t Veld, die als EU-Abgeordnete Teil eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu Spähsoftware war, übte ebenfalls Kritik. In Hinblick auf die eingestellten Ermittlungen erklärte sie, es handle sich um “de facto Straffreiheit für den zügellosen Missbrauch von Spähsoftware, trotz massiver Beweise für Fehlverhalten und politische Verstrickungen”.
Helene Hahn von Reporter ohne Grenzen (RSF) kritisierte auf Anfrage von Posteo: “Mindestens 13 Medienschaffende wurden mit der invasiven Überwachungssoftware Predator in Griechenland durchleuchtet – journalistische Quellen und vertrauliche Kommunikation untergraben. Die Untersuchung der griechischen Datenschutzbehörde als auch zahlreiche Medienberichte verweisen auf eine anzunehmende Beteiligung griechischer Behörden in diesem Skandal. Unsere Forderung nach einer lückenlosen und unabhängigen Aufklärung wurde nicht einmal ansatzweise erfüllt.” Die Entscheidung sei zutiefst bedauerlich und suggeriere, dass die politisch Verantwortlichen ungestraft davonkommen können.
Anklage gegen Firmenvertreter
Es soll aber ein Strafverfahren gegen vier Vertreter von Unternehmen, die Predator verkauft haben, eingeleitet werden. Ihnen wird einem Bericht zufolge unter anderem vorgeworfen, das Kommunikationsgeheimnis verletzt zu haben. Zu den Betroffenen sollen auch Tal Jonathan Dilian und Sara Aleksandra Hamou zählen.
Wegen ihrer Rollen im Firmenzusammenschluss Intellexa-Konsortium hat das US-Finanzministerium im März Sanktionen gegen sie verhängt. Zu dem Konsortium gehören Firmen wie Intellexa in Griechenland und Irland, die Predator verkaufen, aber auch das in Nordmazedonien ansässige Unternehmen Cytrox AD, das die Spähsoftware entwickelt.
Bereits im Juli 2023 hatte das US-Handelsministerium Sanktionen gegen die Unternehmen Cytrox und Intellexa verhängt. (js)