EU-Parlament stimmt für Ausweitung des CO2-Handels

Heizkraftwerk
Bis ins Jahr 2034 sollen noch kostenlose Zertifikate an Unternehmen vergeben und kaum Bedingungen daran geknüpft werden. (Quelle: IMAGO / Nikito)

Das EU-Parlament hat am Dienstag in Straßburg mit großer Mehrheit für mehrere Klimaschutzgesetze gestimmt. Unter anderem sollen der Emissionshandel reformiert sowie ein CO2-Grenzausgleich und ein Klimasozialfonds eingeführt werden.

Mithilfe der Maßnahmen will die EU ihre Kohlenstoffdioxidemissionen bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990 senken und bis zum Jahr 2050 klimaneutral werden. Die drei Bereiche, über die das EU-Parlament nun abgestimmt hat – der Emissionshandel, der Klimasozialfonds und der CO2-Zoll – gelten als Herzstück des “Fit for 55”-Pakets, das die Europäische Kommission im Sommer 2021 zum Kampf gegen den Klimawandel vorgestellt hatte.

EU-Parlament und Mitgliedsstaaten hatten sich Ende 2022 auf die Pläne geeinigt. Umweltschutzorganisationen wiesen bereits damals darauf hin, dass die geplanten Emissionsreduktionen nach wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht ausreichen werden, um die Erderwärmung unter gefährlichen Werten zu halten. Auf 62 Prozent Reduktion haben sich Parlament, Rat und Kommission in den Sektoren geeinigt, die das Handelssystem umfasst. Die Umweltschutzorganisation WWF spricht von einer Reduktion von mindestens 70 Prozent im Vergleich zu 2005, die nötig wäre, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens einhalten zu können.

Aus für Gratis-Zertifikate

Die Reform des Emissionshandels nahm das Parlament mit 413 zu 167 Stimmen an. Das System wird nun verschärft: Die Zahl der Verschmutzungsrechte soll schneller verringert werden als bislang vorgesehen. Kostenlose Zertifikate für Unternehmen sollen demnach von 2026 bis 2034 schrittweise auslaufen. Zurzeit werden noch gratis Zertifikate ausgeteilt, damit europäische Unternehmen keinen Nachteil gegenüber Produzenten in Drittländern haben.

Vor allem die geringen Kosten der Zertifikate hatten über viele Jahre hinweg Kritik an dem Emissionshandelssystem hervorgerufen. Denn jahrelang hatten die Preise pro Tonne CO2 bei unter 10 Euro gelegen.

Der grüne Verhandlungsführer im EU-Parlament, Michael Bloss, kommentierte: “Die Ära der Gratis-Verschmutzung ist vorbei. Das heißt: Wer klimafreundlich produziert, spart bares Geld.”

Die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch sprach im Zusammenhang mit den kostenlosen Zertifikaten weiterhin von “Gießkannensubventionen, von denen auch Klimabremser profitieren”. Ihre Anzahl müsse schneller reduziert werden. Anne Gläser, Referentin für CO2-Preise bei Germanwatch sagte: “Die EU hat vorerst die Chance verpasst, die unnötigen Geldgeschenke zu beenden und so finanziellen Spielraum für die gezielte Unterstützung des Umbaus der Industrie zu gewinnen.” Generell lobte die Organisation die EU-Pläne aber als “Riesenschritt in Richtung Klimaneutralität” und als “gute Ausgangslage”. Nun müsse an verbliebenen Schwächen gearbeitet werden, damit die Pariser Klimaziele in der EU erreicht werden.

Florian Schöne, der Geschäftsführer des Umweltdachverbands Deutscher Naturschutzring hatte es Ende 2022 als “unverantwortlich” bezeichnet, bis 2034 weiter kostenlose Verschmutzungszertifikate zu verteilen. “Die Einigung […] stärkt die europäische Klimapolitik, ist allerdings nicht genug für das 1,5-Grad-Ziel im Pariser Klimaabkommen”, kritisierte er damals anlässlich der Einigung zwischen Parlament und Mitgliedsstaaten.

Die Umweltschutzorganisation WWF verwies auf Anfrage von Posteo auf seine Stellungnahme zu den Verhandlungen Ende 2022. Damals kritisierte Alex Mason, Experte für Klima und Energie beim WWF: “Das wäre vor zehn oder zwanzig Jahren eine gute Vereinbarung gewesen, aber im Jahr 2022 ist es zu wenig und zu spät. Und es begünstigt große Umweltverschmutzer, statt den Bürgern zu helfen, von teuren fossilen Brennstoffen wegzukommen, indem es weiterhin Milliarden an freien Emissionszertifikaten verteilt und kaum Bedingungen daran knüpft.”

Auch die Treibhausgasemissionen aus der Schifffahrt werden künftig beim Emissionshandel berücksichtigt. Das System soll zudem spätestens 2028 auf das Heizen von Gebäuden und den Straßenverkehr ausgeweitet werden.

Das Emissionshandelssystem für den Luftverkehr wird dahingehend überarbeitet, dass kostenlose Zertifikate für diesen Sektor bis 2026 schrittweise eingestellt werden. Der Einsatz nachhaltiger Flugkraftstoffe soll von 2024 bis 2030 gefördert werden.

CO2-Zoll für Importe

Auch Produzenten im Ausland sollen künftig für den Ausstoß von CO2 zahlen, wenn sie ihre Waren in der EU verkaufen wollen. Mit 487 zu 81 Stimmen stimmte das Parlament für einen sogenannten CO2-Grenzausgleich, der ab 2034 vollständig gelten soll. Dieses System soll Nicht-EU-Länder motivieren, ihre Klimaschutzziele höherzustecken. Es soll auch dafür sorgen, dass Klimaschutzbemühungen nicht untergraben werden, indem die Produktion aus der EU in Staaten mit laxeren Vorschriften verlagert wird.

Die Regeln gelten etwa für Eisen, Stahl, Zement und Aluminium, aber auch für Düngemittel, Elektrizität und Wasserstoff. Wer diese Waren einführen will, muss die Differenz zwischen dem im Produktionsland gezahlten CO2-Preis und dem höheren Preis der CO2-Zertifikate im EU-Emissionshandelssystem ausgleichen. Das Grenzausgleichssystem wird zwischen 2026 und 2034 mit der gleichen Geschwindigkeit schrittweise eingeführt, mit der die kostenlosen Zertifikate im Emissionshandelssystem der EU schrittweise auslaufen.

Germanwatch-Referentin Gläser sieht in dem Grenzausgleich einen wirkungsvollen Anreiz für EU-Handelspartner, ihre Industrie klimafreundlich umzubauen. “Was allerdings noch fehlt, ist das unmissverständliche Signal der EU an die internationalen Handelspartner: Wir lassen euch bei dieser Herausforderung nicht allein”, sagte Gläser. So solle mindestens ein Teil der Einnahmen aus dem Ausgleich dafür genutzt werden, wirtschaftlich schwächere Handelspartnerländer bei der Transformation ihrer Wirtschaft zu unterstützen.

Klimasozialfonds soll für Ausgleich sorgen

Höhere Kosten für Verbraucher durch die Energiewende, wie steigende Heizkosten, sollen ab 2026 durch einen Fonds über 86,7 Milliarden Euro abgefangen werden. Mit 521 zu 75 Stimmen einigten sich die Parlamentarier darauf, damit Haushalte zu entlasten oder Investitionen, etwa in effizientere Gebäude oder öffentliche Verkehrsmittel, zu finanzieren. Profitieren sollen finanziell schwächere Haushalte, Kleinstunternehmen und Verkehrsnutzerinnen und nutzer, die besonders stark unter hohen Energie und Verkehrspreisen leiden.

Gefördert werden nur Maßnahmen und Investitionen, die den Grundsatz “keinen erheblichen Schaden anrichten” beachten und darauf abzielen, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern, hieß es Ende 2022 vom Parlament. Nach Rücksprache unter anderem mit lokalen und regionalen Behörden sollen die Mitgliedsländer sogenannte Sozialklimapläne vorlegen, in denen die geplanten Initiativen zusammengefasst werden.

Der Fonds soll 2026 starten und mit einem geschätzten Gesamtvolumen von 86,7 Milliarden Euro zu drei Vierteln durch Einnahmen aus dem Emissionshandel und zu einem Viertel durch die Mitgliedstaaten gespeist werden. Ursprünglich hatte die Bundesregierung die Einführung eines Klimasozialfonds als Ausgleich für die Einführung eines neuen Emissionshandels für Haushalte blockiert.

Die EU-Staaten müssen den Plänen noch zustimmen, was aber als Formsache gilt. Anschließend werden sie im Amtsblatt der EU veröffentlicht und treten 20 Tage später in Kraft. Die Mitgliedsstaaten müssen die Beschlüsse dann in nationales Recht umsetzen. (dpa / hcz)