EU einigt sich auf großes Klimaschutzpaket

Flugzeuge
Ab 2026 soll die Luftverkehrsbranche keine kostenlosen Emissionszertifikate mehr erhalten. (Quelle: IMAGO / NurPhoto)

Unternehmen und Verbraucher in der EU müssen künftig häufiger und mehr für den Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid (CO2) zahlen. Unterhändler des EU-Parlaments und der Staaten verständigten sich am frühen Sonntagmorgen nach schwierigen Verhandlungen auf eine Reform des Emissionshandels. 

Der Emissionshandel stellt das Herzstück des EU-Klimapakets “Fit for 55” dar und soll einen Anreiz schaffen, CO2-Emissionen zu reduzieren – und von fossilen Energieträgern wie Gas oder Öl auf erneuerbare Energien umzusteigen. Bislang müssen etwa Stromproduzenten und die Industrie Verschmutzungszertifikate vorweisen, um CO2 auszustoßen zu dürfen. 

Die Zahl der Verschmutzungsrechte im Umlauf soll nun schneller verringert werden als bislang vorgesehen. Dadurch soll der CO2-Preis steigen und es teurer werden, klimaschädliche Gase auszustoßen. Zudem soll das System ab 2027 auf den Straßenverkehr und das Heizen von Gebäuden ausgeweitet werden.

Für 1,5 Grad reicht es nicht

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nannte die beschlossene Reform einen “Durchbruch für den Klimaschutz”. Die Beschlüsse seien zentral, um die EU unabhängiger von fossilen Energien zu machen.

Florian Schöne, Geschäftsführer des Umweltdachverbands Deutscher Naturschutzring kritisierte: “Die Einigung […] stärkt die europäische Klimapolitik, ist allerdings nicht genug für das 1,5-Grad-Ziel im Pariser Klimaabkommen.” Lobenswert sei, dass Mitgliedstaaten künftig alle Einnahmen im Emissionshandel für den Klimaschutz verwenden müssen.

Unverantwortlich sei jedoch die Verteilung kostenloser Verschmutzungszertifikate bis 2034. Außerdem sei der geplante Klima-Sozialfonds auf Druck Deutschlands zu klein ausgefallen.

Der Klimaforscher Ottmar Edenhofer wertete das EU-Klimaschutzpaket am Montag im Deutschlandfunk als “echten Durchbruch”. Wichtig sei, dass man mit dem Emissionshandel für Industrie und Stromsektor, einem zweiten Emissionshandel für Gebäude und Verkehr sowie mit einem Klimasozialfonds nun Instrumente habe. Diese könne man später nachschärfen und müsse dies auch tun.

Fonds für Hilfsbedürftige

Das Zertifikatsystem soll ab dem Jahr 2027 auf das Heizen von Gebäuden und den Straßenverkehr ausgeweitet werden. Lieferanten von Gas oder Benzin müssen dann Verschmutzungszertifikate kaufen, wodurch sich voraussichtlich der Benzin- und Gaspreis erhöht. 

Das soll einen Anreiz für das klimafreundlichere Heizen mit Wärmepumpen oder den Umstieg auf E-Mobilität schaffen. Sind die Energiepreise besonders hoch, kann die Einführung jedoch um ein Jahr verschoben werden, um etwa Verbraucher nicht zu sehr zu belasten.

Höhere Kosten für Verbraucher sollen durch einen neuen Fonds über 86,7 Milliarden Euro abgefangen werden. Damit sollen schutzbedürftige Haushalte und Kleinstunternehmen entlastet und Investitionen, zum Beispiel in effizientere Gebäude oder öffentliche Verkehrsmittel, finanziert werden. Der Fonds soll durch Einnahmen aus dem Emissionshandel und teilweise durch die Mitgliedstaaten gespeist werden.

Für deutsche Verbraucher dürfte sich grundsätzlich wenig an den Preisen ändern: Ein ähnliches Emissionshandelssystem für Gebäude und Verkehr gilt in Deutschland bereits seit 2021. Offen ist, wie das deutsche System, das teils ehrgeiziger als das EU-weite ist, darin integriert werden soll.

Weniger kostenlose Verschmutzungsrechte

Besonders kontrovers wurde darüber verhandelt, wie lange Firmen noch weiter kostenlos CO2 ausstoßen dürfen. Zurzeit werden noch gratis Zertifikate ausgeteilt, damit europäische Unternehmen keinen Nachteil gegenüber Produzenten in Drittländern haben. Kostenlose Zertifikate für Firmen sollen nun bis 2034 schrittweise weitgehend auslaufen. Unternehmen, die sich bei der Energiewende nicht anstrengen, müssen kostenlose Zertifikate abgeben.

Ab 2034 sollen dann stärkere Schutzmechanismen für europäische Unternehmen greifen. So sollen auch Produzenten im Ausland für den Ausstoß von CO2 zahlen, wenn sie ihre Ware in der EU verkaufen wollen – durch einen sogenannten CO2-Grenzausgleich, der ab 2034 vollständig gelten soll. Auf diesen Mechanismus hatten sich Unterhändler bereits Anfang der Woche im Grundsatz geeinigt.

Die EU-Unterhändler hatten sich zuvor zudem darauf verständigt, auch den Luft- und Seeverkehr in den Emissionshandel aufzunehmen. Bislang galt das Emissionshandelssystem nur für Flüge innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR), um Benachteiligung von EU-Unternehmen zu vermeiden.

Die Schifffahrt soll schrittweise in das Zertifikatssystem eingeführt werden: Ab 2024 müssen 40 Prozent der Emissionen gedeckt werde, 70 Prozent im ab 2025 und 100 Prozent ab 2026.

Ziel Klimaneutralität

Die EU hat sich vorgenommen, den Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen wie CO2 bis 2030 um 55 Prozent zu verringern im Vergleich zu 1990. Bis 2050 will die Union klimaneutral werden – also nur noch soviel CO2 ausstoßen, wie auch wieder gebunden werden kann. 

Damit wollen die Staaten die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens einhalten und die Erwärmung des Klimas auf möglichst 1,5 Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit begrenzen. 

Die Einigung muss noch vom EU-Parlament und den Staaten offiziell bestätigt werden – das gilt normalerweise als Formsache. Eine Abstimmung soll nicht vor dem Jahreswechsel stattfinden. Die Bundesregierung hatte während der Verhandlungen unter anderem beim Auslaufen der kostenlosen Zertifikate für die Industrie Bedenken, wie es von Verhandlungsteilnehmern hieß. 

EU-Staaten wollen Methanemissionen verhindern

Die EU-Staaten einigten sich auch auf neue Vorgaben zu Methanemissionen in der Öl-, Gas- und Kohleindustrie. Methan trägt nach Kohlendioxid am zweitstärksten zur Klimaerwärmung und Luftverschmutzung bei. Es ist für etwa 30 Prozent der derzeitigen globalen Erwärmung verantwortlich.

Am Montag verständigten sich die Energieminister der Mitgliedstaaten auf eine Verhandlungsposition für ein entsprechendes Gesetz. Demnach sollen Betreiber Methanemissionen, etwa aus Kohlegruben oder Öl- und Gasquellen, künftig melden. Das Lüften oder Abfackeln, wobei Methan in die Atmosphäre freigesetzt wird, soll verboten werden. Die EU-Staaten müssen über das Vorhaben noch mit dem EU-Parlament verhandeln, bevor es in Kraft treten kann. (dpa / hcz)