EU-Renaturierungsgesetz tritt in Kraft

Alter Flugplatz
Wie hier der Alte Flugplatz in Frankfurt-Bonames sollen künftig mehr Flächen in Europa entsiegelt und renaturiert werden.(Quelle: S. Kasten – CC BY-SA 3.0)

Das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur ist am Sonntag EU-weit in Kraft getreten. Es soll dazu beitragen, Schäden an der Natur rückgängig zu machen und langfristig sowie nachhaltig die Ökosysteme stärken und den Artenschutz unterstützen.

Im Kern verpflichtet es die Mitgliedsstaaten zum Erstellen eines nationalen Wiederherstellungsplans, mit dem sichergestellt werden soll, dass eine kontinuierliche Verbesserung des Zustands der Ökosysteme erreicht wird. Welche Schutzmaßnahmen sie dafür ergreifen, überlässt das Gesetz den Mitgliedsstaaten.

Die EU-Kommission verspricht sich von dem Gesetz, dass es einen “Prozess zur kontinuierlichen und nachhaltigen Wiederherstellung der Natur auf dem Land und im Meer der EU in Gang” setzt. Die Maßnahmen sollen zusätzlich die Klimaschutzziele verwirklichen und die Ernährungssicherheit verbessern. Dem Bundesumweltministerium zufolge befinden sich 80 Prozent der Ökosysteme in Europa derzeit in einem schlechten Zustand.

Das Gesetz tritt ab sofort in Kraft, ohne dass es erst in nationales Recht “übersetzt” werden muss – da es sich um einen Rechtsakt und keine EU-Richtlinie handelt. Die Mitgliedsstaaten haben nun zwei Jahre Zeit, nationale Wiederherstellungspläne vorzulegen. Sie müssen anschließend angewendet, fortlaufend aktualisiert und weiterentwickelt werden. Eine erste Überarbeitung muss im Jahr 2032 erfolgen.

Zielvorgaben

Im Detail müssen die Mitgliedsstaaten entsprechende Wiederherstellungsmaßnahmen als Unionsziel für alle Flächen und Ökosysteme “bis zum Jahr 2030 auf mindestens 20 Prozent der Land- und Meeresfläche” anwenden – bis 2050 auf “alle Ökosysteme, die der Wiederherstellung bedürfen”.

Zu den im Gesetz genannten Flächen zählen Feuchtgebiete (Moore und Feuchtwälder), Grünland und sonstige Weidelebensräume (Grasland und Wiesen), Flüsse, Seen, Auen- und Uferlebensräume, Wälder, Steppen, Heiden und Buschflächen sowie felsige Lebensräume (Küsten, Strände und Inseln) und die Meere. Aber auch in Städten müssen passende Maßnahmen ergriffen werden.

So sollen beispielsweise Wälder aufgeforstet und Moore wiedervernässt werden, um etwa die Artenvielfalt zu verbessern und die CO2-Aufnahme zu erhöhen. Die Internationale Gruppe zur Erhaltung der Moore (IMCG) schätzt, dass etwa 50 Prozent der Moorflächen in der EU für die land- und forstwirtschaftliche Nutzung sowie für den Torfabbau entwässert sind. Derzeit sei fast die Hälfte aller Wildbienenarten gefährdet und mehr als ein Drittel der Schwebfliegenarten in Europa vom Aussterben bedroht.

Die Renaturierung von Flussbetten, deren Befestigung und Anbindung an Auen könnten zukünftig Hochwasser abmildern, weil Auen Hochwasserspitzen abfangen. Mehr Uferbepflanzung könnte zudem Wasser langfristig speichern und Dürren entschärfen. EU-weit sollen dem Gesetz zufolge 25.000 Kilometer frei fließende Flüsse wiederhergestellt werden.

Städte könnten gekühlt und die Luftqualität verbessert werden, indem versiegelte Flächen aufgebrochen und begrünt werden. Dächer und Hauswände würden sich dafür ebenfalls anbieten und die steigenden Temperaturen aufgrund des Klimawandels teilweise ausgleichen. Ab 2030 sollen in Städten die Grünflächen und Bäume nicht weiter mehr reduziert werden.

Die neue Regelung soll dazu beitragen, dass die Mitgliedstaaten ihre Wiederherstellungsziele erreichen, zu denen sie sich im Rahmen des Globalen Biodiversitätsrahmens im Dezember 2022 auf der UN-Biodiversitätskonferenz COP15 verpflichtet haben.

Erfolgreicher Kompromiss

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Die Grünen) hatte das Gesetz nach der finalen Abstimmung im Ministerrat Mitte Juni als “ein Beispiel für die Kompromissfähigkeit der europäischen Staaten und ein Beleg für die gemeinsame Verantwortung” bezeichnet. Die Verordnung zur Wiederherstellung der Natur sei ein entscheidender Schritt, um in Europa eine intakte Natur zu erhalten, sowohl an Land als auch im Meer.

Die Umweltschutzorganisation NABU hatte erklärt, die Wiederherstellung sei zwar schon immer ein integraler Bestandteil des Naturschutzes gewesen, doch sei sie häufig nur unverbindlich und ohne klare Zielsetzung umgesetzt worden. “Genau diese Lücke schließt nun das ‘Nature Restoration Law’ der EU”, so die Umweltschützer. Das Gesetz lasse den Mitgliedsstaaten ausreichend Freiheit bei der Umsetzung, weil es hauptsächlich Ziele und keine detaillierten Maßnahmen vorgibt.

Vorausgegangene Debatte

Die Kommission hatte die Verordnung über die Wiederherstellung der Natur im Juni 2022 vorgeschlagen.
Das Gesetz war vor Verabschiedung heftig diskutiert worden. Es hatte das EU-Parlament Mitte Juli nur mit knapper Mehrheit passiert – aufgrund eines Kurswechsels Österreichs.

Zuvor hatten sich vor allem große Landwirtschaftsverbände gegen die Regelungen ausgesprochen, wobei sie die Mitte-Rechts-Fraktion EVP und Teile der Liberalen und Rechtsnationalen im Parlament unterstützten. Landwirte sollten ursprünglich festgelegte Flächen ihres Landes für umweltfreundliche Maßnahmen zur Verfügung zu stellen, wiesen aber auf mögliche Einschränkungen für die Agrarwirtschaft hin – daraufhin wurde der Passus aus dem Gesetz gestrichen. Umweltschutzorganisationen, Wissenschaftler, kleinere Bauernorganisationen und Unternehmen hatten das Gesetz von Beginn an befürwortet.

Trotz der Debatten und Abschwächungen im Verhandlungsprozess wurde das Gesetz von Umweltschutzorganisationen positiv aufgenommen. Kathrin Samson vom World Wide Fund For Nature (WWF) sagte: “In Deutschland liegt es jetzt an der aktuellen und kommenden Bundesregierung, aus dieser Chance eine Erfolgsstory zu machen.” (hcz)