Iranische Nobelpreisträgerin im Gefängnis misshandelt
Die Menschenrechtsaktivistin Narges Mohammadi wurde in einem iranischen Gefängnis von Aufsehern geschlagen, nachdem sie Proteste gegen die Todesstrafe angeführt hatte. Die notwendige Behandlung im Krankenhaus soll ihr verwehrt worden sein.
Wie die New York Times nun unter Berufung auf Mohammadis Anwalt berichtet, ereignete sich der Vorfall bereits am 6. August. Mohammadi hatte demnach gemeinsam mit weiteren Gefängnisinsassen gegen die geplante Hinrichtung des Kurden Reza Rasaei protestiert, der im Zusammenhang mit den im Jahr 2022 ausgebrochenen Massenprotesten im Iran verhaftet und verurteilt wurde.
Anwesende Geheimdienstmitarbeiter hatten dem Bericht zufolge zunächst versucht, den Protest im Gefängnishof der Haftanstalt zu unterdrücken. Anschließend hätten Aufseher die Frauen geschlagen und sie gewaltsam in ihre Zellen zurückgedrängt.
Mehrere Frauen seien zusammengebrochen oder verletzt worden – darunter auch Mohammadi, die an Herzproblemen leidet. Ihr im französischen Exil lebender Ehemann, Taghi Rahmani, sagte gegenüber der New York Times, die Betroffenen seien auf der Krankenstation des Gefängnisses behandelt worden. Der dortige Arzt habe angeordnet, dass Narges Mohammadi ins Krankenhaus verlegt wird – das habe man ihr verwehrt.
Ihr Ehemann sagte gegenüber der Zeitung: “Ich habe große Angst um sie, da ich das alles von außen beobachte und weiß, unter welchem körperlichen und emotionalen Stress Narges steht.” Seine Frau genieße nun hohes internationales Ansehen und werde von den Behörden im Iran absichtlich bestraft.
Die iranische Gefängnisorganisation hat die Übergriffe bestritten.
Friedensnobelpreis für Engagement
Die 52-jährige Narges Mohammadi ist bereits seit November 2021 im berüchtigten Ewin-Gefängnis in Teheran eingesperrt. In den vergangenen Monaten war sie zu zwei weiteren Haftstrafen verurteilt worden – in Höhe von 15 Monaten und einem Jahr, jeweils wegen angeblicher “Propaganda gegen den Staat”.
Bekannt ist die Aktivistin für ihren Einsatz gegen den Kopftuchzwang und die Todesstrafe. In einem Interview aus dem Jahr 2021 hatte Mohammadi erklärt: “Mein Einsatz für die Abschaffung der Todesstrafe ist den Behörden ein Dorn im Auge. Die Todesstrafe ist für sie das wichtigste Instrument zur Unterdrückung und Einschüchterung der Zivilgesellschaft. Wer sich für die Abschaffung der Todesstrafe einsetzt, den sehen sie als Feind.”
Die Justiz gehe vor allem deshalb so hart gegen sie vor, weil sie eine Frau sei, “die sich nicht beugt”. In der Islamischen Republik Iran würden Frauen bereits seit der Gründung im Jahr 1979 unterdrückt.
Im Jahr 2023 war sie für ihr Engagement für Frauenrechte mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden.
Einsatz für Menschenrechte aus dem Gefängnis
Selbst im Gefängnis hat sie ihr Engagement nicht eingestellt und sich beispielsweise mit den Massendemonstrationen im Herbst 2022 solidarisiert. Als Reaktion auf den Tod der jungen Kurdin Mahsa Amini waren im September 2022 landesweit regimekritische Proteste ausgebrochen.
Im Dezember 2022 beschrieb Mohammadi in einem Brief an die BBC, wie bei den Demonstrationen festgenommene Frauen in der Haft misshandelt wurden.
Ihr Anwalt berichtete nun gegenüber der New York Times, seine Mandantin dürfe seit Monaten keine Anrufe mehr tätigen und keinen Besuch ihrer Familie oder ihres Anwalts empfangen. Über die aktuellen Vorkommnisse hätten ihn Mitgefangene informiert, die weniger strengen Auflagen unterliegen.
Bereits vor dem gewaltsam beendeten Protest sollen Mohammadi und Mitgefangene Anfang August gegen die Todesstrafe protestiert haben.
Hunderte Hinrichtungen
Der Iran hatte vor knapp zwei Wochen 29 Menschen an nur einem Tag hinrichten lassen. Einen Tag zuvor war auch der Demonstrant Reza Rasaei exekutiert worden – gegen dessen Hinrichtung sich der Protest im Gefängnis gerichtet hatte.
Die Behörden hatten ihm vorgeworfen, bei den Protesten ein Mitglied der Revolutionsgarden erstochen zu haben. Menschenrechtler hingegen kritisieren, er sei in einem unfairen Prozess zum Tode verurteilt worden. Das Gericht habe sich auf ein erzwungenes Geständnis gestützt – er sei im Gefängnis gefoltert worden.
Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, hatte von einer “alarmierend hohen Anzahl an Hinrichtungen in so kurzer Zeit” gesprochen. Das UN-Menschenrechtsbüro habe zudem 38 Hinrichtungen im Juli registriert. Damit seien im Iran in diesem Jahr bereits mindestens 345 Menschen vom Staat getötet worden – darunter auch 15 Frauen.
Türk konstatierte: “Es ist an der Zeit, dass sich der Iran dem wachsenden weltweiten Konsens zur Abschaffung der Todesstrafe anschließt, indem er ein Moratorium für Hinrichtungen verhängt, mit dem Ziel, die Todesstrafe endgültig abzuschaffen.” (js)