Fairphone 3: Das Smartphone zum selber Reparieren

Das Fairphone 3
Sicherlich gibt es gleichwertig ausgestattete Smartphones, die preiswerter sind. Doch beim Fairphone 3 wird ein halbwegs gutes Gewissen versprochen.

Mit Sicht auf die Nachhaltigkeit ist die Handy-Industrie nicht ganz unproblematisch. Jedes Jahr kommen Hunderte neue Modelle mit winzigsten Pseudo-Innovationen auf den Markt. Woher Bauteile und die dafür nötigen Rohstoffe stammen, ist oft unklar oder der Weg führt in Richtung Krisengebiete. Zudem wird seit Jahren darüber diskutiert, wie Zulieferer und ihre Angestellten behandelt werden und ob sie angemessen bezahlt werden.

Die niederländische Firma Fairphone hat sich auf die Fahne geschrieben, diese Probleme zu lösen und will ab sofort mit dem Fairphone 3 ein Smartphone anbieten, dessen Produktion sich nicht ganz so negativ auf Umwelt, Arbeiter und schlussendlich den Kunden auswirkt. Wir haben uns das Gerät näher angeschaut.

Ein Werkzeug für alles

Es fängt damit an, dass das Fairphone 3 größtenteils anders aufgebaut ist als viele moderne Konkurrenzmodelle. Praktisch alle Baugruppen sind austauschbar – und zwar nicht nur von einer professionellen Reparaturwerkstatt, sondern auch von Laien beziehungsweise dem Besitzer. Dem Fairphone 3 liegt ein einfaches Werkzeug bei, das auf der einen Seite einen Schraubendreher hat und auf der anderen einen Spachtel. Ersterer passt auf alle entfernbaren Schrauben des Geräts. Da die Schrauben alle den gleichen Kopf haben und in ihren Maßen identisch sind, läuft man beim Öffnen des Geräts nicht Gefahr, Schrauben zu vertauschen. Der Spachtel des Werkzeugs dient dazu, das Gehäuse zu öffnen, Kabelverbindungen zu lösen und Module aus dem Gehäuse zu heben.

Das Fairphone 3 geöffnet
Ein Werkzeug reicht aus, um das Fairphone 3 komplett zu zerlegen. Es wird mitgeliefert.

Das gesamte Fairphone 3 ist modular aufgebaut. Der Touchscreen bildet beispielsweise ein Modul, die Kamera mit Fotolicht und dem Kopfhöreranschluss ein anderes. Die Module sitzen jeweils in einem eigenen Gehäuse, das nicht dazu vorgesehen ist, vom Kunden geöffnet zu werden. Um die Module auszutauschen, muss die Nutzerin oder der Nutzer das Gehäuse öffnen, Schrauben herausdrehen und eine Kabelverbindung lösen. Das ist in den meisten Fällen in weniger als zehn Minuten erledigt.

Niedrige Preise für Ersatzteile

Die Module des Fairphone 3 kann man online im Hersteller-Shop nachbestellen. Es sind deutlich mehr als noch bei den Vorgängermodellen – wobei diese weiterhin versorgt werden. So kann man unter anderem den Akku, das Display und die Hauptkamera nachbestellen, aber auch beispielsweise die Module mit USB- oder Kopfhöreranschluss – beides Teile, die gerne nach jahrelanger Benutzung zu Bruch gehen.

Die Bauteile des Fairphone 3
Die Bauteile des Fairphone 3 sind in Module gruppiert und alle einzeln nachbestellbar.

Die Preise der Ersatzteile liegen zwischen 20 und 50 Euro, das Display bildet mit 90 Euro eine Ausnahme. Auf den ersten Blick sind die Preise recht fair veranschlagt; vor allem wenn man bedenkt, dass andere Hersteller teils mehrere Hundert Euro für ähnliche Ersatzteile verlangen. Zudem spart man das Geld für den Austausch, da der Kunde fast alle Teile recht einfach selbst tauschen kann.

Mehr Schrauben, aber robuster

Wir haben selbst Hand an das Gerät gelegt und brauchten nicht einmal eine Viertelstunde, um es komplett zu zerlegen und wieder (funktionsfähig) zusammenzubauen. Zudem waren die Arbeitsschritte so einfach, dass ein Großteil der Smartphone-Nutzer ohne Probleme Teile des Smartphones tauschen kann. Technische Vorkenntnisse sind nicht nötig.

Einige Blogs kritisierten, dass das Fairphone 3 nun schwerer zu reparieren sei als der Vorgänger, weil beispielsweise Schrauben gelöst werden müssen, um das Display zu entnehmen. Beim Fairphone 2 konnte man den Bildschirm werkzeuglos aus dem Gehäuse schieben. Laut Hersteller führte das aber dazu, dass einige Nutzer dies deutlich häufiger taten, als vorgesehen. Das Bauteil nahm dadurch Schaden und entwickelte einen Wackelkontakt. Zwar braucht man beim neuen Modell ein Werkzeug, um den Bildschirm zu tauschen, dafür ist der Mechanismus aber deutlich robuster.

Auch der Akku ist einfach zu entnehmen. Das hat den Vorteil, dass beispielsweise eine Powerbank, also ein zusätzlicher externer Akku, praktisch überflüssig wird. Stattdessen kann man für 30 Euro einen zweiten – oder dritten – Akku dazubestellen. Dieser ist auch deutlich kompakter als eine ähnlich leistungsfähige Powerbank.

Demontage und Montage des Fairphone 3 im Zeitraffer

Rohstoffe und Arbeitsbedingungen

Im Smartphone stecken jede Menge Edelmetalle und sogenannte Seltene Erden. Auch Fairphone kann darauf nicht verzichten, versucht diese aber möglichst sozialverträglich zu beschaffen. Dazu müsste im Idealfall die gesamte Lieferkette überwacht werden – was sich bereits beim ersten Fairphone als eine der größten Herausforderungen herausgestellt hat.

Am weitesten ist Fairphone mit seinen Zielen wohl beim Gold. Der Großteil des Rohstoffs stammt aus Fairtrade-zertifizierten Kleinstminen. Das Zinn stammt aus kleinen, konfliktfreien Minen der Republik Kongo. Außerdem werde daran gearbeitet, recyceltes Zinn zu nutzen. Gleiches gilt für Kupfer, das besonders leicht wiederzuverwenden sei. Dazu sammelt Fairphone unter anderem ausrangierte Smartphones. Für Materialien wie Lithium (für den Akku), Cobalt und Seltene Erden suche Fairphone noch nach passenden Partnern und Versorgungsmöglichkeiten. Der für die Geräte verwendete Kunststoff stamme momentan zu 50 Prozent aus recycelten Produkten. Nähere Informationen zu Rohstoffen stellt Fairphone auf seiner Homepage bereit. Über die Umweltverträglichkeit der erwähnten Minen macht Fairphone allerdings keine Angaben. Hier stehen faire Arbeitsbedingungen im Vordergrund.

Die Endfertigung des Fairphone 3 erledigt die taiwanesische Firma Arima, die Werke in China betreibt. Laut Fairphone hätte die Firma unter anderem deswegen Interesse an einer Zusammenarbeit, um dauerhaft die Zufriedenheit der Mitarbeiter zu steigern und die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Zusammen hätten die Unternehmen drei Jahre lang jeweils 100.000 US-Dollar in Projekte investiert, die auf dem Input der Angestellten basierten. Unter anderem ginge von jedem verkauften Fairphone 1,50 Euro als direkter Bonus an die Angestellten, um deren Lebenshaltungskosten zu decken. Das Geld werde unter allen Mitarbeitern aufgeteilt und nicht nur unter denjenigen, die am Fairphone arbeiten.

Kein Netzteil mitgeliefert

Was ungewöhnlicherweise im Lieferumfang nicht enthalten ist, sind ein Netzteil und ein USB-Kabel. Allerdings kann man diese bei der Bestellung für jeweils 20 Euro dazubestellen. Aus nachhaltiger Sicht ist dieser Schritt absolut nachvollziehbar: In den meisten Haushalten sind USB-Netzteile mittlerweile zur Genüge vorhanden. Denn jeder, der schon mal ein Smartphone oder modernes Tablet besessen hat, ist normalerweise bereits im Besitz der Auflade-Hardware.

Einen ähnlichen Schritt ging bereits Motorola vor ein paar Jahren und legte aus Umweltschutzgründen seinen Smartphones keine Kabel und Netzteile mehr bei. Allerdings wurde diese Praxis aus ungenannten Gründen wieder aufgegeben.

Knackpunkt könnte momentan noch das fürs Fairphone 3 nötige USB-C-Kabel sein. Der Hersteller hat eine moderne USB-C-Buchse zum Aufladen eingebaut. Mit Blick in die Zukunft ist das ein sinnvoller Schritt: Denn die neue Schnittstelle wird auf kurz oder lang den alten Standard Micro-USB ablösen und ist jetzt schon in einem Großteil moderner Smartphones und teurerer Notebooks zu finden. Unter anderem bieten die Stecker den Vorteil, dass es egal ist, wie rum man sie einsteckt – ähnlich wie bei Apple Lightning.

Das Problem besteht darin, dass ein entsprechendes Kabel nicht in jedem Haushalt vorhanden sein dürfte. Unter Umständen müssen also mehr Kunden ein Ladekabel zum Fairphone 3 dazukaufen, als es noch bei den Vorgängermodellen mit Micro-USB der Fall war. Wer nicht 20 Euro bei Fairphone dafür ausgeben möchte, findet bei anderen Online-Händlern halb so teure, aber weniger hochwertige Exemplare.

Ausstattung

Fairphone hat ein paar Besonderheiten in das Gerät eingebaut, die heute nicht mehr selbstverständlich sind: Da wäre beispielsweise die klassische Kopfhörerbuchse (3,5-mm-Klinke), die in immer weniger Geräten zu finden ist, weil die meisten Hersteller auf USB- oder kabellose Bluetooth-Kopfhörer setzen. Das schränkt die Auswahl an Zubehör ein. Der austauschbare Akku ist ebenso eine absolute Seltenheit (geworden).

Die restliche Ausstattung des Fairphone 3 ist die eines typischen Smartphones aus der Mittelklasse. Es ist für alle Aufgaben gerüstet – ohne Einschränkungen kann man im Netz surfen, fotografieren, Videos streamen oder gar 3D-Spiele spielen. Der Prozessor beziehungsweise das System-on-a-Chip (SoC) “Qualcomm Snapdragon 632” bietet genug Leistung mit insgesamt acht Rechenkernen und einem schnellen Grafikchip.

Während unseres Kurztests lief die Android-Bedienoberfläche völlig verzögerungsfrei und Apps starteten prompt. Unter anderem dürfte das auch an dem 4 GByte Arbeitsspeicher liegen. Zwar ist das Fairphone damit nicht übermäßig gut ausgestattet, momentan gibt es aber auch kaum einen Grund, mehr einzubauen.

Ähnliches gilt für den Flash-Speicher, also quasi die Festplatte des Smartphones, auf dem Apps, Fotos und Medien gespeichert werden. Der Hersteller hat 64 GByte eingebaut, von denen etwa 13 GByte auf unserem Testgerät vom Betriebssystem belegt waren. Für die meisten Nutzer dürfte diese Menge ausreichen. Braucht man dennoch mehr, kann man eine Speicherkarte (MicroSDXC) ins Gerät schieben. Diese sind beispielsweise mit 128 GByte für rund 20 Euro erhältlich. Außer der Speicherkarte lassen sich dank Dual-SIM-Funktion zwei SIM-Karten gleichzeitig verwenden.

Display und Gehäuse

Das Display hat eine Diagonale von 5,65 Zoll und zeigt eine erweiterte Full-HD-Auflösung im 18:9-Format (2160 × 1080 Pixel). Das reichte im Kurztest für eine absolut scharfe Darstellung. Durch das größere Display wächst das gesamte Gerät ein wenig und dürfte mit fast 16 Zentimeter Länge nicht mehr in jeder Hosentasche Platz finden. Im Kurztest fiel auf, dass das Gerät mit fast 1 Zentimeter deutlich dicker ist als andere aktuelle Smartphones. Das ist allerdings eher ein ästhetisches Problem.

Dafür ist der Akku auf 3000 mAh angewachsen. Das sollte bei durchschnittlicher Nutzung mindestens für einen ganzen Tag Betrieb ohne Nachladen reichen, bei sparsamem Gebrauch auch für eineinhalb Tage. Das Gehäuse ist nach Schutzart IP57 zertifiziert. Das bedeutet, dass das Fairphone gegen Staub geschützt ist und man es zeitweilig unter Wasser tauchen kann, ohne dass es Schaden nimmt. Das Display schützt kratzresistentes Gorilla Glas 5.

Als Betriebssystem kommt das aktuelle Android 9 zum Einsatz. Außer den obligatorischen Google-Apps, sind keine zusätzlichen Programme vom Hersteller installiert – sogenannte Bloatware. Auf unserem Testgerät war die Android-Sicherheitspatch von diesem August installiert.

Am Fairphone 2 wurde Kritik geäußert, weil es nur bis Android 7.1 aktualisiert wurde. Grund waren unter anderem fehlende Treiber der Hardware-Zulieferer. Die wichtigeren Sicherheits-Patches werden aber bis heute geliefert. Fairphone verspricht, die Software fünf Jahre lang mit Updates zu versorgen.

Preise und Erscheinungsdatum

Das Fairphone 3 kann man ab sofort für 450 Euro im Online-Shop des Herstellers und beim Mobilfunk-Provider mobilcom-debitel vorbestellen. Die ersten Geräte sollen ab dem 3. September ausgeliefert werden. Zurzeit ist das Gerät nur in Europa erhältlich.

Ein Großteil der Vorgängermodelle ging nach Deutschland. Laut CEO Eva Gouwens habe die Firma insgesamt 170.000 Fairphone 1 und 2 verkauft. In diesem Jahr plant Fairphone rund 40.000 Fairphone 3 zu verkaufen. Zum Vergleich: Apple verkauft mehr als 860.000 iPhones am Tag. (hcz)