Fehlerhafte Vorratsdatenspeicherung stürzt dänische Justiz in Krise

Justizminister Nick Hækkerup
Der dänische Justizminister Nick Hækkerup sieht das Vertrauen in das Rechtssystem gefährdet. justitsministeriet.dk

Dänemarks Generalstaatsanwalt hat angeordnet, dass zurzeit keine Daten mehr aus der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung als Beweismittel verwendet werden dürfen. Das Justizministerium teilte mit, dass “in den in Strafsachen verwendeten Telekommunikationsdaten […] schwerwiegende Fehler festgestellt wurden”. Aufgrund dessen könnten Unschuldige verurteilt und Straftäter freigesprochen worden sein.

Wie viele Fehlurteile wirklich zustande kamen, ist noch nicht geklärt. Die dänische Tageszeitung Berlingske spricht davon, dass jeder dritte Datensatz fehlerhaft sein könnte. Vorrätig erfasste Telekommunikationsdaten kamen seit 2012 in 10.700 Prozessen zum Einsatz. Es handelt sich nur um Fälle, in denen ein Strafmaß von mehr als sechs Jahren erwartet wurde, denn das ist Voraussetzung für die Herausgabe.

falsche Konvertierung schuld

Die Daten stammen größtenteils von Telekommunikationsanbietern, die diese in Dänemark zwei Jahre lang ohne Anlass speichern müssen. Es geht beispielsweise um Verbindungs- und Positionsdaten von Handys.

Laut Polizei seien die Daten im eigenen System “falsch konvertiert” worden und Telekommunikationsanbieter hätten ungenügende Rohdaten geliefert. Was das genau heißt, ist noch nicht bekannt. Es lässt sich vermuten, dass Telefonnummern oder Einbuchungen ins Mobilfunknetz falsch zugeordnet wurden. Dadurch gäbe es falsche Rückschlüsse, wer sich wann wo aufgehalten hat oder wer mit wem kommuniziert hat – aber das sind bislang nur Spekulationen. Eventuell wurden auch IP-Adressen und die zugehörigen Zeitstempel falsch zugeordnet.

Gefahr für das Rechtssystem

Erste Fehler seien bereits im November 2018 aufgefallen. Dass es sich um ein generelles IT-Problem handelt, wurde aber erst vergangenen Februar erkannt. Laut Polizei sei der Fehler im März behoben worden.

Die Sperre der Daten als Beweismittel gilt vorerst zwei Monate lang bis zum 18. Oktober. Die Zeit wird laut Justizministerium “für die Untersuchung der Fehler und die Ermittlung der Ursachen” genutzt. Dänemarks Justizminister Nick Hækkerup hat eine unabhängige Untersuchung angekündigt und den Fall als Skandal bezeichnet. Die nun veröffentlichten Probleme untergraben laut Hækkerup “das Vertrauen in das Rechtssystem”. Juristische Verfahren müssen eventuell erneut geführt werden, wobei für viele der Fälle die Telekommunikationsdaten bereits gelöscht sein dürften und somit nicht mehr auf ihre Richtigkeit kontrolliert werden können.

Speicherung gegen EU-Recht

Trotz eines Urteils des EU-Gerichtshofes speichert Dänemark weiter Daten ohne konkrete Verdachtsmomente. Ende 2016 stellte der Europäische Gerichtshof fest, dass kein EU-Staat die Telekommunikationsanbieter verpflichten dürfe, Vorratsdaten zu speichern, da dies gegen Grundrechte verstößt. Deutschland hat die Speicherung daraufhin ausgesetzt. (hcz)