Fake News: Wie Facebook mit Klimawandelleugnern umgeht

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Nach Ansicht von Kritikern macht Facebook es Klimawandelleugnern zu leicht, Desinformationen zu verbreiten. (Quelle: Anthony Quintano – CC BY 2.0)

Fake News und Desinformationen werden hauptsächlich über soziale Netzwerke verbreitet. Um dem etwas entgegenzusetzen, arbeitet Facebook seit 2016 mit unabhängigen Faktencheckern zusammen. Dennoch können Klimawandelleugner ihre Falschinformationen teilweise weiterhin frei verbreiten.

Während der Corona-Pandemie ist Facebook dazu übergegangen, Falschinformationen zu dem Virus auszublenden und auf vertrauenswürdige Quellen zu verweisen. Dazu arbeitet die Plattform mit Faktenprüfern und Gesundheitsbehörden zusammen, setzt also auf wissenschaftliche Erkenntnisse. Der Klimawandel ist ebenfalls wissenschaftlich belegt, doch offenbar stuft Facebook einige Beiträge über den Klimawandel als Meinung ein – und Meinungsbeiträge sind von Faktenchecks ausgenommen, berichtet die New York Times. Nach wissenschaftlichen Standards erarbeitete Beiträge, Texte von Lobbygruppen und auch Desinformationen können in dieselbe Kategorie fallen, schreibt die Zeitung.

Facebook überprüft Beiträge auf seiner Plattform nicht selbst, sondern arbeitet mit unabhängigen Faktencheckern zusammen. In Deutschland übernehmen das Recherchezentrum Correctiv und die Deutsche Presse-Agentur diese Aufgabe. In den USA zählt die Organisation Science Feedback zu den Partnern. Sie verfügt mit Climate Feedback auch über eine wissenschaftliche Abteilung, die Artikel zum Klimawandel Faktenchecks unterzieht. Mitunter entfernt Facebook deren Einschätzung aber nachträglich wieder.

Faktenprüfer bewerten Facebook-Postings

Die Faktenchecker analysieren Beiträge, die von Nutzern gemeldet wurden und können auch selbstständig nach Postings suchen. Es gibt insgesamt neun Kategorien zur Bewertung, darunter “falsch”, “wahr” oder “Meinung”. Als “falsch” oder “teilweise falsch” eingestufte Beiträge kennzeichnet Facebook entsprechend – und zeigt sie weniger häufig an. Wer einen solchen Beitrag teilen will, bekommt außerdem einen Hinweis auf den Faktencheck angezeigt.

Correctiv-Faktencheck
Hinweis auf einen Faktencheck auf Facebook. Screenshot: Posteo

Laut New York Times liegt es aber in Facebooks Ermessen, abschließend darüber zu entscheiden, was als Meinung gilt. So hatte die Gruppe “CO2 Coalition” im vergangenen Jahr einen in einem konservativen Magazin veröffentlichten Kommentar zu Klimamodellen geteilt. Climate Feedback stufte den Artikel als “falsch” ein. Doch die von der Ölindustrie finanzierte Gruppe, die außerdem Werbekunde von Facebook sein soll, legte Widerspruch ein. Daraufhin teilte Facebook den Faktenprüfern mit, dass der Beitrag als Meinung außerhalb ihres Zuständigkeitsbereiches liege und entfernte den Hinweis auf den Faktencheck. In einem weiteren Fall soll die Einstufung eines Artikels als “teilweise falsch” entfernt worden sein, nachdem Mitarbeiter eines republikanischen Abgeordneten mit Verbindungen zur Ölindustrie sich an Facebook gewandt hatten. Auch sie argumentierten, dass es sich um einen Meinungsbeitrag handeln würde. Andere Klimawandelleugner sollen ebenfalls von Facebooks Regel profitiert haben.

“Nachweislich falsche Aussagen als Meinung zu kennzeichnen, sollte keine Immunität vor einem Faktencheck bieten”, sagte Scott Johnson, Wissenschaftsredakteur bei Climate Feedback, gegenüber der New York Times.

Seit wann Facebook Meinungsbeiträge und Satire von Faktenchecks ausschließt, ist unklar. Das Wall Street Journal schreibt, diese Praxis bestünde erst seit dem Jahr 2019. Gegenüber der New York Times sagte ein Facebook-Mitarbeiter hingegen, die Regel gelte bereits seit 2016.

Schlupfloch für Klimawandelleugner

John Podesta, der die Klimapolitik der Obama-Regierung koordiniert hat, wirft Facebook vor, ein Schlupfloch für Klimawandelleugner geschaffen zu haben. Von Facebook hingegen heißt es, man schütze nur die Meinungsfreiheit. Damit rechtfertigt die Plattform auch, dass Beiträge von Politikern von Faktenchecks ausgenommen sind: “Wir machen uns stark für freie Meinungsäußerung und respektieren demokratische Grundwerte.” Bei Desinformationen rund um Wahlen will das Unternehmen allerdings auch Beiträge von Politikern künftig kennzeichnen. In Bezug auf den Klimawandel sagte ein Facebook-Sprecher der New York Times, man befasse sich vorrangig mit Desinformationen, die eine “unmittelbare Bedrohung” für die menschliche Gesundheit und Sicherheit darstellen – der Klimawandel gehört für Facebook offenbar nicht in diese Kategorie.

Facebooks Algorithmus zeigt Nutzern Nachrichten häufiger an, die andere Nutzer teilen und die viele “Likes” erhalten haben. Das begünstigt die Verbreitung von Fake News.

Kritik von Klimaschützern

Die unter anderem von der US-amerikanischen Naturschutzorganisation Sierra Club initiierte Gruppe “Climate Power 2020” kritisiert Facebook ebenfalls. “Indem Facebook eine Aufsicht verhindert und diese Lügen ungeprüft lässt, gefährdet Facebook die Gesundheit und das Wohlergehen von Menschen rund um den Globus”, heißt es in einem offenen Brief an Facebooks “Oversight Board”. Das “Oversight Board” soll darüber entscheiden, wie Inhalte auf der Plattform moderiert werden.

Der Vorstandsvorsitzende Mark Zuckerberg hatte das Gremium 2018 angekündigt; die Mitglieder wurden jedoch erst im Mai 2020 berufen. Auf einen ersten Brief Anfang Juli 2020 von “Climate Power 2020”, hatte Facebook geantwortet, dass das Aufsichtsgremium seine Arbeit noch nicht aufgenommen habe. “Klimawandel ist keine Meinung. Er ist eine Tatsache”, heißt es in der Antwort von “Climate Power 2020”. Das Gremium solle darüber beraten, warum sich Desinformationen zum Klimawandel auf Facebook verbreiten, während von Wissenschaftlern und Faktencheckern getroffene Entscheidungen umgestoßen werden.

Nach dem Bericht der New York Times möchte nun auch US-Senatorin Elizabeth Warren (Demokraten) von Facebook wissen, wie mit Faktenchecks und Meinungsbeiträgen umgegangen wird. Die Klimakrise sei zu wichtig, als dass man “Verschwörungstheoretikern, umweltverschmutzenden Konzernen, Armeen von Lobbyisten, gekauften Forschern und den Klimawandel leugnenden Politikern” erlauben dürfe, “vorsätzliche Lügen” zu verbreiten, schrieb sie auf Twitter. Zusammen mit drei weiteren US-Senatoren hat Warren Facebook-Chef Zuckerberg in einem Brief aufgefordert, zu erklären, wie sich Desinformationen rund um Corona von Fake News rund um den Klimawandel unterscheiden. Wenn Facebook tatsächlich gegen Fake News vorgehen will, müsse das Unternehmen verhindern, dass Desinformationen rund um den Klimawandel verbreitet werden.

Inzwischen deutet sich an, dass Facebook in der Sache einlenken könnte: Gegenüber der New York Times sagte ein Facebook-Sprecher, dass jegliche Desinformationen überprüft werden dürfen – auch wenn sie in einem Meinungsbeitrag stecken. Man wolle die eigenen Richtlinien so überarbeiten, dass die Faktenprüfer entscheiden können, ob Desinformationen nur als Meinungsbeitrag getarnt wurden.

Dass Meinungsbeiträge auch hierzulande bisher von Faktenchecks ausgeschlossen sind, bestätigt auch Correctiv. “CORRECTIV.Faktencheck hat schon mehrfach Behauptungen überprüft und als falsch oder teilweise falsch eingestuft, die sich in diesem Themenbereich bewegten”, hieß es auf Anfrage von Posteo. Wie von der New York Times beschriebene Fälle habe es hierzulande aber bisher nicht gegeben. Grundsätzlich habe Facebook keinen inhaltlichen Einfluss auf die Faktenchecks.

Anhaltende Kritik an Facebook

Facebooks Umgang mit Fake News und Hass steht schon lange in der Kritik. Erst nachdem zahlreiche Großkonzerne ihre Werbung auf Facebook ausgesetzt hatten und finanziellen Druck ausübten, ging Facebook gegen hasserfüllte Postings vor. Erst im Juli hatten Bürgerrechtler nach einer zweijährigen Untersuchung Facebook erneut kritisiert: Das Netzwerk unternimmt demnach weiterhin zu wenig gegen Manipulation, Hass und Diskriminierung. (js)