Gericht: Internet-Sperre in Kaschmir ist illegal
Der oberste indische Gerichtshof hat festgestellt, dass die im August 2019 verhängten Einschränkungen in der Region Jammu und Kaschmir rechtswidrig sind. Die Regierung muss alle Anordnungen innerhalb einer Woche prüfen und gegebenenfalls aufheben.
Die anhaltende Abschaltung des Internets sieht das Gericht als Einschränkung des Rechts auf Presse- und Meinungsfreiheit an, das von der Verfassung garantiert werde. Zudem seien solche Einschränkungen nur temporär und nicht unbefristet zulässig. Geklagt hatte unter anderem Anuradha Bhasin, Chefredakteurin der Kashmir Times.
Indien hat Sonderstatus der Region Jammu und Kaschmir aufgehoben
Der indische Premierminister Narendra Modi hatte im August 2019 beschlossen, die Unabhängigkeit der Region Jammu und Kaschmir aufzuheben. Im Anschluss wurde sie in zwei Territorien aufgeteilt und der direkten Kontrolle der indischen Regierung unterstellt. Den daraufhin zu erwartenden Protesten in der Region, die auch von Pakistan beansprucht wird, wollte die indische Regierung unter anderem mit einer erhöhten Militärpräsenz, Ausgangssperren und dem Abschalten des Internets vorbeugen. Seither sind nicht nur etwa 7 Millionen Menschen in Kaschmir, sondern auch die dortige Wirtschaft sowie Bildungseinrichtungen und Krankenhäuser ohne Internet.
Die Regierung hatte ihre Maßnahmen mit einer Gefahr für Recht und Ordnung gerechtfertigt. Dem folgte das Gericht jedoch nicht: Die öffentliche Ordnung sei nicht dasselbe wie Recht und Ordnung – deshalb habe die Situation die verhängten Einschränkungen nicht gerechtfertigt.
Indien schaltet das Internet am häufigsten ab
Nach Angaben von Beobachtern handelt es sich bei der seit mehr als 150 Tagen andauernden Internetsperre um die bisher längste in einer Demokratie. Nach Angaben der Organisation Access Now ist Indien außerdem das Land, in dem es weltweit am häufigsten zu Internetabschaltungen kommt. Im Jahr 2018 wurden mindestens 134 solcher Vorfälle gezählt. Das ist die deutliche Mehrheit der insgesamt 196 weltweit dokumentierten Internet-Sperren im Jahr 2018.
Ende Dezember 2019 hatte die Regierung Telefon und Internet zwischenzeitlich auch in der Hauptstadt Neu Delhi abschalten lassen, um Proteste gegen ein neues Einwanderungsgesetz einzudämmen.
Internet-Sperren sollen Unruhen verhindern
Die Regierung verhänge Internet-Sperren in der Regel, um Unruhen in Konfliktregionen zu vermeiden, heißt es vom Software Freedom Law Center India (SFLC). Doch laut SFLC sollen auch triviale Gründe schon herangezogen worden sein: Beispielsweise, um Schüler und Studenten davon abzuhalten, während ihrer Prüfungen zu schummeln.
Anstatt sich den Gründen für die Probleme anzunehmen und mit demokratischen Mitteln an deren Lösung zu arbeiten, verhänge die Regierung lieber Sperren. Dabei gebe es mehrere Studien, nach denen Internet-Sperren Unruhen nicht verhindern, sondern oft sogar anfeuern, sagte SFLC-Direktor Sundar Krishnan dem Guardian.
Laut dem Guardian hat die Sperre darüber hinaus bereits enorme wirtschaftliche Schäden in der Region Jammu und Kaschmir angerichtet. (js)