Gericht verbietet Deepfake-Video zu Kanzler Scholz

Videoausschnitt
Das Gericht sah das breite Publikum nicht im Stande, das Video als künstlerische Satire zu erkennen. (Quelle: Zentrum für politische Schönheit – Screenshot Posteo)

Die Künstlergruppe Zentrum für politische Schönheit (ZPS) darf ein Video mit einem gefälschten Bundeskanzler Olaf Scholz nicht mehr verbreiten. Das hat das Landgericht Berlin entschieden und damit einem Antrag auf einstweilige Verfügung der Bundesregierung stattgegeben. Die Kunstschaffenden hatten den Film mithilfe von künstlicher Intelligenz erstellt und ihm den Anschein einer offiziellen Erklärung von Scholz an die Öffentlichkeit gegeben. Der falsche Kanzler verkündete in dem sogenannten Deepfake-Video, einen Verbotsantrag gegen die AfD initiiert zu haben.

In seinem Beschluss vom 13. Februar argumentierte das Gericht, die Gefahr sei zu groß, dass das Video für echt gehalten wird. “Die gesamte Gestaltung des Videos ist darauf ausgerichtet, wie eine offizielle Regierungserklärung zu wirken”, heißt es in dem Gerichtsbeschluss, den Posteo einsehen konnte.

Das Gericht verbietet dem Künstlerkollektiv, das Video im Internet – explizit auf Social-Media-Plattformen wie Instagram, YouTube, Facebook und X sowie auf der Kollektiv-eigenen Internetseite weiter zur Verfügung stellen. Ebenso dürfen die Kunstschaffenden auf ihrer Webseite die “Hoheits- und Erkennungszeichen” des Bundeskanzlers nicht mehr benutzen.

Der Unterlassungsanspruch ergibt sich laut Gericht aus dem Namensrecht. Es ist der Auffassung, dass eine Gefahr einer “Zuordnungsverwirrung” zwischen dem Rechteinhaber und den Videoerstellern besteht. Die Veröffentlichung des Videos “auf einem gängigen Videoportal” mache den Film einem “sehr breiten Publikum” zugänglich und nicht nur einem informierten Fachpublikum.

“Weiter ergibt sich die Zuordnungsverwirrung dadurch, dass der Eindruck erweckt wird, es werde eine echte Rede des amtierenden Bundeskanzlers wiedergegeben und die wiedergebenden Äußerungen stammten von ihm, obwohl er diese Äußerungen unstreitig niemals tätigte”, argumentiert das Gericht weiter.

“Künstlerische Anmutung” fehlt

Bereits nach der Veröffentlichung im November 2023 hatte die Bundesregierung ihren Unmut über das Video öffentlich kundgetan und vor den Gefahren per KI erstellter Videofälschungen gewarnt. Ein Regierungssprecher hatte Ende November auf X geschrieben: “Solche Deepfakes sind kein Spaß. Sie schüren Verunsicherung und sind manipulativ.”

Daraufhin hatte die Künstlergruppe eine leicht veränderte Version des Videos erstellt und bei YouTube hochgeladen. In der neuen Version wurde nicht mehr zu Anfang das Logo des Bundeskanzlers eingeblendet, sondern der Schriftzug “Politische Schönheit Originals”. Zudem war der Film mit dramatischer Musik unterlegt.

“Diese Untermalung ist aber nicht so ungewöhnlich geartet, dass einem Zweifel an der Authentizität kommen müssen”, schrieb das Gericht. “Dem Video fehlt insgesamt eine künstlerische Anmutung oder eine satirische Überspitzung, die die Gefahr einer Zuordnungsverwirrung verhindern würde.” Vielmehr sei das Video so gestaltet, dass es wie eine offizielle Regierungserklärung wirke und gezielt auf eine Zuordnungsverwirrung ausgelegt.

Zuschauer nicht auf Satire eingestellt

Der Anwalt des Zentrums für politische Schönheit, Thorsten Feldmann, hatte laut netzpolitik.org in seiner Antragserwiderung argumentiert, das Material sei so schlecht gefälscht, dass es sofort von jedermann als Fälschung zu erkennen sei. Er schrieb: “Sogar der aufgrund seines angeblich maschinenhaften und emotionslosen Auftretens unrichtig als Scholzomat verunglimpfte Bundeskanzler ist in der Lage, seine Lippen synchron zum Gesprochenen zu bewegen. Daran krankt das streitgegenständliche Video. Kein vernünftig denkender Mensch kommt auf die Idee, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Video um einen echten Scholz handelt.”

Das Gericht übernahm diese Ansicht nicht. Es merkte zwar an, dass sich Lippenbewegung und gesprochener Text des Kanzlers nicht synchron verhalten. Doch fiele dies nur auf, wenn darauf gesondert geachtet wird – was beim “Durchschnittsnutzer” meist nicht der Fall sei.

Auch die Änderungen in der zweiten Version des Videos wirkten der Zuordnungsverwirrung nicht ausreichend entgegen, so das Gericht. Denn diese ergebe sich allein aus dem Inhalt des Films “und der Tatsache, dass dem Bundeskanzler im wahrsten Sinne ‘Worte in den Mund gelegt wurden’, die dieser niemals tätigte, und dies in einer zum Verwechseln ähnlichen Art und Weise”.

Es spräche auch in der überarbeiteten Fassung nichts dafür, "dass der jeweilige Betrachter bereits vor Beginn des eigentlichen Videos darauf eingestellt wäre, eine kritische Satire gezeigt zu bekommen.

Berufung angekündigt

Gegen den Gerichtsbeschluss können Rechtsmittel eingelegt werden. Und die Künstlergruppe plant auch, dies zu tun. Notfalls werde man bis zum Bundesverfassungsgericht gehen, um diesen Angriff auf die Kunstfreiheit zurückzuweisen, hieß es auf der Website des Kollektivs. “Scholz will, dass vor jedem Kunstwerk ‚Kunst‘ steht, damit kein Seppel die Kunst mit der Realität verwechselt”, kritisierte ein Sprecher des ZPS gegenüber netzpolitik.org. Scholz habe ein Verbot eines Videos zum AfD-Verbot beantragt; Millionen Menschen würden aber einen Antrag auf ein Verbot der AfD von ihm fordern. Das Kollektiv hat das Video inzwischen von seiner Website entfernt. Es sammelt dort weiterhin Aussagen von AfD-Mitgliedern, die von Internetnutzern als rechtsextremistisch eingeschätzt werden.

Das beklagte Video selbst ist noch im Rahmen eines Vortrags (ab Minute 26) dokumentiert, den Mitglieder des Zentrums für politische Schönheit auf dem letztjährigen Kongress des Chaos Computer Clubs gehalten hatten. (hcz)