Gesetz beschlossen: Verschrottung von Retouren soll dokumentiert werden

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20 Millionen zurückgesandte Artikel werden hierzulande jährlich vernichtet. Quelle: Greenpeace

Amazon und andere Online-Händler vernichten Schätzungen zufolge jedes Jahr rund 20 Millionen zurückgeschickte Artikel. Davon sind rund 7,5 Millionen so weit intakt, dass sie eigentlich hätten weiterverkauft oder gespendet werden können. Um dies zu ändern, hat das Bundeskabinett nun eine Neufassung des Kreislaufwirtschaftsgesetzesauf den Weg gebracht.

Verboten wird die Retourenvernichtung nicht. Die Händler sollen künftig aber strengeren Vorschriften unterliegen. So sollen sie mit einer neuen Verordnung dazu verpflichtet werden, Entsorgungen transparent zu dokumentieren. Außerdem soll ihnen eine Obhutspflicht auferlegt werden, die vorschreibt, dass Produkte nur in Ausnahmefällen vernichtet werden dürfen. Etwa, wenn von ihnen ein Risiko ausgeht oder die Instandhaltung wirtschaftlich für die Händler nicht zumutbar ist. Eine Alternative sei beispielsweise, die Produkte günstiger zu verkaufen oder zu spenden. Im Vorhinein war ein ambitionierteres Vorgehen erwartet worden. Umweltverbände hatten ein vollständiges Verbot der Retourenvernichtungen gefordert. Nun sind nicht einmal Sanktionen bei Verstößen vorgesehen.

Ins Bundeskabinett eingebracht hatte den Entwurf Umweltministerin Svenja Schulze (SPD). “Neuwertige Waren einfach wegschmeißen, einfach verbrennen, so kann man mit den Ressourcen nicht umgehen”, sagte Schulze gegenüber der dpa. Gleichzeitig will die Ministerin die Kunden in die Pflicht nehmen: “Die Verbraucherinnen und Verbraucher müssen sich natürlich auch fragen, ob es für die Umwelt wirklich gut ist, viele Artikel zu bestellen und die Hälfte dann wieder zurückzusenden.” Damit seien Transportwege und Belastungen für die Umwelt verbunden.

Jedes sechste Paket wird zurückgeschickt

Schätzungen zufolge wurden im Jahr 2018 rund 280 Millionen Pakete und 487 Millionen Artikel in Deutschland an Onlinehändler zurückgeschickt. Das sei jedes sechste ausgelieferte Paket, ergab eine im vergangenen Frühjahr vorgelegte Studie der Forschungsgruppe Retourenmanagement der Universität Bamberg. Besonders häufig zurückgeschickt würden Schuhe und Kleidungsstücke. Das Ausmaß der sogenannten Retouren-Vernichtung ist im Detail nicht bekannt, da die Händler bislang keine Zahlen offenlegen mussten.

Umweltverbände fordern Vernichtungsverbot

Bei Umweltschutzorganisationen kam der Beschluss der Bundesregierung nur mäßig gut an: Es müssten nun konkrete Schritte folgen, so Greenpeace-Expertin Viola Wohlgemuth. Wenn die Transparenzpflicht über die Vernichtung von Neuwaren wirklich effektiv durchgesetzt werde, sei dies ein “richtiger und mutiger” Schritt. Im zweiten Schritt müsse aber ein Vernichtungsverbot für neuwertige Produkte folgen.

Auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) forderte, die “sinnlose Zerstörung” funktionsfähiger Waren aus Gründen des Klima-, Ressourcen- und Umweltschutzes zu beenden. Schulze lege hierfür keine verbindliche Pflicht fest, sondern mache nur “leere Versprechungen”. Unternehmen müsse unter Strafe die Vernichtung funktionsfähiger Waren verboten werden, sagte die stellvertretende DUH-Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz.

Spenden zu teuer

“Wir begrüßen die angestrebte ökologische Fortentwicklung von Produktion und Handel”, kommentierte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands E-Commerce und Versandhandel, Christoph Wenk-Fischer das geplante Gesetz gegenüber dpa. Gleichzeitig schlug er vor, die Mehrwertsteuer auf Sachspenden abzuschaffen – um damit “Spenden statt entsorgen” zu erleichtern. Darauf verweist auch ein Sprecher des Onlinehändlers Amazon. Unternehmen müssen derzeit die Mehrwertsteuer auf den Wert von gespendeten Waren entrichten. “Daher ist es für Unternehmen wirtschaftlich wenig sinnvoll, Waren zu spenden.”

Hintergrund ist, dass das deutsche Steuersystem mit einer Krux bei Sachspenden aufwartet und Umsatzsteuer auf die Ware gezahlt werden muss: Beispielsweise fällt auf eine Warenspende im Wert von 100.000 Euro hierzulande eine Umsatzsteuer von 19 Prozent also 19.000 Euro an. Würde die Ware hingegen entsorgt werden, fielen nur 5000 Euro Kosten für den Besitzer an. Für diese Situation bietet der Gesetzesentwurf keine Lösung an. Ein weiteres Problem stellt oft die Wertermittlung dar.

FDP und CDU wollten nur Selbstverpflichtungen

Hinter dem von SPD-Politikerin Schulze eingebrachten Entwurf stehen auch die CDU-Minister. Die umweltpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Marie-Luise Dött kommentiert in der einschlägigen Pressemitteilung: “Die Vernichtung von funktionsfähigen Produkten bedeutet eine Verschwendung von Ressourcen. Dagegen wollen wir angehen.”

Im Oktober letzten Jahres sah die Partei in dem Gesetzesvorschlag noch eine moralische Bevormundung. Georg Nüßlein, Bundestagsabgeordneter der Christdemokraten sagte damals: “Verbote braucht nur der, der sich pharisäerhaft für moralisch maßgebend hält, aber lieber bei anderen anfangen möchte.”
Die FDP schloss sich damals dieser Kritik an, sah kaum Handlungsbedarf gegenüber der Wirtschaft und der Fraktionsvize Michael Theurer warnte davor “die Verbotskeule zu schwingen”. Die Kunden sollten doch lieber ihr Kaufverhalten hinterfragen. Stattdessen schlugen sowohl FDP als auch CDU eine Selbstverpflichtung der Hersteller vor, die im Detail aber undefiniert blieb und ohne juristische Mittel funktionieren sollte.

Wie es weitergeht

Nachdem das Bundeskabinett den Gesetzesentwurf nun geschlossen auf den Weg gebracht hat, wird der Bundestag darüber diskutieren und ihn voraussichtlich absegnen. Anschließend muss der Bundesrat noch sein Einverständnis geben.

TV-Beitrag als Anstoß

Anstoß der Diskussion über die weggeworfenen Retouren war ursprünglich ein Beitrag des ZDF-Magazins Frontal 21, der 2018 ausgestrahlt wurde. Dort sah man Aufnahmen aus einem Logistikzentrum des Online-Händlers Amazon: Brandneue, aber retournierte Waren wurden dort mit der Markierung “Destroy” beschriftet und anschließend in fabrikneuem Zustand in die Müllpresse geworfen. (dpa / hcz)