Greenpeace-Studie: EU-Militäreinsätze dienen Öl- und Gas-Sicherung
Öl und Gas sind für die Staaten der Europäischen Union weiterhin so wichtig, dass sie zur Sicherung der Versorgung regelmäßig das Militär einsetzen. Das ist das Ergebnis einer neuen Greenpeace-Studie: Demnach standen fast zwei Drittel der Einsätze der vergangenen Jahre auch im Zusammenhang mit der Sicherung fossiler Energieträger.
Die Autoren haben an den Beispielen von Italien, Spanien und Deutschland die Militärmissionen von EU und NATO aus den Jahren 2018 bis 2021 untersucht. Die zugrundeliegenden Daten stammten aus öffentlichen Dokumenten und öffentlichen Aussagen von Politik und Militär.
Allein die drei untersuchten Länder hätten seit 2018 mindestens 4 Milliarden Euro für solche Militäreinsätze ausgegeben – 1,2 Milliarden alleine im Jahr 2021. Diese hätten laut Bericht “in erster Linie oder in erheblichem Umfang” dem Zweck gedient, Produktion und Einfuhr von Rohöl und Gas zu sichern. Die EU-Staaten importieren fast 90 Prozent ihres Erdöls und 70 Prozent ihres Bedarfs an Erdgas.
Die Umweltorganisation Greenpeace fordert einen Ausstieg aus Öl- und Gasnutzung und damit auch ein Ende dieser Militäreinsätze. “Mit Militärmissionen schützt die EU ihre Öl- und Gaslieferungen, die mitten in der Klimakrise längst nicht mehr stattfinden dürften”, kommentierte Anna von Gall, Abrüstungsexpertin von Greenpeace Deutschland. “Europäische Länder investieren Milliardensummen in die Zerstörung unseres Klimas. Stattdessen sollte das Geld lieber in den schnelleren Ausbau Erneuerbarer Energien fließen, um die Pariser Klimaziele zu erreichen.”
“Es geht immer um fossile Energieträger”
Die europäischen Brennstoffimporte stammen zum Teil aus politisch instabilen Regionen wie dem Horn von Afrika, Guinea oder Libyen. Die Gebiete verfügen allesamt über größere Ölvorkommen. Die Militäreinsätze sollen die Transportwege sichern und für politische Stabilität in den Lieferländern sorgen.
Als Beispiele nennt Greenpeace die EU-Missionen “Irini” und “Mare Sicuro” vor der libyschen Küste, “Atalanta” am sogenannten Horn von Afrika, “Sea Guardian” im östlichen Mittelmeer, die Anti-Piraterie-Missionen im Golf von Guinea, “Global Coalition Against Daesh” im Irak und Syrien und “EMASoH” in der Straße von Hormus.
“Irini” beispielsweise soll vor der libyschen Küste vorrangig die Einhaltung des UN-Waffenembargos gegen Libyen überwachen. Doch darüber hinaus habe die Mission das sekundäre Mandat der “Kontrolle und Überwachung illegaler Ölausfuhren aus Libyen, einschließlich Rohöl und raffinierter Ölprodukte” und soll auch den Ölmarkt in der Region sichern.
Die Mission “Atalanta” soll Hilfslieferungen nach Somalia schützen und gleichzeitig Piraterie am Horn von Afrika verhindern. Die NATO hatte aber im Juni 2021 auch erklärt, solche Anti-Piraterie-Missionen würden “durch den Schutz wichtiger Seewege” auch “zur Energiesicherheit” beitragen.
Bei der “Energiesicherung” gehe es immer um fossile Energieträger, nicht um erneuerbare. “Es sind fossile Brennstoffe, die über weite Strecken auf dem Seeweg in die Europäische Union transportiert werden”, schreiben die Autoren
Italien hilft Energieunternehmen
Italien sei mit “Mare Sicuro” und “Gabinia Operation” an der libyschen Küste beziehungsweise im Golf von Guinea in zwei Operationen involviert, die ausdrücklich darauf abzielten, die Interessen des nationalen Energieunternehmens Eni zu schützen. Eines der offiziellen Ziele in den Missonsbeschreibungen sei die “Energiesicherung”.
Im Missionsmandat von “Mare Sicuro” seien “Überwachung und Schutz der Eni-Plattformen in internationalen Gewässern vor der libyschen Küste” der erste Punkt – und auch die Anti-Piratenmission “Gabinia Operation” liste den “Schutz von Eni-Vermögenswerten” als erste Aufgabe auf. Auch eine Anhörung des Verteidigungsministers im Parlament habe belegt, dass Energieinteressen eine wichtige Rolle in der italienischen Militärpolitik spielen.
Spanien verfolge seine Energieinteressen zwar nicht so offen wie Italien. Die Entsendung von Kriegsschiffen in den Golf von Guinea werde jedoch ausdrücklich mit spanischen Öl- und Gasinteressen begründet.
Deutschland fürchtet um Sicherheit
Greenpeace wirft Deutschland ebenfalls die Beteiligung an “fossilen Missionen” von EU, NATO und UN vor. So nimmt Deutschland beispielsweise an der Mission “Irini” teil. Dort sind die deutschen Streitkräfte mit der Aufklärung illegaler Ölexporte aus Libyen betraut.
“Sea Guardian” findet ebenfalls unter deutscher Beteiligung in der Mittelmeerregion statt und soll unter anderem “kritische maritime Infrastruktur” schützen. Damit seien unter anderem Häfen, Pipelines und Offshore-Anlagen gemeint. Also wichtige Infrastruktur für die Öl- und Gasförderung und den Transport.
Besserung möglich
Fossile Brennstoffe stünden als Interesse hinter vielen Militäreinsätzen, ziehen die Autoren der Untersuchung als Fazit. “Im Jahr 2021 das Leben von Zivilisten und Soldaten zu riskieren und knappe finanzielle Mittel für militärischen Schutz von Öl- und Gasimporte auszugeben, erinnert an einen Geisterfahrer, der trotz aller Warnungen nicht nur stur auf seiner Spur bleibt, sondern sogar noch beschleunigt”, schreiben sie. Zum Glück könne öffentlicher Druck im Falle dieser Militärmissionen der “fehlgeleiteten Praxis” Einhalt gebieten.
“Die Abkehr von Öl und Gas (und damit der Ausbau erneuerbarer Energien) hat einen dreifach positiven Effekt: Sie verringert das Risiko einer militärischer Konfrontation, schützt das Klima und spart finanzielle Ressourcen für dringende Aufgaben, wie eine stärkere und gerechtere ökologischen Übergang”, appelliert der Bericht. (hcz)