Gericht hebt Auslieferungsverbot für Julian Assange auf
Der Londoner High Court hat am Freitagmorgen die frühere Ablehnung des US-Auslieferungsantrags für Julian Assange gekippt. Assange muss nun damit rechnen, doch noch an die Vereinigten Staaten ausgeliefert zu werden.
Anfang des Jahres hatte der Westminster Magistrates’ Court die Auslieferung untersagt. Begründet wurde die Entscheidung damals mit dem psychischen Gesundheitszustand von Assange und den Haftbedingungen, die ihn in den USA erwarten würden. Damals hieß es, es sei damit zu rechnen, dass er sich in Isolationshaft das Leben nehmen würde.
Die USA hatten gegen die Entscheidung Berufung eingelegt, der das Gericht nun stattgegeben hat. Nach Auffassung des Londoner High Courts sind die zwischenzeitlich von den USA gegebenen diplomatischen Zusicherungen ausreichend, um die Sorge um Assanges Gesundheit auszuräumen und das Auslieferungsverbot zurückzunehmen. Die USA hatten unter anderem zugesagt, der gebürtige Australier könne im Fall einer Verurteilung seine Haft in einem australischen Gefängnis verbringen. Auch solle er in der Haft während eines Prozesses in den USA eine “angemessene” klinische und psychologische Behandlung erhalten.
Der Fall werde nun an das erstinstanzliche Gericht zurückgegeben mit der Weisung, die Entscheidung über die Auslieferung Innenministerin Priti Patel zu überlassen.
Berufung angekündigt
Nach Angaben der Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF), die das gesamte Auslieferungsverfahren beobachtet hat, kann auch gegen das neue Urteil Berufung eingelegt werden. Assanges Verlobte Stella Moris kündigte dies bereits an: “Wir werden diese Entscheidung zum frühestmöglichen Punkt anfechten.”
Die BBC berichtet, Assanges Verteidigung könnte versuchen, das heutige Urteil vom Supreme Court überprüfen zu lassen. Es gebe jedoch keine Garantie, dass das höchste Gericht den Fall annehmen wird.
Die US-Justiz wirft dem Wikileaks-Gründer vor, zusammen mit der Whistleblowerin Chelsea Manning geheimes Material von US-Mitlitäreinsätzen im Irak und Afghanistan gestohlen und veröffentlicht zu haben. Damit habe er das Leben von US-Informanten in Gefahr gebracht. Die Unterstützer Assanges sehen in ihm hingegen einen investigativen Journalisten, der Kriegsverbrechen aufgedeckt hat. Bei einer Verurteilung in den USA drohen Assange bis zu 175 Jahre Haft.
“Auswirkungen auf die Pressefreiheit”
Der unabhängige Berichterstatter der Vereinten Nationen für Folter, Nils Melzer, kritisierte das Urteil gegenüber der Deutschen Presse-Agentur: “Dies ist ein Armutszeugnis für die britische Justiz. Man kann über Assange denken, was man will, aber er ist nicht in einem Zustand, in dem man ihn ausliefern kann.” Melzer sprach von einem “politisch motivierten Urteil”.
Reporter ohne Grenzen verurteilte die Entscheidung ebenfalls und forderte die sofortige Freilassung Assanges. RSF-Geschäftsführer Christian Mihr kommentierte: “Wir sind der festen Überzeugung, dass Julian Assange wegen seines Beitrags zum Journalismus ins Visier genommen wurde. Sein Prozess wird gefährliche Auswirkungen auf die Pressefreiheit auf der ganzen Welt haben.”
Der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands, Frank Überall, nannte das Urteil “furchtbar”. Er mahnte: “Es hat darüber hinaus eine verheerende Signalwirkung auf alle Whistleblower, deren Informationen und Insiderkenntnisse an die Öffentlichkeit gehören.”
Nils Muižnieks, Europa-Direktor von Amnesty International, kritisierte, das Gericht habe sich entschieden, “völlig unzureichende diplomatische Zusicherungen der USA” zu akzeptieren.
Assanges Angehörige beschreiben seinen Gesundheitszustand seit Monaten als schlecht und besorgniserregend. Seit mehr als zwei Jahren sitzt er im Londoner Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh. (dpa / js)