Griechische Polizei plant Einsatz von Gesichtserkennung

Griechischer Polizist bei Personenkontrolle
Die Organisation Homo Digitalis spricht von einem “Überwachungsprogramm”, das mit “dem Schutz der Grundrechte” in Konflikt stehe. (Quelle: IMAGO / ANE Edition)

In Griechenland sollen Polizisten künftig mit tragbaren Geräten biometrische Daten wie Fingerabdrücke abgleichen. Das hat Human Rights Watch (HRW) am Dienstag gemeinsam mit der griechischen Organisation Homo Digitalis berichtet. Sie kritisieren, das Vorhaben verstoße gegen internationale Menschenrechtsstandards – und warnen vor der Diskriminierung von Minderheiten. Finanziert wird das Projekt teilweise aus EU-Geldern.

Im Rahmen des als “Smart Policing” betitelten Projektes sollen Geräte eingeführt werden, deren Software Gesichtsbilder, Fingerabdrücke sowie Kennzeichen mit Datenbanken von 20 nationalen und internationalen Stellen abgleichen kann. Ein Dokument des griechischen Ministeriums für Bürgerschutz, auf das HRW verweist, listet etwa Interpol, Europol, das Schengener Informationssystem aber auch das US-amerikanische FBI auf.

Human Rights Watch berichtet, Fingerabdrücke sollen sofort gelöscht werden, wenn bei der Suche keine Übereinstimmung festgestellt wird. Gesichtsbilder hingegen würden für sieben Tage gespeichert. Findet das System einen Treffer, würden die Daten für einen unbestimmten Zeitraum gespeichert.

In einem EU-Dokument heißt es zu dem Projekt, das System solle bei Personenkontrollen zum Einsatz kommen. Menschen ohne Papiere ließen sich durch Gesichtsbilder und Fingerabdrücke in Echtzeit überprüfen. Auch Personen oder Fahrzeuge mit Verbindung zu Terrorismus, Menschen- oder Drogenschmuggel könnten so identifiziert werden.

HRW sieht erheblichen Eingriff in die Privatsphäre

Human Rights Watch kritisiert, in seiner geplanten Form sei das Projekt nicht mit griechischem und europäischem Recht vereinbar. So müsse etwa die Erhebung von biometrischen Daten unbedingt erforderlich sein und eine Rechtsgrundlage existieren.

Zudem müsse die Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten internationalen Menschenrechtsstandards, wie der Europäischen Menschenrechtskonvention, entsprechen – und das Recht auf Privatsphäre schützen. Ein Eingriff in dieses Recht müsse immer gerechtfertigt und verhältnismäßig sein. Den griechischen Behörden stünden andere Mittel zur Verfügung, etwa um Einwanderungsgesetze durchzusetzen. Mit der Erhebung biometrischer Daten sei hingegen ein erheblicher Eingriff in die Privatsphäre verbunden. Griechenland solle das Projekt “Smart Policing” stoppen.

Auch der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte garantiere das Recht auf Privatsphäre. Der UN-Menschenrechtsausschuss, der die Umsetzung und Einhaltung des Paktes kontrolliert, habe festgestellt, dass das Sammeln von personenbezogenen Daten gesetzlich geregelt sein muss. Personen haben demnach das Recht zu erfahren, welche Daten von wem gespeichert werden.

Einen Verstoß sieht HRW auch gegen die europäischen Datenschutzbestimmungen für Strafverfolgungsbehörden: Darin heißt es, die Verarbeitung von “biometrischen Daten zur eindeutigen Identifizierung” von Personen darf nur erfolgen, wenn dies “unbedingt erforderlich ist”. Außerdem müssen “Garantien für die Rechte und Freiheiten der betroffenen Person” bestehen.

Diskriminierende Kontrollen

Human Rights Watch warnt, bereits bestehende Diskriminierung könnte durch die Technik verstärkt werden: Die griechische Polizei sei berechtigt, Personen anzuhalten und nach ihren Ausweispapieren zu fragen – also anlasslose Personenkontrolle durchzuführen. Die Organisation wirft der Polizei dabei vor, Menschen aufgrund ihrer vermeintlichen Nationalität oder ethischen Zugehörigkeit gezielt zu kontrollieren. Migranten, Asylsuchende und andere marginalisierte Gruppen würden stundenlang festgehalten, selbst wenn diese im Besitz von Dokumenten sind.

Durch den Einsatz von “Smart Policing” könnten solche Praktiken ausgeweitet werden – selbst die Polizei rechne mit einer Zunahme der täglichen Kontrollen. Dabei kritisiert HRW insbesondere die Verwendung biometrischer Daten. Gesichtserkennungssysteme etwa gelten als unzuverlässig: Studien haben belegt, dass sie beispielsweise Menschen mit dunkler Hautfarbe schlechter erkennen.

Human Rights Watch fordert deswegen, die Polizei solle die Gültigkeit von Ausweisen prüfen, ohne dafür biometrische Daten zu sammeln. Außerdem sollten Personen nur überprüft werden, wenn ein begründeter Verdacht auf illegale Aktivitäten bestehe.

Nach Angaben von HRW wurde das Vorhaben im Jahr 2017 erstmals öffentlich. Zwei Jahre später sei dann ein Vertrag mit der Firma Intracom Telecom unterzeichnet worden, die das System entwickelt. Ursprünglich sei der Start für Anfang 2021 geplant gewesen, dann aber auf August verschoben worden. Der Vertrag mit Intracom sei im vergangenen Jahr komplett bezahlt worden – bis zum Jahresende lagen HRW jedoch keine Informationen darüber vor, ob die griechische Polizei die Geräte bereits nutzt.

Anfang 2021 hatte auch die Organisation AlgorithmWatch über die Pläne berichtet. Demnach sollen zu Beginn mindestens 1000 Geräte eingesetzt werden – außerdem gebe es die Option, 9000 weitere anzuschaffen. Die Organisation hatte bemängelt, das Projekt könne bürgerliche Freiheiten einschränken. Auch Homo Digitalis hatte schon damals den fehlenden Rechtsrahmen für die Verarbeitung biometrischer Daten bei Personenkontrollen kritisiert.

Datenschutzbehörde prüft Vorhaben

Das “Smart Policing”-Projekt soll etwa 4,5 Millionen Euro kosten – 75 Prozent davon stammen laut HRW aus dem EU-Fonds für die innere Sicherheit.

Belkis Wille, leitende Krisen- und Konfliktforscherin bei HRW, kritisierte: “Die Europäische Kommission finanziert ein Programm, das der griechischen Polizei dabei helfen wird, Flüchtlinge, Asylbewerber und Minderheitengruppen ins Visier zu nehmen und zu schikanieren. In einem Land, in dem die Polizei häufig ohne triftigen Grund Einsicht in Dokumente verlangt, würde dieses Programm ein technikgestütztes Werkzeug liefern, um den Missbrauch zu verstärken.”

Die Organisation Homo Digitalis hatte im Dezember 2019 vom griechischen Ministerium für Bürgerschutz Auskunft über die Rechtsgrundlage für das Projekt verlangt. Dieses hatte auf ein Gesetz verwiesen, in dem der Einsatz von Überwachungskameras im öffentlichen Raum geregelt ist. Allerdings hatte die griechische Datenschutzbehörde im Sommer 2020 entschieden, das Gesetz erlaube keine Gesichtserkennung oder ähnliche Identifikationsverfahren. Homo Digitalis hatte die Behörde daraufhin gebeten, die Rechtmäßigkeit des geplanten Projektes zu prüfen – eine Entscheidung steht laut HRW jedoch noch aus.

Human Rights Watch sieht auch Intracom in der Verantwortung: Nach den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte müsse das Unternehmen sicherstellen, dass seine Produkte nicht zu Menschenrechtsverletzungen beitragen. (js)