Hongkong: Regimekritische Zeitung Apple Daily muss schließen
In Hongkong ist die prodemokratische Zeitung Apple Daily eingestellt. Das Medium war wegen angeblicher Verstöße gegen das umstrittene Hongkonger Sicherheitsgesetz ins Visier der Behörden geraten. Die vor 26 Jahren gegründete Tageszeitung mit einer Auflage von rund 80.000 Exemplaren teilte am Mittwoch mit, dass die letzte Ausgabe am heutigen Donnerstag erscheinen wird.
Das Medienunternehmen dankte seinen Leserinnen und Lesern für ihre loyale Unterstützung. Apple Daily war eines der wenigen Hongkonger Medien, die das chinesische Regime noch offen kritisierten, und die ausführlich über die prodemokratischen Proteste im Jahr 2019 berichteten.
Das Hongkonger Sicherheitsgesetz war auf Betreiben Pekings erlassen worden und zielt auf die prodemokratische Opposition ab. Es richtet sich gegen Aktivitäten, die das Regime in Peking als umstürzlerisch, separatistisch, terroristisch oder verschwörerisch ansieht. Aus Sicht von Kritikern dient es dazu, die Opposition mundtot zu machen und die Macht der Kommunistischen Partei zu zementieren.
“Zerschlagung dieses Symbols der Pressefreiheit”
In der EU wurde mit Bestürzung auf die Nachricht reagiert. Das Ende von Apple Daily zeige deutlich, wie das von Peking erlassene Sicherheitsgesetz dazu benutzt werde, die Presse- und Meinungsfreiheit einzuschränken, teilte ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell mit.
Die Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Menschenrechte, Gyde Jensen (FDP), forderte die EU-Staaten dazu auf, personenbezogene Sanktionen gegen die Verantwortlichen in Hongkong zu verhängen. “Die Pressefreiheit in Hongkong ist seit heute endgültig Geschichte”, fasste sie zusammen.
Die für Pressefreiheit eintretende Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) reagierte ebenfalls erschüttert auf den Betriebsstopp der Zeitung. “Die Zerschlagung dieses Symbols der Pressefreiheit sendet eine abschreckende Botschaft an Journalistinnen und Journalisten weltweit, die sich weigern, die Propaganda des Regimes in Peking zu verbreiten”, kommentierte Geschäftsführer Christian Mihr. “Wenn die internationale Gemeinschaft nicht mit größter Entschlossenheit reagiert, wird das Präsident Xi Jinping zeigen, dass er die Pressefreiheit in Hongkong völlig ungestraft auslöschen kann, so wie er es bereits in Festlandchina fast geschafft hat.”
“Die erzwungene Schließung von Apple Daily ist der schwärzeste Tag für die Medienfreiheit in der jüngeren Geschichte Hongkongs. Die Zeitung wurde von der Regierung faktisch verboten, weil sie Artikel veröffentlichte, die die Regierung kritisierten, und weil sie über internationale Diskussionen über Hongkong berichtete. Dies ist ein inakzeptabler Angriff auf die Meinungsfreiheit”, beurteilte Yamini Mishra, Regionaldirektorin von Amnesty International die Ereignisse. Dass die Behörden das Gesetz zur nationalen Sicherheit benutzen, um dieses Vorgehen zu rechtfertigen, unterstreiche die zutiefst repressive Natur dieser Gesetzgebung.
Festnahmen und Anklagen
Bereits seit vielen Jahren war die Zeitung das Ziel von Schikanen der Regierung. Vergangene Woche durchsuchten dann rund 200 Polizistinnen und Polizisten den Hauptsitz und nahmen fünf Führungskräfte fest. Chefredakteur Ryan Law und Herausgeber Cheung Kim-hung wurden angeklagt und sitzen nun in Untersuchungshaft. Die Polizei behauptet, es gebe Beweise dafür, dass mehr als 30 in der Apple Daily veröffentlichte Artikel darauf abgezielt hätten, andere Staaten zu Sanktionen gegen China und Hongkong zu bewegen. Die Rede war von einer “Verschwörung mit dem Ausland”.
Auch wurden Vermögenswerte der Zeitung eingefroren. Die Apple-Daily-Mutterfirma Next Digital hatte am Montag gewarnt, dass ohne das Geld Gehälter nicht gezahlt werden könnten und der Betrieb eingestellt werden müsse. In den vergangenen Tagen gab die Zeitung bereits einige ihrer Angebote auf. Zahlreiche Mitarbeiter verließen das Unternehmen. Kurz vor Bekanntgabe der Schließung wurde dann am Mittwochmorgen ein weiterer Journalist der Zeitung festgenommen.
Die Räume der Apple Daily waren seit August zweimal von mehreren hundert Polizisten durchsucht worden. Damals wurde auch Zeitungsgründer Jimmy Lai festgenommen. Der 73-Jährige sitzt derzeit eine Haftstrafe von 20 Monaten ab, weil ihm Anstiftung zu nicht autorisierten Protesten vorgeworfen wird. Zudem wird gegen ihn wegen angeblicher Verstöße gegen das Sicherheitsgesetz ermittelt, das Peking vor einem Jahr als Reaktion auf anhaltende Massendemonstrationen für mehr Demokratie in der chinesischen Sonderverwaltungsregion eingeführt hatte.
RSF richtete am Dienstag einen “dringenden Appell” an die Vereinten Nationen (UN), in dem es auf die “alarmierende Razzia” der Polizei im Hauptquartier von Apple Daily, die Verhaftungen und das Einfrieren des Vermögens hinwies. Die Organisation bat die zuständige Sonderberichterstatterin Irene Khan, “bei den chinesischen Behörden und der Regierung von Hongkong alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, damit die Angriffe auf die Pressefreiheit in der Region aufhören und Medienunternehmen und Journalisten ihre Tätigkeit frei ausüben können”.
“Die internationale Gemeinschaft sollte mehr Druck auf das chinesische Regime und die Regierung von Hongkong ausüben, damit diese völlig ungerechtfertigten Angriffe gegen Medienunternehmen aufhören”, forderte der Leiter des Ostasienbüros von RSF, Cédric Alviani.
China bricht Versprechen
Dutzende weitere Festgenommene müssen sich in Hongkong wegen Anklagen nach dem ebenso vage gehaltenen wie weitreichenden Sicherheitsgesetz noch vor Gericht verantworten. Zahlreiche Hongkonger Aktivistinnen und Aktivisten haben sich aus Angst vor Strafverfolgung in andere Staaten abgesetzt.
Seit dem 1. Juli 1997 gehört die frühere britische Kronkolonie wieder zu China und soll eigentlich nach dem Grundsatz “Ein Land, zwei Systeme” eigenständig regiert werden. Auch wurde den sieben Millionen Hongkongern damals zugesagt, über 50 Jahre noch bis 2047 “ein hohes Maß an Autonomie” und viele politische Freiheiten genießen zu können. Seit dem Erlass des Sicherheitsgesetzes reden viele aber nur noch von “Ein Land, ein System”.
Laut Reporter ohne Grenzen war Hongkong einst eine “Bastion der Pressefreiheit” – und stand im Jahr 2002 auf der Rangliste der Pressefreiheit sogar auf Platz 18 von 139. Nun führt die Organisation die Sonderverwaltungszone nur noch auf Platz 80 von 180 Staaten. (dpa / hcz)