Streaming-Tipp: Frauenhass im Netz

Doku-Filmplakat
Frauenfeindliche Gewalt im Internet zielt auch darauf ab, Frauen aus dem öffentlichen Raum zu verdrängen. (Quelle: Arte/Jérôme Considérant)

Beleidigungen, rassistische Kommentare, sexualisierte Gewalt, Morddrohungen: Laut einer UNO-Studie wurden 73 Prozent der Frauen mit Internetzugang bereits online mit einer Gewalterfahrung konfrontiert. Die neue Arte-Dokumentation “#dreckshure” beleuchtet Frauenhass und geschlechtsspezifische Gewalt im Netz – vor allem mit Blick auf die Betroffenen. Sie stellt auch die Frage, was die Online-Beleidigungen über unsere Gesellschaft aussagen.

Die beiden Journalistinnen Florence Hainaut und Myriam Leroy sind selbst Opfer von Belästigungen und Einschüchterungen im Internet. Doch sie sind keine Einzelfälle. In ihrem Film sprechen sie mit Frauen aus verschiedenen Ländern über ihre Erfahrungen. Darunter sind Journalistinnen, YouTuberinnen, eine Humoristin und auch Politikerinnen, wie die Grünen-Abgeordnete Renate Künast. Auch Natascha Kampusch, die 2019 ein Buch über ihre Erfahrungen mit Online-Mobbing veröffentlicht hat, tritt vor die Kamera. Mord- und Vergewaltigungsdrohungen kenne jede Frau, sagt sie zu Beginn des Films.

In Interviews beschreiben die Frauen, wie sie nach öffentlichen Meinungsäußerungen zur Zielscheibe wurden: So berichtet beispielsweise die indische Anwältin und Aktivistin Trisha Shetty von einem Fernsehauftritt, bei dem sie sagte, dass die “Ehe keine Lizenz für Sex” ist, sondern beide einverstanden sein müssen – und anschließend online angegriffen wurde. Die Protagonistinnen lesen die Anfeindungen vor und zeigen eindrücklich, welches Ausmaß an Hass viele Frauen online aushalten müssen. “Frauen werden nicht respektiert, sondern verachtet”, stellen die Filmemacherinnen fest.

Persönliche Folgen

Die Betroffenen berichten auch von den Folgen der digitalen Angriffe: So erzählt die französische Journalistin Nadia Daam, wie sie nach Drohungen gegen sie und ihre Tochter nicht mehr mit der U-Bahn gefahren ist, sich persönlich verändert und schließlich ihr Twitter-Konto geschlossen hat.

Die Social-Media-Konten zu deaktivieren und nichts mehr online zu veröffentlichen sei auch ein Rat, den Strafverfolgungsbehörden erteilen, wenn Betroffene Anzeige erstatten. Noch immer werde das Problem von Behörden und Gesellschaft nicht ernst genommen, berichtet Anna-Lena von Hodenberg von der Organisation HateAid.

Sie ordnet das Thema zusammen mit weiteren Expertinnen und Experten gesellschaftlich ein: “Das Netz ist der wichtigste öffentliche Raum, den wir haben.” Würden Stimmen aus diesem Raum verdrängt, gebe es keine demokratische Debatte mehr.

Mit Hass Geld verdienen

Auch der Frage nach den Tätern gehen die beiden Filmemacherinnen nach: Der Soziologe Renaud Maes vertritt die Ansicht, es seien hauptsächlich Männer aus sozial besser gestellten Schichten. In unserer Gesellschaft existierten Strukturen der Unterdrückung, die noch nicht überwunden sind. Hielten sich die Täter im Alltag noch zurück, ließen sie im Internet alle Hüllen fallen. Renate Künast spricht von häufig aus dem rechten und rechtsextremen Spektrum stammenden Tätern, die systematisch Frauen in aktiven Rollen beleidigen.

Die Forscherin Emma Jane erklärt, dass soziale Medien Frauenhass verstärken. Doch die Plattformen entzögen sich ihrer Verantwortung: Renate Künast hatte Facebook gemeinsam mit über 100 politisch aktiven Frauen aufgefordert, Androhungen von körperlicher oder sexualisierter Gewalt gegen Frauen zu löschen. Die Firma erklärte nach Monaten, sie täte bereits alles in ihrer Macht stehende. Anna-Lena von Hodenberg wirft den Plattformen hingegen vor, mit Hass Geld zu verdienen: “Hass-Kommentare laufen sogar noch besser als Katzenvideos.”

Unterfüttert wird die Dokumentation mit Statistiken zum Thema, wie beispielsweise von Amnesty International: Demnach wird in jedem zehnten Tweet eine schwarze Frau missbräuchlich erwähnt, in jedem fünfzehnten eine weiße Frau.

Die 70-minütige Dokumentation “#dreckshure” ist am Mittwoch, den 23. Juni um 21:50 Uhr auf Arte zu sehen. Außerdem ist sie bis zum 4. Dezember 2021 in der Arte-Mediathek verfügbar. (js)