Indien: Investigativjournalist mit Spähsoftware angegriffen
Der indische Journalist Anand Mangnale wurde einem Bericht zufolge mit der Spähsoftware Pegasus angegriffen. Apple hatte erst kürzlich mehrere indische Nutzerinnen und Nutzer vor Infektionsversuchen gewarnt, darunter auch Oppositionspolitiker.
Der Mitbegründer des Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP), Drew Sullivan, sagte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, das Smartphone eines für das Projekt arbeitenden indischen Journalisten sei Ende August angegriffen worden. Sicherheitsexperten hätten “mit hoher Sicherheit” festgestellt, dass es sich bei der eingesetzten Spähsoftware um Pegasus vom israelischen Entwickler NSO Group gehandelt habe.
Das OCCRP ist ein Zusammenschluss von investigativen Journalistinnen und Journalisten, die vor allem zu organisierter Kriminalität und Korruption recherchieren. Das Spionageziel Anand Mangnale hatte im August gemeinsam mit weiteren Medienschaffenden zu Betrugsvorwürfen gegen den indischen Konzern Adani berichtet, die Anfang des Jahres aufgekommen waren.
Sullivan bezeichnete den Angriff auf Mangnales Smartphone gegenüber Reuters als “inakzeptabel und empörend”. “Welche Regierung auch immer die Reporter ausspioniert, es gibt keine plausible Erklärung dafür, außer politischem Nutzen”, kritisierte er. Mangnale selbst war für Reuters zunächst nicht erreichbar.
Apple verschickt Warnmeldungen
Erst Ende Oktober war bekannt geworden, dass Apple Warnungen an mehrere Oppositionspolitiker und Medienschaffende in Indien versendet hatte, weil der Konzern Hinweise auf staatlich unterstützte Spionageangriffe entdeckt hatte. Apple versendet solche Benachrichtigungen seit November 2021.
Was ist Pegasus?
Pegasus ist eine Spionagesoftware der israelischen Firma NSO Group, das nur an staatliche Stellen verkauft wird. Die Spähsoftware kann ein infiltriertes Gerät komplett übernehmen und beispielsweise die Kamera und das Mikrofon unbemerkt anschalten – oder sämtliche Daten kopieren. Auch Standortdaten lassen sich abrufen und Passwörter auslesen. Das Überwachungsprogramm steht seit Jahren im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen in der Kritik.
Wie die indische Nachrichtenseite The Wire berichtete, hatte auch Mangnale eine solche Warnung erhalten. Auch Siddharth Varadarajan, Mitbegründer von The Wire, wurde demnach von Apple gewarnt.
Laut The Wire hatten auch mehrere Mitarbeitende des oppositionellen Parlamentsabgeordneten Rahul Gandhi, der als führender Oppositionspolitiker Indiens gilt, Warnungen erhalten. Gandhi hatte daraufhin die Regierung von Premier Narendra Modi für die Angriffe verantwortlich gemacht. Medienberichten zufolge vertrat Gandhi in einer von ihm einberufenen Pressekonferenz die These, die von Apple gewarnten Personen seien mit Spähsoftware angegriffen worden, weil sie Fragen an die Regierung zur Unterstützung des Adani-Konzerns gestellt hätten. Gautam Adani, Vorsitzender der Adani-Gruppe, soll von seinen engen Beziehungen zu Premier Modi profitiert haben.
Pegasus-Skandal im Jahr 2021
Auch Gandhis eigene Smartphones waren in der Vergangenheit mit Pegasus angegriffen worden. Im Jahr 2021 hatten die Organisationen Forbidden Stories und Amnesty International sowie mehrere internationale Medien – darunter The Wire – aufgedeckt, wie weltweit Medienschaffende, Menschenrechtler und Oppositionelle mit Pegasus überwacht wurden. Sie hatten einen Datensatz mit mehr als 50.000 Telefonnummern ausgewertet, die offenbar von Pegasus-Nutzern als potenzielle Ausspähziele ausgewählt worden waren.
Darunter befanden sich auch mehr als 300 indische Telefonnummern – unter anderem zwei von Rahul Gandhi. Sicherheitsforscher konnten zudem Pegasus-Infektionen auf dem Telefon des für Oppositionsparteien tätigen politischen Strategen Prashant Kishor nachweisen – unter anderem inmitten eines kommunalen Wahlkampfes im Jahr 2021. Und auch Medienschaffende waren in Indien als Angriffsziele ausgewählt worden, darunter auch The-Wire-Mitbegründer Varadarajan.
Laut The Wire hat die indische Regierung den Einsatz von Pegasus weder bestätigt noch dementiert.
Als Folge der Enthüllungen hatte der Oberste Gerichtshof Indiens einen Ausschuss eingesetzt, um den Missbrauch von Pegasus zu untersuchen. Der Untersuchungsausschuss beendete seine Arbeit zwar im vergangenen Jahr – die Ergebnisse wurden allerdings bisher nicht veröffentlicht. Das Gericht stellte jedoch fest, die Regierung habe nicht kooperiert.
Verbot gefordert
Anlässlich der nun von Apple versendeten Warnungen vor Spähsoftware-Angriffen erklärte Likhita Banerji von Amnesty International: “In Indien waren Organisationen der Zivilgesellschaft, Journalisten und Aktivisten in der Vergangenheit mit unkontrollierter und unrechtmäßiger Überwachung konfrontiert. Die Spionagetechnologie wurde eingesetzt, um die Menschenrechte zu untergraben und die Versammlungs- und Meinungsfreiheit zu beschneiden.” Vor diesem Hintergrund seien die Berichte über die Warnungen Monate vor den anstehenden Wahlen in Indien “besonders besorgniserregend”.
Die Organisation fordert ein weltweites Verbot von Spähsoftware wie Pegasus.
Auch Rand Hammound von Access Now warnte: “Die Apple-Warnungen unterstreichen den Mangel an Maßnahmen und Rechenschaft in Bezug auf den jahrelangen Missbrauch von Spähsoftware in Indien. Der weitere Einsatz invasiver Überwachungstechnologien, insbesondere gegen Journalisten und kritische Stimmen, untergräbt demokratische Prozesse und Werte, beeinträchtigt die Pressefreiheit und ermöglicht Menschenrechtsverletzungen.” (js)